Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti

Einführung & Durchgang & Synopse
Emilias Tod & Emilias Charakter
Bürgerliches Trauerspiel & Theater-Reform
Aufklärung / Sturm und DrangMaterial


Emilia Galotti. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Aufzug I

    Im Kabinett des Prinzen (am frühen Morgen)

    1. Prinz Hettore Gonzaga liest Bittschriften und stößt dabei auf den Namen Emilia. Dieser raubt ihm die Ruhe, da er ihn an Emilia Galotti erinnert, die er - obwohl nur einmal gesehen - begehrt. - Ein Brief der Gräfin Orsina bringt Kunde, dass sie in die Stadt gekommen sei, um ihn zu besuchen.

    2.- 5. Der Maler Conti bringt zwei Porträts: Anlässlich der Portraits der Orsina (eine Auftragsarbeit) entspinnt sich ein Gespräch über Kunst: „Die Kunst geht nach Brot.“ Zugleich aber hat Conti aus freien Stücken auch ein Porträt der Emilia G. angefertigt, das den Prinzen sehr beeindruckt („sehend mit den Augen der Liebe”). Die Begierde des Prinzen ist angestachelt: Er will das Bild und vor allem die darin Portraitierte haben.

    6. Der Prinz im Gespräch mit seinem Kammerherrn Marinelli über die „närrische Orsina“, über die bevorstehende Zweckehe des Prinzen mit ihr und über echte Liebe, wie z.B. beim Grafen Appiani, der noch heute die junge Emilia zu heiraten, sich dem höfischen Zwang zu entziehen und dann in die freie Alpennatur zu entfliehen gedenkt. - Der Prinz ist außer sich und gesteht seine maßlose Liebe zu Emilia. Marinelli sinnt sofort auf einen Plan zur Vereitelung der Hochzeit.

    7. Der Prinz beschließt, die begehrte Emilia bei ihrem Kirchgang anzusprechen.

    8. Der Rat Camillo Rota findet den Prinzen zerstreut und in Eile. Er vorenthält ihm darum ein Todesurteil, das jener in aller Eile und „recht gern“ unterschrieben hätte.

      Exposition: Wo? Wann? Wer? Worum geht‘s?

    Themen und Konflikte:

    • Feudale Machtverhältnisse:
    • Der Prinz: Fürstliche Willkür, Gewalt und Begehren (1, 5, 8)
    • Emilia: Das (abwesende) Objekt der Begierde
    • Kammerherr Marinelli: Der höfische Intrigant
    • Graf Appiani: Der junge Edle und sein Karriere-Verzicht durch Liebesheirat
    • Rolle des Künstlers: Abhängigkeit vom Mäzenaten oder freies Künstlertum (2-4)
    • Wahre Liebe und politische Zweckehe (6)

Aufzug II

    1. - 2. Im Hause der Galottis bereitet man sich auf die Abreise auf das Landgut, dem eigentlichen Wohnsitz der G.s, vor. Von dort erscheint überraschend der alte Odoardo Galotti. Er erfährt von seiner Frau Claudia, dass Emilia alleine in der Kirche sei. Der Vater ist darüber erbost, denn auch auf dem Weg zur Kirche können „Fehltritte“ geschehen.

    3. Der vogelfreie Räuber Angelo taucht bei dem Diener und alten Spießgesellen Pirro auf und erkundigt sich nach der bald aufbrechenden Hochzeitsgesellschaft. Er hat einen Anschlag auf diese vor.

    4.- 5. Odoardo und Claudia warten auf ihre Tochter: Das Gespräch dreht sich um die Stadt, den Hof und das freie Land (kriechen oder selbst „befehlen”). Der Vater ist froh, dass Emilia und Apiani dem Hof den Rücken kehren wollen, um ihrer Tugend und um seiner Freiheit willen. Er erfährt auch, dass der Prinz seiner Tochter neulich begegnet sei.

    6. Emilia (ihr erster Auftritt!) stürzt herein, verängstigt, da während der Andacht in der Kirche der Prinz sie angesprochen und sie auch noch außerhalb der Kirche verfolgt habe. Mutter und Tochter kommen darin überein, dass niemand davon wissen soll, am wenigsten der sittenstrenge Vater. Emilia fügt sich ganz dem Urteil der Mutter.

    7. - 8. Graf Appiani, der glückliche und doch etwas schwermütige Bräutigam, erscheint, während sich Emilia zur Hochzeit richtet. Er ist bedrückt, weil er versprochen hat, den Prinzen von dieser Hochzeit in Kenntnis zu setzen.

    9. - 11. Marinelli erscheint und unterrichtet Appiani von einem „ehrenvollen“ Auftrag des Prinzen: Heute noch solle er als dessen Gesandter in Hochzeitsangelegenheiten auf Reisen gehen. Da Appiani ablehnt, provoziert ihn Marinelli und es kommt beinahe zum Duell.

      Akt II: Konfliktpotenziale

    Nachdem im I. Akt die wesentlichen Personen die Bühne betreten haben und die Ausgangssituation der kommenden Ereignisse hergestellt wurde, gewinnt im II. Akt die Handlung an Dynamik. Weitere Gegensätze nehmen Gestalt an:

    • Stadt versus Land (4-5)
    • Intriganter Höfling versus freier Mann (9-11)
    • Verbrechen versus Anständigkeit
    • Fürstliche Amoral versus fromme Unschuld

    Sucht Stellen, in denen diese Konfliktpotenziale deutlich werden.

Aufzug III

    1. Im Lustschloss des Prinzen teilt Marinelli dem Prinzen die Absage Appianis mit. Er schlägt nun vor, Emilia gewaltsam entführen zu lassen: Räuber sollen die Kutsche überfallen, Bedienstete des Prinzen sollen Emilia vor den Räubern retten und in des Prinzen Schloss bringen. Schon hört man Schüsse, und während der Prinz noch über den Plan verblüfft ist, findet dieser schon statt.

    2. Angelo, der Räuber, bringt die Nachricht vom gelungenen Überfall, bei dem allerdings Appiani tödlich verwundet wurde.

    3. In Erwartung der Ankunft Emilias gesteht der Prinz Marinelli sein Versagen (Angst), als er Emilia in der Kirche angesprochen hatte. Er will ihr jetzt nicht sogleich unter die Augen treten.

    4.-5. Emilia tritt auf und erfährt von Marinelli, dass sie jetzt im Schloss des Prinzen sei. Dieser erscheint und versucht sie zu beruhigen.

    6.-8. Auch Mutter Claudia kommt im Schloss an, erblickt Marinelli mit Schrecken, denn der Graf hatte im Sterben dessen Namen ausgesprochen. Vollends wird ihr die Lage klar, als sie von der Anwesenheit des Prinzen erfährt.

      In der Krise

    In der Handlungslogik eines klassischen Dramas stellt der III. Akt eine krisenhafte Situation her, in der sich das Schicksal der Protagonisten in die eine oder die andere Richtung wendet. Überlegt:
    • Was rechtfertigt es, diesen Aufzug als Krise zu bezeichnen?
    • Beurteilt die Situation aller Betroffenen.
    • Ist Emilias Lage aussichslos?
    • Welche Handlungsmöglichkeiten hat sie bzw. bleiben ihr? Worauf darf sie hoffen?

Aufzug IV

    1. Der Prinz durchschaut, dass Marinelli den Grafen wohl hat absichtlich töten lassen, und nun ihm, dem Prinzen, die Verantwortung anlastet. Er ist ehrlich entrüstet, aber zu schwach, Marinellis Logik zu widerstehen: Der Prinz selbst habe ja durch seinen unüberlegten Schritt in der Kirche den Verdacht, der Anstifter zu sein, auf sich gelenkt.

    2.-4. Die Ankunft der Gräfin Orsina wird gemeldet. Der Prinz, in Panik, zieht sich erneut zurück. Marinelli empfängt die Gräfin, um sie abzuwimmeln. Er ist aber der emanzipiert-melancholisch-philosophierenden Dame, die seine Erbärmlichkeit durchschaut, nicht gewachsen. Der Prinz versucht zwar, Marinelli zu Hilfe zu eilen, entzieht sich dann aber rasch wieder.

    5. Nun erst recht dringt die Orsina auf Marinelli ein und erfährt das Vorgefallene. Sofort vermutet sie in dem Prinzen den Mörder und droht, dies bekannt zu machen.

    6.-7. Odoardo Galotti erscheint und will den Prinzen sprechen. Gräfin Orsina stachelt den Alten gegen den Prinzen auf („Meuchelmord“) und übergibt ihm zugleich ihren Dolch, bevor sie - mit einer Vision der Rache aller Frauen auf den Lippen - abgeht.

    8. Claudia kommt und bestätigt dem Gatten, was vorgefallen ist. Odoardo schickt sie mit der Orsina in die Stadt zurück und wartet auf den Prinzen. Er will Emilia zu sich auf das Land mitnehmen, um sie den Verführungen der Stadt zu entziehen.

    Die Lage ist kritisch, aber der Ausgang noch offen. Die drohende Katastrophe scheint hinausgeschoben und durch die Aussicht auf mögliche Lösungen aufgehalten.
    Man spricht hier vom retardierenden Moment, und bezeichnet damit die dramaturgische Rolle von Akt IV. im Trauerspiel: Das Hinauszögern der Katastrophe und die Eröffnung von Schein-Lösungen.

    • Welche Lösungsmöglichkeiten sind denkbar (4-8)? Warum Schein-Lösung?

Aufzug V

    1. Marinelli und der Prinz beobachten durch das Fenster den wartenden Vater. Sie beraten, was zu tun sei, falls dieser die Tochter mitnimmt.

    2. Monolog des wartenden Odoardo: Er will die Tochter dem Zugriff des Prinzen entziehen.

    3. Marinelli erfährt von Odoardo dessen Entschluss.

    4. Erneuter Monolog des Odoardo: Er ist hin- und hergerissen zwischen Verstand und Gefühlen der Rache.

    5. Odoardo teilt dem Prinzen mit, dass er Emilia ins Kloster schicken werde, der Prinz will nachgeben, da tritt Marinelli dazwischen: Ein Nebenbuhler habe den Grafen ermorden lassen, Emilia stehe unter Verdacht, Bescheid gewusst zu haben, sie müsse deshalb in die Stadt und dort zum Verhör gebracht werden. Odoardo, ziemlich durcheinander, verlangt noch einmal mit der Tochter zu sprechen.

    6. Monolog: Er will seine „gefallene Tochter“ sich selbst überlassen und verschwinden. Da kommt sie aber schon.

    7. Jetzt erst erfährt Odoardo vom Tode Appianis. Sie vermag den Vater von ihrer Unschuld zu überzeugen, dieser will mit ihr aus dem Schloss, Emilia aber will stattdessen den Dolch gegen sich selbst wenden („Verführung ist die wahre Gewalt“), der Vater hält sie davon ab, ersticht seine Tochter, von dieser dazu angestachelt (die römische Virginia als Vorbild), aber dann selbst.

    8. Emilia stirbt unter den Augen des Prinzen und Marinellis. Odoardo wirft nach kurzem Zögern den Dolch dem Prinzen vor die Füße und überliefert sich der irdischen und himmlischen Gerechtigkeit. Der Prinz jagt Marinelli (den teuflischen „Freund“) vom Hofe.


      Die Katastrophe:

    • Musste das so ausgehen?
    • Ist das Ende unausweichlich?
    • War Emilias Lage tatsächlich ausweglos?

    Hier einige Überlegungen dazu. ➙


(cc) Klaus Dautel


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