Friedrich Schiller: Die Räuber

Leben & Werk Die Räuber U-Material Recht und Rache im Drama R. Safranski über „Die Räuber”

Rüdiger Safranski zu Schillers „Räuber"


Exzerpt des „Räuber"-Kapitels (Sechstes Kapitel) aus Rüdiger Safranskis „Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus" (Hanser 2004)

(S. 100 ff): Einige prägende Erfahrungen, unter denen „Die Räuber” entstanden sind:

  • Der Zwang zur Unterwerfung (Subordination) unter die militärische Ordnung seiner Schulzeit, verknüpft mit einer bedrückenden Erfahrungsarmut der Schüler, was Schiller später selbst – auch an seinen Räubern – beklagte.
  • Das Schicksal des Publizisten Daniel Schubart, den Schiller noch in Ludwigsburg kennengelernt hat, und an dem der Herzog ein grausames Exempel statuieren ließ, indem er ihn 1777 für neun Jahre ohne Prozess in das Gefängnis auf dem 'Hohen Asperg' bringen ließ. Schubart wurde als warnendes Beispiel für die Ausartungen eines Schöngeistes hingestellt.
  • Weitere Anregungen kamen aus dem damals verbreiteten Gauner- und Vagantentum, das den jungen Mann wohl fasziniert hat.
  • 1775 wurde Schiller auf eine von Daniel Schubart mitgeteilte Anekdote im „Schwäbischen Magazin“ aufmerksam, in der die Geschichte von zwei ungleichen Brüdern erzählt wird, die dann in Schillers „Räuber" den Kern der Handlung ausmachen. So beschrieb Schiller seine „Räuber" 1781 als Geburt aus dem Beischlaf der Subordination und des Genius (104).

R. Safranski erläutert Schillers dramatisches Erstlingswerk des Weiteren unter vier Aspekten: dem medizinischen, philosophischen, literarischen und wirkungsästhetischen.

  1. Den Mediziner merkt man an der körpernahen Metaphorik, z.B. wenn in I,3 Franz die körperlichen Folgen der Laster schildert, denen sich der Lotterstudent Karl hingibt. (109) Auch Franzens Mordanschläge auf den alten Vater sind psychosomatische Attacken, in denen der Arzt Schiller sich aufgrund seiner Dissertation ausgekannt haben muss.
  2. Philosophisch ist es die Vision der All-Liebe, der großen Kette der Wesen, die wie in einer Experimentalanordnung auf den Prüfstand kommt (111). Franz ist von der Natur vernachlässigt worden und kam damit in der Lotterie des Lebens zu kurz. Er hat also der Natur gegenüber keine Verpflichtungen, sie gab ihm nichts, „wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache.“ (I.500f) Wenn man das Opfer eines bösen Geschickes ist, warum sollte man dann nicht den anderen zum bösen Schicksal werden? (vgl. dazu Shakespeares "Richard III", der gleich in der ersten Szene beschließt, ein Bösewicht zu werden.) Aber der Bösewicht hält nicht stand, sondern wird am Ende von der Höllenangst in den Selbstmord getrieben, „diese Verkleinerung des Bösen glaubt Schiller der guten Weltordnung, die am Ende doch irgendwie triumphieren soll, schuldig zu sein.“ (113)
    Für Karl stürzt die Ordnung des Seins zusammen, weil er sich von seinem Vater und damit aus der väterlichen Ordnung ausgestoßen sieht. Er wünscht sich in den Mutterleib zurück, flüchtet dann aber in den Schoß der Räuberbande, die gerade jetzt einen Hauptmann sucht. So wird er zum edlen Räuber, raubt und mordet zum Wohle der Armen. Doch es trifft Unschuldige wie Schuldige! Aber er stellt sein Treiben einer Naturgewalt gleich, einem Unwetter. Dennoch entdeckt er im Weltlauf - ebenso wie Franz - nur das Wirken einer grausamen Gleichgültigkeit. Zwei Menschen wie er können den ganzen „Bau der sittlichen Welt zugrunde richten.“ Er und sein Bruder sind zwei solche Menschen.
    Doch Karl entdeckt das Mysterium der Freiheit (115), das dem Zusammenbruch der Welt trotzen kann. Und zur Entdeckung der Freiheit gehört die Übernahme von Verantwortung für das Angerichtete. Die zerbrochene Weltordnung wird dadurch nicht wiederhergestellt, alle sterben in der letzten Szene, es gibt keine Versöhnung, aber das Pathos der Freiheit triumphiert am Ende.
  3. Was die literarische Qualität betrifft, so ist das Stück nicht aus einem Guss (116), die Verhaltensweisen des Bösen sind nicht genügend motiviert, es ist zuviel Philosophie im Spiel, es ist lebensfremd – Schiller ist schon sehr früh sein schärfster Kritiker.
  4. Schiller hat den öffentlichen Raum, die Wirkungsstätte seiner Stücke immer im Blick. Er denkt wirkungsästhetisch, „Wirkung war ihm alles, dem musste sich Ausdrucksgehalt, Machart und Ideengehalt unterordnen“ (118) „Das Drama ist für Schiller eine Affekterregungskunst, es kommt alles auf das virtuose Arrangement der Effekte an, das Theater – eine Maschine zur Herstellung großer Gefühle.“ (119)

(cc) Klaus Dautel


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