Also lautet ein Beschluss: Dass der Mensch das lernen muss ...

Die neue Rechtschreibung - Neuregelung 2006 - Teil 2  

Regelung 2005:

  0. Beschlusslage
  1. Das EsZett
  2. Häufungen
  3. Tageszeit
  4. Höflichkeit
  5. Bindestriche
  6. Groß und klein
  7. Fremdwörter
  8. Getrennt und
      zusammen

  9. Kommata
10. Trennungen

Neuregelung
ab August 2006:

11. Kompromisse 1
12. Kompromisse 2

2. Groß- und Kleinschreibung, Komma-Setzung und Silbentrennung

Von der Getrennt- und Zusammenschreibung, vom Müssen und vom Können, von idiomatischen Gesamtbedeutungen und verblassten Substantiven war in Teil 1 zur Genüge die Rede, jetzt stehen noch einige kleinere Änderungen an. Wiederum ist der Unterschied zwischen dem Können und dem Müssen zu beachten. Grundsätzlich gilt: Der Schreiber kann jetzt viel mehr als vorher, können im Sinne von dürfen.

1. Da ist zum Beispiel die "Höflichkeitsgroßschreibung". Die Anredepronomen du, dein, dir usw. können in Briefen wieder großgeschrieben werden. Die Großschreibung der Pluralformen Sie, Ihr und Euer war dagegen schon vorher Pflicht. Der Zusatz "in Briefen” erleichtert dabei die Entscheidung, so braucht man sich über das "Du" in anderen Kontexten, z.B. schriftliche Arbeitsanweisungen, keine Gedanken machen und getrost kleinschreiben. Ob allerdings eine E-Mail den Status eines Briefes besitzt, ist eine interessante Überlegung, zu der sich der Rechtschreibrat noch nicht geäußert hat. Aber im Bereich der digitalen Kommunikation gelten sowieso andere Regeln, wenn überhaupt welche.

2. Großschreibung in "festen Verbindungen": Auch hier gibt es mehr Spielraum und gilt das Prinzip der idiomatisierten Bedeutung. Das Schwarze Brett muss nicht schwarz sein, solange es die Funktion einer Erinnerungswand erfüllt. Ein schwarzes Brett hingegen muss wirklich schwarz sein. In diesen Fällen, wie auch der grüne Tisch, der blaue Brief, die gelbe Karte oder die graue Theorie kann das Adjektiv auch großgeschrieben werden: Der Blaue Brief, der Grüne Tisch usw.
Großschreiben muss man auf jeden Fall bei Ehrenbezeichnungen (der Heilige Vater), bei bedeutungsvollen Kalendertagen (der Erste Mai) und bei botanischen, geografischen oder zoologischen Klassifikationen wie: das Fleißige Lieschen, der Finnische Meerbusen oder die Schwarze Witwe.

3. In die Kategorie Kleinschreiben-Müssen fallen folgende verblasste Substantive in Verbindung mit den Verben sein, bleiben und werden: angst, bange, recht, feind, freund, spitze, klasse. Wenn Sie sich also diese drei Verben einprägen, dann braucht Ihnen nicht angst und bange zu werden, Sie werden vielmehr in der Rechtschreibung spitze und klasse sein.

4. Was die Zeichensetzung betrifft, so könnte man fast von einer Kehrtwende sprechen, denn es ist nun wieder ratsam, im Zweifelsfall ein Komma mehr zu setzen.
So sind Infinitivgruppen, die mit den 'Signalwörtern' um, anstatt, ohne, außer, als eingeleitet werden, wieder durch ein Pflicht-Komma abzutrennen. Beispiel: Er kam nach Tübingen, um den Sommer zu genießen. Aber anstatt ins Freibad zu gehen, verschlief er den Tag.
Pflicht-Kommas sind auch zu setzen, wenn die Infinitivgruppe von einem Substantiv abhängt: Bei dem Versuch, das Freibad zu finden, verlief er sich.
Fakultativ ist das Komma bei einem einfachen Infinitiv: Sie kamen(,) um zu helfen.

Es kann auch wieder ein Komma zwischen zwei Hauptsätze gesetzt werden, die mit einem und, oder, beziehungsweise usw. verknüpft sind: Er kam zu spät(,) und das Freibad war schon geschlossen.
Der Grundgedanke, der hinter diesen Neuregelungen steht, ist die Lese-Erleichterung, weniger die Schreib-Erleichterung. Das kann man begrüßen oder bedauern. Für die Schule bedeutet dies sicherlich wieder Mehrarbeit, denn die Komma-Setzung gerade bei den Infinitivkonstruktionen war vor der Reform ein Dauerproblem und kehrt nun gewissermaßen zurück. Da ist es hilfreich, mit dem Konzept der Signalwörter" (siehe oben) zu operieren.

5. Zum Schluss noch ein Satz zur Trennung am Zeilenende: Die Abtrennung von Einzelbuchstaben wie bei A-bend oder O-ma ist nicht mehr richtig. Eine solche Trennung macht auch keinen praktischen Sinn, obwohl der Computer das oft anders sieht.


Falsch oder richtig?

Nach all dem mag sich die Frage stellen:

Woher bekomme ich im Zweifelsfall Hilfe?

Die beiden maßgeblichen Verlage, der Duden-Verlag und das Bertelsmann Lexikon Institut haben bereits angepasste Standardwerke im Angebot. Das ist keine große Überraschung, hatten doch beide Institutionen Vertreter in jenem Rat für deutsche Rechtschreibung", der im Februar 2006 die Neuregelungs-Empfehlungen vorgestellt hatte, welche dann von der Konferenz der Kultusminister (KMK) angenommen wurden. Allerdings ist es den Verlagen anheimgestellt, wie sie diese Empfehlungen im Einzelfall umsetzen. Dies kann gelegentlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Eine andere Quelle ist die Internet-Seite des Rats für deutsche Rechtschreibung: www.rechtschreibrat.com. Dort ist das überarbeitete aktuelle Regelwerk in zwei Teilen einsehbar: Zum einen die "Regeln" und zum anderen ein darauf aufbauendes "Wörterverzeichnis”. Besonders das Letztere hilft in den meisten Zweifelsfällen schon völlig.

Klaus Dautel 08/2006

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Diese zweiteilige Serie zur endgültigen Regelung der Rechtschreibung wurde im August 2006 im "Schwäblischen Tagblatt" Tübingen veröffentlicht.