Goethe, Schiller und Zeitgenossen
K. Dautels Ideen, Materialien, Vorschläge für den Deutschunterricht
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Einführung Das Trauerspiel Unterrichtspraktisches
Die Beliebtheit dieses Themas ist keineswegs zufällig (...) Sozial ist ... die Tragödie des verführten Bürgermädchens nur EIN Fall unter den vielen Übergriffen des Feudalismus. Vom Standpunkt der dichterischen Gestaltung aber hat dieses Thema solche Vorzüge, dass es nicht zufälligerweise zum dramatischen Hauptthema der deutschen Aufklärung wurde. Vor allem sind hier in ziemlich prägnanter Weise, in einem leicht nacherlebbaren typischen Einzelfall die widerwärtigsten, das ganze Bürgertum ... spontan empörenden Züge der Unterdrückung konzentriert ...
Weiter bietet gerade dieses Thema am wirksamsten den am weitesten im Vordergrund stehenden Gegensatz: den der beiden Moralen, der moralischen Verkommenheit, des moralischen Nihilismus beim Adel und des gesunden, sittlichen Gefühls beim Bürgertum. Endlich kann hier die Schwäche der Bürger, ihre Ohnmacht gegenüber dem Adel vollkommen wahrheitsgetreu dargestellt werden, und es kann doch ihr passiver, echt gewachsener, nicht gewaltsam emporgeschraubter Heroismus zum Ausdruck gelangen. So ist es nicht zufällig, daß selbst bei dem politisch leidenschaftlichsten Dramatiker des Sturm und Drang, beim jungen Schiller, der Soldatenverkauf durch die Fürsten nur eine Episode in der zentralen Liebestragödie bildet.G. Lukacs: Faust-Studien (1940), in: Faust und Faustus, Hamburg 1971 S.179/80
"Vorübergehend will ich ... noch eines guten Gesellen gedenken, der, obgleich von keinen außerordentlichen Gaben, doch auch mitzählte. Er hieß Wagner, erst ein Glieder der Straßburger, dann der Frankfurter Gesellschaft; nicht ohne Geist, Talent und Unterricht. Er zeigte sich als ein Strebender, und so war er willkommen. Auch hielt er treulich an mir, und weil ich aus allem, was ich vorhatte, kein Geheimnis machte, so erzählte ich ihm wie andern meine Absicht mit "Faust", besonders die Katastrophe von Gretchen. Er faßte das Sujet auf, und benutzte es für ein Trauerspiel, "Die Kindesmörderin". Es war das erstemal, daß mir jemand etwas von meinen Vorsätzen wegschnappte; es verdroß mich, ohne daß ich's ihm nachgetragen hätte. Ich habe dergleichen Gedankenraub und Vorwegnahmen nachher noch oft genug erlebt ..."
J.W. Goethe: Dichtung und Wahrheit, Dritter Teil, 14. Buch, zit. nach Projekt Gutenberg.