Friedrich Schiller: Die Räuber

Leben & Werk Die Räuber U-Material Recht und Rache R. Safranski über "Die Räuber"

Die Räuber. Schauspiel

Uraufgeführt am 13. Januar 1782 in Mannheim.

Akt I

1. Szene; Franken, Saal im Moorischen Schloss
Franz Moor bringt seinem kranken Vater eine gefälschte Nachricht vom Handelspartner in Leipzig: Bruder Karl, Lieblingssohn und Erstgeborener des alten Moor, habe sich dort völlig verschuldet, eine Bankierstochter entehrt, deren Verehrer im Duell erstochen und daraufhin eine Räuberbande gegründet. Er werde jetzt steckbrieflich gesucht. Franz, Mitgefühl heuchelnd, quält den Vater, indem er dessen Liebling als verkommen und charakterlos beschimpft und versucht, sich selbst in ein besseres Licht zu setzen. Der Vater soll Karl, zumindest bis auf Weiteres, verstoßen! Der alte Herr lässt sich dazu überreden und überlässt es Franz, den Brief an den Bruder zu verfassen.
Im darauf folgenden Monolog Franzens hadert dieser mit der 'Natur', welche ihn als zweiten zur Welt kommen ließ und überdies noch so hässlich. Warum überhaupt hat die Natur darüber zu bestimmen, wer welches Recht hat? Ist ein Kind nicht bloße Ausgeburt einer Lust? Andererseits: die Natur verleiht auch "Erfindungsgeist" (17): Herrscht nicht das Recht des Stärkeren in der Natur? Damit will er sich durchsetzen und alles vernichten, was seinem Machtstreben im Wege steht.

2. Szene: Schenke an der Grenze von Sachsen:
Karl - ein Prachtskerl voll ungebändigtem Tatendrang - schimpft im Kreise seiner Kumpanen, alles verkrachte, verschuldete Studenten, über die Schwächlichkeit und Buchgläubigkeit seines Jahrhunderts: Konvention und Gesetz schnüren den freien Wilen des Menschen ein. Er und Seinesgleichen würden Deutschland zu einer prachtvollen "Republik" machen.
Kumpan Spiegelberg gefällt dieser Tatendrang, er versteht ihn aber anders und hält Karl die Streiche vor, die dieser schon angezettelt hat. Karl aber betrachtet diese nun als alberne "Narrenstreiche". (21) Damit solls nun eine ende haben, er will zurück zum geliebten Vater und zur geliebten Amalie. Er habe schon einen Verzeihungsbrief geschriebenund wartet nun ungeduldig auf eine Antwort.
Da erhält er den Brief des Bruders, der ihm mitteilt, dass er für immer verstoßen sei. Er gerät außer sich.
"Franz heißt die Kanaille?"(Schweizer S. 26)
In der Zwischenzeit stachelt der größenwahnsinnige Spiegelberg die Kumpanen dazu auf, in den böhmischen Wäldern eine Räuberbande zu gründen und sich mit Raub und Mord zu vergnügen. Doch zu seinem größten Verdruss bitten sie Karl Moor darum ihr Hauptmann zu sein. Dieser, rasend vor Wut über des Bruders Niedertracht und die Niedertracht der Welt, stimmt zu und schwört der Welt schonungslose Rache. Die anderen stimmen in diesen Schwur mit ein.

3. Szene: Im Moorischen Schloss, Amaliens Zimmer
Franz macht Amalia, als Waise im Hause aufgenommen, den Hof. Als diese ablehnt, malt er ihr ein schreckliches Bild von Karl als einem von der Lustseuche gezeichneten Ungeheuer. Als auch dies nicht wirkt, erzählt er ihr von Karls letztem Wunsch vor seinem Weggang, nämlich für Amalia zu sorgen wie er selbst. Amalia bleibt unbeugsam. Monolog: Sie ist bereit, alles aufzugeben nur um Karl nahe zu sein.

Arbeitsaufträge

  • Welche Personenkonstellation liegt vor? Zeichne ein Schaubild und trage darin auch schon Charaktereigenschaften ein.
  • Welche Konflikte deuten sich an?
  • Vergegenwärtige Dir die Struktur des klassischen Dramas und überlege, welchen weiteren Verlauf die Handlung nehmen kann.

II. AKT
1. Im Moorschen Schloss, ca. 11 Monate später
Franz schmiedet einen teuflischen Plan, wie er den Vater töten kann, ohne selbst Hand anlegenzu müssen: "den Körper vom Geist aus verderben." (40) "die friedliche Eintracht der Seele mit ihrem Leib zu stören" (41): Verzweiflung ist tödlicher als Gift.
Er stachelt Hermann, einen etwas tumben Junker, gegen Karl auf: Er hat ja dereinst im Kampf um Amalia den Kürzeren gezogen, und außerdem habe Karl das Gerücht von dessen unehelicher Geburt verbreitet ("zwischen Rindfleisch und Merrettich gemacht", S. 43)
Dieser soll sich verkleiden und dem alten Moor, der schon lange seine Entscheidung bereut, die Nachricht von Karls Tod bringen.

2. Amalia und der alte Moor schwelgen in Erinnerungen an den geliebten Karl. Da taucht Franz mit dem als Bettler verkleideten Hermann auf: Er gibt Nachricht von Karls Tod in einer Schlacht ("Feld der Ehre"). - Wilde Verzweiflung von Amalia und dem Alten. Dieser stirbt und Franz frohlockt.

3. Spiegelberg betätigt sich erfolgreich als Werber für die Bande (schon 78 Mann) und rühmt sich seiner feigen Greuel- und Missetaten, z.B. den Überfall auf ein Cäcilienkloster.
Karl demgegenüber erscheint als echter Robin Hood (so dargestellt von Razmann S.60), er kämpft gegen die Reichen, die Unterdrücker und Pfaffen. er gibt das Geld an die Armen und vergibt sogar Stipendien.
Gerade kehrt er von einem kühnen Streich zurück, er hat seinen besten Mann, Roller, vorm Galgen gerettet und dabei eine Stadt angezündet. Seine Leute aber haben die Kirche geplündert und gemordet, Schufterle erzählt, wie er ein Kleinkind in die Flammen warf - darüber gerät Moor in große Wut, er jagt Schufterle davon und verfällt in tiefe Depression und will abhauen: "du bist der Mann nicht, das Rachschwert der obern Tribunale zu regieren"(67).
Doch da wird der Wald von tausendeinhalb Dragonern und Husaren umstellt, es sieht so aus, als ob Moor das so gewollt hatte; Spiegelberg verlässt plötzlich der Mut (S.68) - und ein Kapuzinermönch taucht auf, der Moor auffordert sich zu stellen, er werde dann nur gerädert.
Hier folgt Karl Moors große Anklage an die Kirche: Alles Heuchelei!
Nächstenliebe wird gepredigt und den Armen vor der Haustür wird nicht geholfen;
da wird Armut gepredigt und das Gold Perus ausgeplündert ... alles Pharisäer (S.72/3)
Moor stachelt seine Leute dazu auf, ihn auszuliefernt und so ihren Kopf zu retten, aber das schmiedet die Truppe nur zusammen und steigert den Mut zum letzten Gefecht.

Fragen zu II,3:

  • Warum ist Spiegelberg Räuber? Warum ist es Karl? (S.60)
  • Wie reagiert Karl Moor auf Schufterles Erzählung? (S.68)
  • Welches sind Karls Vorwürfe an die Kirche? (S.72)
                          MOOR  -------  SPIEGELBERG

         beide sind aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgestiegen 
                     sind gesellschaftliche Außenseiter 
       halten sich für Genies, die keinem geltenden Recht verpflichtet sind 
                                                 ABER:
                 /                                        \ 
       hat hohe Ideale                              hat keine höheren Ideale 
       ausgeprägtes Gerechtigkeits-                 ist ein Egozentriker 
                 empfinden 
       nicht an Geld interessiert              betreibt Selbstbereicherung 
       handelt uneigennützig und          befriedigt seine sadistischen Bedürfnisse
       aus Rachbedürfnis                  möchte Macht über andere ausüben       
                ||                                           || 
                \/                                           \/ 
 Verbrecher aus gekränktem                   Verbrecher aus reiner Lust am 
  Ehrgefühl (V. als Mittel zum Zweck)        Verbrechen (V. als Selbstzweck)

     Wie stehen die Chance für eine Rückkehr ins bürgerliche Leben? 

        denkbar                                              unvorstellbar
III. AKT
1. Franz will Amalia mit Gewalt zur Matresse erniedrigen, diese aber ergreift sein Schwert und jagt ihn weg. Zerknirscht taucht Hermann auf und gesteht ihr, dass Karl noch lebt und auch der alte Moor.

2. Karl und seine Getreuen lagern erschöpft nach der Schlacht in herbstlicher Natur: Wieder in depressiver Stimmung träumt er von der Kindheit, trauert seiner verlorenen Unschuld nach, beklagt auch sein Räuberdasein und Rollers Tod in der Schlacht.
Da erscheint ein gewisser Kosinsky und bittet um Aufnahme in die Bande: Moor versucht ihn abzuschrecken, doch Kosinsky ist entschlossen und erzählt eine Geschichte, in der auch eine Amalia vorkommt, die jetzt im Kloster gelandet ist. Moor, wieder ermannt, bricht sofort auf. Wohin?

Fragen zu Szene III.2:

1. Was kennzeichnet die Situation?

    (Schlacht gewonnen, Roller tot, Karls Überdruss und Ratlosigkeit in der Truppe)

2. Welche Stimmungen wandeln Karl Moor an und warum?

    (Sehnsucht nach der Unschuld und Geborgenheit der Kinderzeit, Rückkehr in die Väterwelt)

3. In welchen Konflikt bringt ihn Kosinskys Auftauchen und Erzählung?

    (Er schwört seinen Mannen ewige Treue, aber Kosinskys Geschichte treibt ihn zurück ins väterliche Haus und damit ins bürgerliche Leben. Wie aber sind Räuberbande und bürgerliches Leben miteinander vereinbar?)

4. Im III. Akt - auch Krise genannt - findet bekanntlich die Peripetie, die Schicksalswende statt: Erkläre, worin hier die Peripetie liegt.

IV. AKT
1. Karl Moor vor dem väterlichen Schloss: Es fasst ihn Heimweh und Verzweiflung.

2. Als Graf von Brand lässt er sich bei Amalia einführen, erkennt, dass diese ihn keineswegs vergessen hat, bleibt aber incognito.
Franz riecht Lunte und heckt einen neuen Plan aus; Er zwingt den guten alten Diener Daniel den Grafen umbringen zu wollen.
Mord-Monolog Franzens über die Nichtigkeit des Lebens.

3. Daniel erkennt Karl wieder und Karl gibt seine Tarnung ihm gegenüber auf. Er erfährt nun von den Misstaten seines Bruders und will sofort abreisen.

4. Noch einmal bei Amalia: Er gibt sich nicht zu erkennen und flieht den tränenreichen Ort.

5. Spiegelberg schmiedet Mordpläne gegen den Hauptmann, dafür sticht Schweizer ihn tot. Da erscheint Karl und nimmt Spiegelbergs Tod als Zeichen der Nemesis, des Wirkens einer höheren Gerechtigkeit.
Nach langem Monolog ("kein Ausgang") will er sich erschießen ("Gipfel der Freiheit" S.112 )
- doch just erscheint in diesem Moment Hermann, der dem alten Moor in seinem verfallenen Turm Nahrung bringt. Karl stellt Hermann, aus dem Turm steigt der alte Moor und erzählt die Geschichte seines Sterbens und Lebens. Karl schwört blutige Rache und beschwört Schweizer mit dem ehrenvollen Amte.

→ Szenenanalyse: Karls Monolog, Karls Entscheidung (IV,5)

V. AKT
1. Im Schloss unterdessen, es ist Mitternacht, wird Franz von Fieber-Visionen gequält. Er erzählt Daniel seinen Traum vom Jüngsten Gericht: Der Tag der Abrechnung, wenn ein Gott ist!

Der Pastor wird gerufen: Gespräch, ob ein Gott ist. Franz will, dass kein Gott existiere, damit dessen Gerechtigkeit ihn nicht strafen könne. Der Pastor aber erschüttert ihn zutiefst, denn keine größere Sünde gäbe es als Vater- und Brudermord (ohne zu wissen, dass Franz eben solches begehen wollte).

Späte Reue kommt ihn daraufhin an, er will beten, aber der Versuch misslingt.
Schon sind die Räuber im Schloss und Feuer um sich greift, Franz erhängt sich noch bevor Schweizer auftaucht, dieser schießt sich tot, weil er seinen Auftrag nicht erfüllen kann.

- Zentrale Fragestellung dieser Szene: Gibt es einen Gott? Gibt es Gerechtigkeit? Wie setzt sie sich durch?

2. Im Walde unterdessen erfährt Karl (immer noch unerkannt) des Vaters Liebe, denn der Alte wünscht sich Karl herbei, dieser gibt sich zwar nicht zu erkennen, wird aber stellvertretend für den Sohn gesegnet. Karl fühlt, dass er verloren ist und des väterlichen Segens nicht mehr würdig.

Räuber kommen aus dem Schloss , Karl erfährt, dass Schweizer tot ist, er fühlt sich entlastet, einer Verpflichtung ledig (133).

Andere Räuber bringen Amalia, sie entdeckt den Vater Moor, Versöhnung ist nah, doch Karl entdeckt sich als der Räuberhauptmann, der Alte gibt daraufhin den Geist auf (135).
Amalia - trotz allem - wirft sich Karl in die Arme, vergibt ihm, dieser wird rasend vor Verzweiflung, doch Amalias Liebe bezwingt ihn -
(136) da aber treten die Räuber dazwischen und klagen ihn des Verrates an seinem Schwur an.
Moor erkennt, dass Umkehr nicht möglich ist, als Amalia ihn daraufhin um den Tod bittet, ersticht er sie.
Er erkennt das Recht, das er sich auszuüben anmaßte, als Unrecht wider die sittliche Ordnung (S.138/9) und geht von dannen, um sich der weltlichen Gerichtsbarkeit zu stellen.
Ein armer Tagelöhner soll sich das Lösegeld verdienen: "Dem Mann kann geholfen werden."


  Gesamtschau
   • Die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen 
          (schwächliches Zeitalter) 
   • die Erfahrung von Ungerechtigkeit 
          (bedingt durch Franzens Ränke und Machtgier) 
   • und das Versagen von weltlicher Gerichtsbarkeit und Kirche (II,3 und III,2) 
          führen Karl zu
              || 
              \/ 
     Selbstjustiz und Rache des Beleidigten (Jetzt helfe ich mir selbst!) 
                  ||
                  \/
     Aber die Erkenntnis einer höheren (göttliche) Gerechtigkeit 
     (Harmonie der Welt) setzt sich durch (Erkenntnis der Schuld V,2) und 
     bewirkt 
                    || 
                    \/ 
     Karls Selbstauslieferung als Schritt zur Wiederherstellung einer 
     sittlichen Ordnung (→ 'NATUR' aus I,1) 

    Was also setzt sich schließlich durch? Das Gefühl der 'heiligen' Pflicht 
    gegenüber einer als vernünftig (an)erkannten Ordnung (→ Immanuel Kant).
	

(cc) Klaus Dautel


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