FAUST

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J.W. Goethe „FAUST I“: Marthens Garten.

Die Gretchen-Frage (Beispiel für eine Szenen-Analyse in 5 Schritten)

I. Die Exposition: Kurzvorstellung

Kurzcharakteristik des Werkes: Verfasser, Entstehungszeit, Hauptfigur(en), Thematik usw ...
Worauf kommt es hier an?

  • Kenntnisse demonstrieren
  • Komplexe Thematiken auf einen kurzen und präzisen Nenner bringen können.
  • häusliche Vorarbeit ist sinnvoll, z.B. eine Muster-Einleitung verfassen! (→ Muster)

II. Die Hinleitung: Was geht möglichst unmittelbar voraus

Zwei wichtige Szenen gehen voraus:

  • „Wald und Höhle“: Faust, gegen seine Zweifel und seine Vernunft, entschließt sich in Gretchens "Kleine Welt“ zurückzukehren, dazu wird er noch angestachelt von Mephisto, der erfolgreich Fausts Liebeslust und Begierde weckt. Fausts Monolog ist gekennzeichnet durch gehobene Sprache, reimlosen Blankvers und abstrakte Gedankengänge
  • „Gretchens Stube“: Gretchens liedhafter Monolog („Meine Ruh ist hin“, V.3374) zeigt, dass das brave Mädchen durch Fausts Eintritt in sein Leben aus seiner bisherigen, kleinbürgerlich-überschaubaren Ordnung gebracht worden ist.
    Sie ist in einen Konflikt mit ihren bisherigen Norm- und Tugendvorstellungen geraten.
    Daraus könnte sich auch das Bedürfnis erklären, in der darauffolgenden Begegnung mit Faust dessen Verhältnis zu den sittlich-christlichen Normvorstellungen abzuklären.

Gretchens Monolog ist ein Lied am Spinnrad, gekennzeichnet durch sprachliche Einfachheit, häufige Wiederholungen und festes Reimschema.


III. Die Szenen-Analyse: Das Wo, Wer und Wie der Szene

Ort und Situation:

  • Rendezvous im Garten der kupplerischen Nachbarin,
  • Die Szene spielt außerhalb der Reichweite der behütenden Mutter
  • vermutlich die erste Begegnung Gretchens mit einem Verehrer aus einem völlig verschiedenen Lebenskreis

Inhalt:

Gretchen, nun Margarete genannt, fordert von Faust ein Bekenntnis zum christlichen Glauben. Dessen hochgestimmten Erklärungen stehen aber für sie im Widerspruch zu seiner Beziehung zu diesem gefühls-kalten Gefährten Mephistopheles. Dennoch kommt es zur Verabredung einer ersten Liebesnacht.

Gliederung und Analyse:

1. Gretchens Aufforderung zur Selbstoffenbarung beantwortet Faust zunächst ausweichend (V.13-30), wird dann aber doch noch zu einem Glaubensbekenntnis gezwungen ( 31- 58): Für ihn ist Gott ein Symbolwort für ein intensives Lebensgefühl, für Augenblicke der Glückseligkeit z.B. in der Liebe. Das Göttliche offenbart sich des weiteren in der Vereinigung der Sphären im menschlichen Herzen. (→ pantheistisches Gottesbild, Gott = Natur etc)

2. Gretchen hält an einem Christentum fest, welches sich durch Sakramente und Rituale definiert. Das mag zwar nicht so aufgeklärt modern sein, wie das des Stürmer und Dränglers Faust, demgegenüber verfügt sie aber über die richtige moralische Intuition, die ihr sagt, dass Fausts Credo mit seinem Umgang nicht übereinstimmt, dass folglich sein Leben nicht in Ordnung sein könne und sie selbst dadurch in ihrer Liebe zu ihm beeinträchtigt sei.

3. Ihre Liebesbereitschaft zu diesem fragwürdigen Menschen geht dennoch so weit, dass sie einer Verabredung zur Liebesnacht zustimmt, zu welcher Faust den Schlaftrunk für die wachsame Mutter beisteuert - vermutlich von Mephistopheles besorgt. Gretchen ist sich ihrer verhängnisvollen, die Grenzen der bürgerlichen Sittsamkeit überschreitenden Abhängigkeit sehr wohl bewusst (→ Zitat).

Sprache:

Der Knittelvers mit Kreuz- und Paarreimen wird in Fausts Credo abgelöst durch ein freieres Versmaß mit unregelmäßigen Zeilenlängen und Reimen.
Fausts Gemütslage ist an dieser Stelle so hochgestimmt, dass seine Sprache die gereimte Form sprengt (unterschiedliche Zeilenlänge, unvollständige Satz-Syntax, gehäufte Satzzeichen).
Gretchens Sprechweise ist demgegenüber direkt, bestimmt und fordernd


IV. Was folgt daraus? Warum ist diese Szene handlungsrelevant?

Mit dieser Verabredung ist eine verhängnisvolle Dynamik in Gang gesetzt, die das weitere Schicksal Gretchens, ihr „tragisches” Ende besiegelt.

Sie wird schwanger, dies wird zwangsläufig ihre soziale ächtung zur Folge haben („Am Brunnen“),
die Mutter stirbt an dem Schlaftrunk und der Bruder, der letzte Beschützer wird von Faust ermordet.
Faust selbst flieht und überlässt Gretchen ihrem Unglück.

Das von ihr geborene Kind bringt sie um, wofür sie zum Tode verurteilt wird.

Fausts halbherziger Versuch, sie aus dem Kerker zu befreien, scheitert an Gretchens Entschlossenheit, lieber ihre Schuld und Verantwortung auf sich zu nehmen, als ihr weiteres Schicksal in die Hände des Zweigespanns Faust-Mephisto zu legen.

Im Gegensatz zu Faust handelt sie damit innerlich frei.


V. Die Einordnung: Der literaturgeschichtliche, zeitgeistige, biografische Kontext

Goethe begann sein Drama Faust als junger Mann, beeinflusst von den Gedanken und Zielen des „Sturm und Drang“. Davon ist die Gretchentragödie, deren Zentrum die Szene „Marthens Garten“ bildet, in mehrfacher Hinsicht geprägt:

  • Stoffwahl: Hinrichtung der Kindermörderin S.M.Brandt in Frankfurt (1772)
  • Wirkungsabsicht: Durch die dichterisch-eindringliche Gestaltung der Gretchen-Figur auf das Unrecht in der herrschenden Rechtsprechung hinweisen (→ Theater als Mittel zur sozialen Anklage)
  • die Faszination der Person des Faust auf die jungen Dichter des Sturm und Drang: Der Mann, der ewig unzufrieden ist, Grenzen sprengen will, sich mit der bürgerlichen Moral anlegt, sein eigene Religion ausbildet ...

Fazit: Der „Faust“ als Gesamtwerk kann zwar als klassisches Werk im Sinne von ... gewürdigt werden, in der Gretchentragödie aber ist das Drama durch und durch „Sturm & Drang" usw.



(cc) Klaus Dautel


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