FAUST

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Prolog im Himmel - Szeneninterpretation

I. Basis-Information

Stichworte für eine Einleitung:

Der Fauststoff

  • ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt
  • bezieht seine Faszination aus der Thematik von Teufelsbund und Grenzüberschreitung
  • beschäftigte die Fantasie sowohl von Künstlern als auch von einfachen Leuten, wie das Volksbuch aus dem Jahre 1587 zeigt
  • kam über das Volksbuch, das englische Drama „Dr Faustus" von Christopher Marlowe und diverse Puppenspiele zu den deutschen Stürmern & Drängern
  • wurde von J.W.Goethe zuerst in einer vorläufigen Fassung aufgegriffen ("Urfaust" 1775), dann als „Faust. Der Tragödie erster Teil"(1808) erstmals veröffentlicht und schließlich mit dem "Faust II" (1832) abgeschlossen.

II. Szenen-Analyse


a) Einordnung:

Mit dem "Prolog im Himmel" beginnt nicht das Drama, aber die Faust-Handlung. Dieser Szene gehen zwei Prologe anderer Art voraus: Die "Zueignung", in welcher der Autor über die Wiederaufnahme an den Arbeiten zum "Faust" spricht, und das "Vorspiel auf dem Theater", in welchem Sinn und Zweck des Schauspiels diskutiert werden:
Soll das Publikum in erster Linie gut unterhalten werden (Lustige Person), oder soll das Stück möglichst lukrativ sein (Theaterdirektor) oder soll es vor allem kunstvoll und bedeutungsschwer sein (Dichter)? Die Diskussion endet mit einem Appell des Theaterdirektors:

"Der Worte sind genug gewechselt,
Laßt mich auch endlich Taten seh'n!" (V. 214)

Das Theater soll dem "deutschen" Publikum alles bieten, was das "enge Bretterhaus" zulässt, und das ist nichts Geringeres, als den "ganzen Kreis der Schöpfung" auszuschreiten:
"vom Himmel durch die Welt zur Hölle." (V. 241f)
Und im Himmel geht es dann auch gleich (oder endlich) los.


b) Handlungsort:

Der Himmel ist eine Sphäre jenseits von Zeit und Raum, ein Ort von ungewisser Wirklichkeit, aber ein Ort, der einem mittelalterlichen Weltbild, einer christlichen Vorstellungsdwelt entstammt als absoluter Gegenpol zur Hölle. Zwischen Himmel und Hölle befindet sich die "Welt": Der Lebens- und Bewährungsraum des Menschen und auch der eigentliche Spielort der Fausthandlung.


b) Kurzcharakteristik der Handlung und Charaktere:

Die Szene beginnt mit dem Lobpreis der Schöpfung durch die Erzengel. Sie setzten darin die ewige zeitlose Ruhe des Göttlichen der Bewegtheit und Dynamik der Elemente entgegen.

In diese Himmelsphäre tritt nun der gefallene Engel, Mephistopheles, ein. Er ist erstaunlicherweise darin kein Fremdkörper, sondern ein Teil derselben, woraus sich auch der vertraute Gesprächston mit dem Herrn, also Gott persönlich, erklärt.

Mephisto bietet dem Herrn eine Wette an, in der es vordergründig um die Seele des Faust geht, im Grunde aber um die Frage: Was ist der Mensch? Der Herr geht ohne Umstände auf diese Wette ein, wobei er es ist, der die Bedingungen klarstellt und die Rolle Mephistos in diesem Spiel definiert.


d) Formbeschreibung:

Die Szene ist durchweg in Versen verfasst, die als Knittelverse bezeichnet werden. Sie zeichnen sich durch recht freie Handhabung der Verslänge aus, Paarreim herrscht vor. Der Ton bekommt durch den lockeren Vers etwas Humorvolles, Eingängiges, das in einem merkwürdigen Kontrast zur Würde des Schauplatzes steht.


e) Der genauere Verlauf der Begegnung entwickelt sich in drei Schritten:

Mephisto betritt diese Welt als Gegenfigur zu den Erzengeln und als Antipode zum Herrn. Ohne Umschweife entwickelt er sein Bild vom Menschen als einem Wesen, das mehr Tier als Gott ist, das in einfachen Genüssen verfangen ist und sich über sich selbst täuscht: "er nennt's Vernunft ..." (V. 285).

Der Herr kann das natürlich so nicht stehen lassen. Er bringt unvermittelt die Person des Doktor Faust ins Spiel, als ein besonderes Exemplar eines Menschen, an dem sich sozusagen die Geister scheiden: Für Mephisto ist dieser ein unzufriedener "Tor", für den Herrn ein Mensch, der unter seiner Lenkung zum Guten - in den Worten des Herrn zur "Klarheit" (V. 309) und zum "Urquell" (V. 324) - finden wird.

Mephisto schlägt daraufhin eine Wette vor. Er ist sich sicher, dass auch dieses besondere Menschen-Exemplar im sinnlichen Genuss (ver-)enden ("Staub soll er fressen ...") und keineswegs zur "Klarheit" finden wird. Der Herr geht sofort auf diesen Wettvorschlag ein, zum einen weil er sich seiner Sache gewiss ist, zum anderen weil er selbst die Bedingungen diktiert und die Rolle des Teufels in diesem Spiel definiert: er dürfe "auch da nur frei erscheinen..." (V. 337 ff): Er, Mephisto, der "Schalk" (V. 339), ist dazu da, die Menschen anzustacheln, sie zur Dynamik und strebendem Bemühen anzutreiben, damit sich das Gesetz des Werdens und Wirkens, das Gesetz der "Liebe" (v. 346 f) durchsetzt.


III. Zusammenfassung und Einordnung:

Damit sind die Rollen verteilt, die Spielpartner sind nicht gleich, der Teufel tappt in eine göttliche Falle. Der Herr treibt ein unfaires Spiel mit seinem "Gesellen" (V 341), der immer nur ein Teil eines höheren Planes sein kann und doch meint, ebenbürtig mitspielen zu können. In diesem Plan ist der Teufel nicht mehr als der Erfüllungsgehilfe einer natürlichen (göttlichen?) Ordnung, in welcher der "gute Mensch", den "rechten Weg" über kurz oder lang einschlagen wird (V. 328 f).

J.W. Goethe lässt in dieser Szene zwei konträre Vorstellungen vom Menschen und vom Sinn des Weltenlaufes aufeinanderprallen und in einen Wettstreit miteinander treten: dynamische Entwicklung zum Positiven hier, ewiger Kreislauf und Sinnleere dort.

Beide Positionen haben etwas Plausibles, doch Goethes eigene Überzeugung deutet sich letzten Endes in den Aussagen des Herrn an: In ihnen klingt ein naturphilosophisches Weltbild durch, vom harmonischen Wachsen und Werden aus Gegensätzen heraus, von der evolutionären Entwicklung statt revolutionären Umbrüchen, vom letzten Endes guten und sinnvollen Ganzen. Daraus ließen sich durchaus berechtigte Vermutungen über den Ausgang des Dramas und ein gutes Ende für Faust anstellen. Bevor es aber so weit ist, müssen wir dem Doktor zuerst durch die kleine und dann durch die große Welt folgen (V. 2052)


TIPP: Für den Aufbau von Interpretationsaufsätzen schlage ich das Fünf-Akte-Schema vor.

(cc) Klaus Dautel


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