Friedrich Schillers „Räuber" und Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas"
im Themenfeld von „Recht und Gerechtigkeit"
Zusätze:
Klaus Dautel
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EXPOSITION Akt I: Die Kränkungen durch die 'Natur'
FRANZ (I,1)
leidet unter einer doppelten Benachteiligung durch die ‚Natur':Er definiert daraufhin den Willen der Natur um, indem er sich auf das moder-nere, aufgeklärte Verständnis von Naturrecht beruft („ein Gewissen nach der neuesten Facon", S.17): Alle Menschen sind gleich, der Stärkere (d.i. der Erfindungsreichere) hat Recht.
Daraus leitet er den Impuls zur Rache und zum Selbsthelfertum ab.
Seine Lage ist nach bestehendem Recht hoffnungslos.
KARL (I,2)
sieht sich vom Vater ungerecht behandelt durchDiese Demütigungen werden empfunden als unzulässige Beschränkung seiner natürlichen Rechte.
Es folgt die unmittelbare Projektion seiner Enttäuschung auf das gesamte „Menschengeschlecht", daraus wird die Rechtfertigung zur Rache hergeleitet
Aber: Karls Lage ist durch eigenes Handeln hoffnungslos, er hat sich durch sein studentisches Lotterleben angreifbar gemacht und unternimmt auch keine Versu-che, nach Erhalt des Briefes das Missverständnis / die Intrige aufklären zu wol-len.
Akte II/III/IV: Racheakte und Desillusionierung
FRANZ' Rachbedürfnis ist nachvollziehbar, aber:
Franz Charakter ist negativ („flach"), ohne Entwicklung und positive Grundhal-tung,.
KARLS Charakter ist dagegen vielschichtig, („rund"): Sein Rachebedürfnis ist von Anfang an unzureichend motiviert, fragwürdig, und der Zerrissenheit seines Charakters geschuldet. Aber:
Diese Desillusionierung beginnt schon in II,3 (S.66) mit Schufterles Prahlerei, es folgen Szenen der Selbstentdeckung in der Begegnung mit den Figuren der Väterwelt: Amalia (IV,2), Daniel (IV,3), Vater Moor (IV,5)
Akt V: Entscheidungen
FRANZ: Ein Erkenntnisprozess findet nicht statt, er bleibt Sklave seiner Rache, seine Handlungsfreiheit reicht nicht einmal aus, um sich eigenhändig das Leben zu nehmen (V,1 S.129), er erhängt sich schließlich unspektakulär und hastig mit seiner Hutschnur. Seine anfängliche Berufung auf natürliche Gleichheit und Freiheit schafft keine Vorstellung einer wie auch immer gearteten Ordnung.
KARL erlangt demgegenüber Handlungsautonomie. Jetzt handelt er ‚frei', nachdem er zuvor den Selbstmord noch als letzten Akt der „Freiheit" (IV,5 S. 112) bezeichnet, aber dann doch unterlassen hat („Stolz").
In seiner Selbstübergabe ist ein idealistischer Versöhnungswille enthalten, das „beleidigte Gesetz" und die „misshandelte Ordnung" (V,2) so zu ihrem Recht kommen zu lassen.
Die bestehende Rechtsordnung wird durch Karls Handeln allerdings nicht verändert oder in Frage gestellt. Das „Gesetz", um dessen Willen Karl sich der Justiz ausliefert, ist vielmehr identisch mit der Vision einer „Harmonie der Welt", die nicht nur in der „seelenlosen Natur" waltet, sondern auch in der „vernünftigen" Natur der Menschen gelten soll. (IV,5). Ob dies mehr sei als die verlorene Väterwelt – darüber streiten die Gelehrten.
Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.