Friedrich Schillers „Räuber" und Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas"
im Themenfeld von „Recht und Gerechtigkeit"
Zusätze:
Klaus Dautel
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(S. 100 ff): Einige prägende Erfahrungen, unter denen “Die Räuber” entstanden sind:
2. Das Schicksal des Publizisten Daniel Schubart, den Schiller noch in Ludwigsburg kennengelernt hat, und an dem der Herzog ein grausames Exempel statuieren ließ, indem er ihn 1777 für neun Jahre ohne Prozess auf den Hohen Asperg bringen ließ. Schubart wurde als warnendes Beispiel für die Ausartungen eines Schöngeistes hingestellt.
3.Weitere Anregungen kamen aus dem damals verbreiteten Gauner- und Vagantentum, das den jungen Mann wohl fasziniert hat.
4. 1775 wurde Schiller auf eine von Schubart mitgeteilte Anekdote im "Schwäbischen Magazin“ aufmerksam, in der die Geschichte von zwei ungleichen Brüdern erzählt wird, die dann in Schillers Räuber den Kern der Handlung ausmachen. So schrieb Schiller seine Räuber 1781 als Geburt aus dem Beischlaf der Subordination und des Genius (104)
Safranski erläutert Schillers dramatisches Debut unter vier Aspekten: dem medizinischen, philosophischen, literarischen und wirkungsästhetischen.
2. Philosophisch ist es die Vision der All-Liebe, der großen Kette der Wesen, die wie in einer Experimentalanordnung auf den Prüfstand kommt (111). Franz ist von der Natur vernachlässigt worden und kam damit in der Lotterie des Lebens zu kurz. Er hat also der Natur gegenüber keine Verpflichtungen, sie gab ihm nichts, "wozu ich mich machen will, das ist nun meine Sache.“ (I.500f) Wenn man das Opfer eines bösen Geschickes ist, warum sollte man dann nicht den anderen zum bösen Schicksal werden? (vgl Richard III, I.1, der gleich in der ersten Szene beschließt, ein Bösewicht zu werden.) Aber der Bösewicht hält nicht stand, sondern wird am Ende von der Höllenangst in den Selbstmord getrieben, "diese Verkleinerung des Bösen glaubt Schiller der guten Weltordnung, die am Ende doch irgendwie triumphieren soll, schuldig zu sein.“ (113) Für Karl stürzt die Ordnung des Seins zusammen, weil er sich von seinem Vater und damit aus der väterlichen Ordnung ausgestoßen sieht. Er wünscht sich in den Mutterleib zurück, flüchtet dann aber in den Schoß der Räuberbande, die gerade jetzt einen Hauptmann sucht. So wird er zum edlen Räuber, raubt und mordet zum Wohle der Armen. doch es trifft Unschuldige wie Schuldige! Aber er stellt sein Treiben einer Naturgewalt gleich, einem Unwetter. Dennoch entdeckt er im Weltlauf – wie Franz – nur das Wirken einer grausamen Gleichgültigkeit. Zwei Menschen wie er können den ganzen Bau der sittlichen Welt zugrunde richten.“ Er und sein Bruder sind zwei solche Menschen. Doch Karl entdeckt das Mysterium der Freiheit (115), das dem Zusammenbruch der Welt trotzen kann. Und zur Entdeckung der Freiheit gehört die Übernahme von Verantwortung für das Angerichtete. Die zerbrochene Weltordnung wird dadurch nicht wiederhergestellt, alle sterben in der letzten Szene, es gibt keine Versöhnung, aber das Pathos der Freiheit triumphiert am Ende.
3. Was die literarische Qualität betrifft, so ist das Stück nicht aus einem Guss (116), die Verhaltensweisen des Bösen sind nicht genügend motiviert, es ist zuviel Philosophie im Spiel, es ist lebensfremd – Schiller ist schon sehr früh sein schärfster Kritiker.
4. Schiller hat den öffentlichen Raum, die Wirkungsstätte seiner Stücke immer im Blick. Er denkt wirkungsästhetisch, "Wirkung war ihm alles, dem musste sich Ausdrucksgehalt, Machart und Ideengehalt unterordnen“ (118) "Das Drama ist für Schiller eine Affekterregungskunst, es kommt alles auf das virtuose Arrangement der Effekte an, das Theater – eine Maschine zur Herstellung großer Gefühle.“ (119)
Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.