FAUST II

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Faust. Der Tragödie zweiter Teil

Seitenangaben nach »Hamburger Ausgabe« von Goethes Werken Bd. III, Hrsg. Erich Trunz, München 1972

Der erste Teil des »Faust« endet mit dem fehlgeschlagenen Versuch Fausts, Gretchen aus dem Kerker zu befreien, wo sie wegen Kindsmord angeklagt ihrer Hinrichtung harrt. Sie weigert sich mit ihm zu gehen und Faust muss unverrichteter Dinge abziehen. Der »Zweite Teil« beginnt mit dem Tiefschlaf Fausts in einer "Anmutigen Gegend"! Faust erlebt eine Katharsis. Ariel und der Chor machen ihn die Vergangenheit vergessen:

Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus. (V. 4624/5)

Faust löst sich von seiner Vergangenheit, es ist dies jedoch kein naives Vergessen, sondern ein bewusst herbeigeführtes Vergessen. So erst kann das Neue entstehen und weiterentwickelt werden. Durch den Heilschlaf in der »Anmutigen Gegend« ist Faust ein anderer als er zuvor war.

Die Gestaltung der Szene »Anmutige Gegend« steht in der Tradition des griechischen Dramas, bekannt als »Locus amoenus«. Der locus amoenus ist ein Ort, der sich durch eine bestimmte Standardausstattung auszeichnete: Rasen, Blumen, Bach und schattenspendende Bäume - ein Ort, der dazu dient, Erholung zu finden, Erneuerung vom Alten. Er hat tröstende Funktion bei Liebesunglück, er ist eine Schrumpfform des Goldenen Zeitalters, des Paradieses. Der Lauf der Zeit ist aufgehoben.

Akt I: Kaiserliche Pfalz

Faust und Mephistos nächste Station, jetzt in der „großen Welt":

Der Kaiser ist in Nöten, das Reich bricht auseinander (Bericht des Kanzlers S. 151). Der alte Hofnarr ist nicht mehr einsatzfähig. Dessen Stelle füllt nun Mephisto aus, er bietet dem Kaiser Hilfe an und verspricht Reichtümer. (S. 154)

Mummenschanz

Am Hofe findet ein Karnevalsfest statt, zu dessen Höhepunkt Faust auftritt, als Plutus, der Gott des Geldes, zusammen mit dem Knaben Lenker (als Allegorie der Poesie: Das Reich des Scheins). Letzterer wirft nun Schätze unter das Hofvolk, die Schätze jedoch verwandeln sich in glitzernde Seifenblasen und Funkensprühen (177/8). Ein allgemeines Chaos entsteht.

Lustgarten (185)

Des Kaisers Geldsorgen werden durch die Einführung von Papiergeld gelöst (187). Dabei weist Faust darauf hin, dass dieses Geld erst durch Arbeit gedeckt werden muss, soll es etwas wert sein. Mephisto dagegen lenkt ab, so dass sich diese Erkenntnis nicht durchzusetzen vermag.

Finstere Galerie (190)

Der Hof verlangt nach Unterhaltung, jetzt da alle Sorgen vertrieben scheinen, und verlangt von Faust, Helena und Paris - die Verkörperungen der Schönheit - heraufzubeschwören. Faust ist ratlos, doch Mephisto weist ihm den Weg zu den „Müttern", mit deren Hilfe er seine Zauberstücke vollführen kann.

Hell erleuchtete Säle (194)

Unterdessen wird Mephisto vom Hofvolk bedrängt, Wunder zu vollbringen. Er treibt seine alten Späße.

Rittersaal (196)

Faust lässt tatsächlich Paris und Helena erscheinen und verliebt sich sofort in Helena (S. 199). Das Hofvolk bestaunt Helena eher kritisch und kommentiert das Geschehen (V. 199). Als Paris dann Helena entführen will, greift Faust, von Eifersucht getrieben, in die Erscheinung ein und eine Explosion beendet das Schauspiel. Wieder entsteht Chaos und Mephisto muss Faust aus dem Getümmel retten.

Akt II. Enges Gotisches Zimmer (202)

Neue Episode, altbekannter Ort: Wagner, der ehemalige Famulus, hat sich seit Fausts Verschwinden in dessen Laboratorium zurückgezogen, um dort zu experimentieren (205).

Laboratorium

Wagner bastelt an neuen Fortpflanzungsmethoden und es entsteht gerade in einem Reagenzglas ein 'Menschlein' (Homunculus) (211), vorerst als körperloser Geist, der aber schon mehr weiß, als es anderen vergönnt ist. Er errät nämlich sogleich die heimlichen Gedanken des schlafenden Faust: Helena!

Homunculus schlägt vor, sich zur klassischen Walpurgisnacht auf den Weg zu machen, denn dort finde Faust, was er sucht. Auf Mephistos Mantel gehts zu antiken Gestaden (Peneios), Wagner wird wieder einmal zurückgelassen.

Klassische Walpurgisnacht (215)

Die Fülle mythologischer Gestalten begeistert Faust (220). Er erkundigt sich nach Helena, die Sphinx verweist ihn auf den Centauren Chiron (226). Dieser berichtet von Helena, Faust ist begierig, Genaueres zu erfahren. Chiron führt Faust zu Manto (eine antike Seherin), die mit ihm in das Schattenreich hinabsteigt (228).

Unterdessen sucht Homunculus „im besten Sinn (zu) entstehn" (238), d.h. sich zu materialisieren. Dabei wird er vom Gespräch der Philosophen Thales und Anaxagoras (Vorsokratiker) angezogen, die sich über Weltentstehungstheorien unterhalten: Wasser oder Feuer, langsamer und steter Prozess oder Eruption und Explosion? Homunculus schließt sich Thales und der Wasser-Hypothese an und sie gehen zu Nereus (dem Wassergreis) in die Felsbuchten des ägäischen Meeres. Dieser schickt sie wiederum zu Proteus, dem Meergott und Gott der Verwandlung (249): Der gibt den Rat, im Meere mit der Entstehung zu beginnen und damit die Evolution noch einmal von Anfang an zu durchlaufen. Homunculus leuchtet das ein und er stürzt sich ins Meer, wo sein feuriges Licht mit der 'Lebensfeuchte' sich vereint. Alle singen das Loblied auf die vier Elemente.

Akt III: Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta (257)

Genannt Helena-Akt

Helena , die Gattin des Menelas, frisch aus Troja zurückgebracht und vom Chor begleitet, reflektiert ihre Lage: Gattin, Königin, Opfer? Menelas hatte ihr befohlen, alles für ein Opfer vorzubereiten. Doch wer und was soll geopfert werden? (8581)
Sie betritt den Palast, dieser ist öde und leer, bis auf eine schreckliche Gestalt, Phorkyas, die Haushälterin (= Mephisto). Sie stellt klar, Helena selbst soll geopfert werden. Und während Phorkyas den Opferaltar richtet, fleht sie der Chor um eine Entrinnen an.
Phorkyas/Mephist berichtet daraufhin von einer Burg, die hinter Sparta und in Menelas' Abwesenheit prächtig erbaut wurde von einem wohlgebildeten Herrn aus dem Volk der Barbaren. Dorthin nun entführt Phorkyas Helena und ihr Gefolge.

Innerer Burghof (276)

Inmitten mittelalterlicher Burgszenerie tritt Faust auf als Ritter, gefolgt von Knaben und Knappen. Er bringt als Gastgeschenk den gefesselten Türmer Lynkeus, der von Helenas Schönheit betört, ihre Ankunft nicht meldete. Helena begnadigt ihn sofort. Unter Lynkeus' Aufsicht wird nun der Burghof prachtvoll zum Thronsaale hergerichtet. Faust, in vollendeter Ritterlichkeit, wirbt um Helena, diese ist ihm und seinem nordländischen Charme durchaus zugeneigt (264). Sein Werben wird von Phorkyas unterbrochen, der/die den Anmarsch von Menelas Kriegszug meldet. (264) Sofort versammelt Faust den gesamten nordischen Adel um sich, um Helena zu beschützen, denn dadurch (sagt der Chor) verdiene er erst vollends die Gunst Helenas, dass er sie zu beschützen weiß. (286) Faust nun versetzt Helena in einen

Schattigen Hain (289)

in zeitlose arkadische Gefilde, um dort außerhalb aller geschichtlichen und geographischen Räume den Augenblick - mit Helena - zu genießen.

Der Chor berichtet von der wundersamen Geburt eines Kindes, das schon vollendet das Licht der Welt erblickt, es ist Euphorion, der auch sofort erscheint (293): Vor den Augen der glücklichen Eltern entfaltet sich nun dessen jugendlicher Übermut, alle Warnungen und Grenzen missachtend springt er immer höher felsauf (296), will fliegen und stürzt ab. Helena, in der Einsicht, dass Glück und Schönheit dauerhaft nicht sich vereinen können, verabschiedet sich von Faust und löst sich auf (300).

Euphorion ist der Sohn Helenas, ein Abglanz ihrer Schönheit, und der Sohn Fausts: Die immer strebende, sich emporreckende Seele. Sein Sturz verkörpert die Unmöglichkeit der Vereinigung von Antike und Mittelalter in der Moderne. Der Versuch, klassische Schönheit (Helena) und bedingungsloses Streben (Faust) in Einklang zu bringen, ist zum Scheitern verurteilt.

Akt IV:

Wieder ein Neuanfang. Im Gespräch mit Mephisto, auf einem »Hochgebirg« stehend, verkündet Faust seine neuen Pläne: Er ist noch nicht satt und zufrieden, er will sich noch nicht zur Ruhe setzen, sondern das Meer eindämmen, Land urbar machen, sich ein Reich schaffen (309).

Da trifft es sich, dass der Kaiser, an dessen Hof die beiden schon einmal gewirkt haben (Akt I), sich im Krieg mit einem Gegenkaiser befindet und der Unterstützung bedarf. Faust bietet seine Hilfe an und durch den Einsatz der Riesen Raufebold, Habebald und Eilebeute wird der Gegenkaiser geschlagen (317 ff). Als Dank hat der Kaiser Faust „des Reiches Strand verliehen" (332), zum Ärger des Erzbischofs, der ihm die Zusammenarbeit mit dem „sehr verrufnen Mann" übel nimmt. Der Kaiser rechtfertigt sich: Es ist doch ein Land, das noch gar nicht da ist: „im Meere liegt es breit."

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(cc) Klaus Dautel


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