Anmerkungsverzeichnis


1) Professor Fruchts Spitzname in der Familie
2) Ein bedeutender Chemiker dieses Jahrhunderts, der ohne Rücksicht auf das Gewissen, sein ganzes Können derjenigen gesellschaftlichen Macht unterordnete, die ihm die größtmöglichen Vorteile versprach. Zu seiner Zeit waren dies meist Militärs, so daß Haber im Zweiten Weltkrieg sogar freiwillig für die Nazis Kampfstoffforschungen betrieb, obwohl er selbst Jude war. Professor Frucht prangerte oft an, was für ihn inakzeptabel war, nämlich daß es sich bei Professor Haber um eine Person gehandelt hatte, die den persönlichen Erfolg der wissenschaftlichen Moral vorzog.
3) Ich habe bei der Auswahl der Ereignisse darauf geachtet, die Daten zu nennen, die politische, ideologische und humanistische Einstellungen von Professor Frucht deutlich machen. Sie sollen es erleichtern, sich in die Person hineinzudenken.
4) Die Zeit, in der ich den Protest Professor Fruchts beschreiben will, war von Hektik und einigen Besonderheiten geprägt, die Berlin und die Beziehungen zwischen Ost- und Westdeutschland damals auszeichneten. Diese Besonderheiten waren jedoch vordergründig nicht, wie oft angenommen wird, ein Phänomen, das in Deutschland selbst ausgelöst worden war, sondern bauten auf einer Verkettung von Ereignissen der Weltpolitik auf, die die Entwicklung in die Richtung laufen ließen, wie man es letztendlich in Berlin zu spüren bekam. Da Professor Frucht diese Geschehnisse stets mit wachsamem Auge verfolgte und sie auf seine Entscheidung, Kontakte zu einem westlichen Geheimdienst aufzunehmen, großen Einfluß hatten, habe ich die komplexen politischen Hintergründe Berlins von 1945 (Kriegsende) bis 1967 (Verhaftung Professor Fruchts wegen Militärspionage) hier einmal aufgezeigt
5) Es gab noch eine Reihe anderer Konflikte wie der Ungarn-Aufstand oder die Suez-Krise 1956, die die Spannungen zwischen den Sowjets und den USA im Kalten Krieg aufheizten, aber ich auf will sie nicht mehr länger eingehen. Ich habe an dieser Stelle gerade die Kuba-Krise erwähnt, weil sie eine der Schlüsselpositionen in Professor Fruchts Angst um einen Atomkrieg einnahm, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde.
6) Ich habe versucht, in meinen zahlreichen Briefen an Politiker und Experten Schilderungen über die geheimdienstliche Situation in Berlin zu bekommen, doch waren die Antworten so unbefriedigend (bzw. nicht vorhanden), daß ich mich gezwungen fühle eine Stelle aus einem Buch an die Stelle von ihren Informationen zu setzen.
7) Man wird sich jetzt sicherlich fragen, warum Professor Frucht überhaupt das Risiko auf sich nahm, an geheimen Treffen teilzunehmen, wenn ja doch eigentlich nicht viel Wichtiges bei ihnen ausgetauscht wurde. Bei vielen anderen Personen war das Geld das größte Motiv, doch das scheidet im Fall von Adolf-Henning Frucht aus, da er die ganze Zeit nicht viel für seine Informationen bekam. Professor Frucht hatte andere Gründe, seine Tätigkeit aufrecht zu erhalten; - sie war ein “Bund zu gegenseitigem Nutzten” (Q101): Die Amerikaner bekamen von Prof. Frucht Informationen und diesem war es im Gegenzug möglich, wissenschaftliche und politische Informationen aus der westlichen Welt zu erhalten. Um die Motive für seine allerersten Schritte als Informant zu verstehen (später gab es ganz andere), muß man ein bißchen seinen Charakter kennenlernen:
A.H. Frucht war immer in einer gewissen Weise ein Abenteurer gewesen, ein Mensch “erfüllt von einer unstillbaren Neugier”, wie es in seiner Todesanzeige sehr treffend heißt. Neugier bedeutet hier: Neugier und Wissensdurst eines Wissenschaftlers aus Leidenschaft, so etwas wie Forschungsdrang. Abschirmung von der Außenwelt muß für einen solchen Menschen etwas ganz Schreckliches gewesen sein! Mir wurde immer wieder berichtet, wie wichtig es für Professor Frucht gewesen ist, daß er ständig über das wissenschaftliche und politische Geschehen in der Welt informiert und bestens unterrichtet war. Er wußte sehr wohl, daß er in der DDR nur “gefilterte Informationen” bekommen konnte, und ein Kontakt mit einem westlichen Geheimdienst ermöglichte einen “Blick durch das Schlüsselloch”. Für ihn war ein Platz möglichst nah an der Informationenquelle, sowie die Möglichkeit, sich nach außen hin zu öffnen, schon etwas beinahe Notwendiges. (Außerdem fühlte er sich in einer Zeit, in der James Bond einer der wenigen großen Helden war, wohl auch noch etwas vom “Spionagefieber” angesteckt.) (Q102) Allein schon die Aufrechterhaltung des Kontaktes zum Geheimdienst kann als ein allererster leiser Protest gesehen werden, der nicht gegen das Regime direkt gerichtet war, sondern ein Schritt, sich Freiheit zu schaffen, wo der Staat sonst keine gewährte. Professor Frucht begann schon in diesem frühen Stadium, seinen eigenen ideologischen Gegenpol zur alles vereinheitlichenden SED zu schaffen [meine Vermutung].
Auch wenn die Treffs nicht sehr häufig stattfanden, so haben sie für Professor Frucht, wie ich ihn nach dem, was ich gehört habe, einschätze, einen hohen Stellenwert gehabt, denn er versuchte schon damals, seinen Einstellungen treu zu bleiben, verteidigte seine Ansichten und führte nur die Aufgaben aus, in denen er einen Sinn für das Allgemeinwohl sah. Sein Sohn Ulrich schrieb mir dazu in einem Brief vom 11.01.99: “Die lebenslange strikte Geradlinigkeit meines Vaters in allen “öffentlichen Sachen” stand dem uns umgebenden, allgegenwärtigen Opportunismus und der sanktionierten Selbstsüchtigkeit diametral entgegen”. (Q103) Ebenfalls wollte er die wissenschaftliche und kulturelle Absschottung des Ostens nicht gerne hinnehmen und nutzte seinen Kontakt zum CIC um Dinge aus der westlichen Welt zu erfahren, die der Weiterentwicklung der stark rückständigen Wirtschaft und Wissenschaft der DDR dienten. Es mag sich nun vielleicht die Frage aufdrängen, warum er nach 1945 nicht einfach über die offene Grenze in den Westen gegangen ist, wie es viele seiner Kollegen zu der Zeit längst getan hatten? Sein stets vorhandenes Bewußtsein, anderen Menschen helfen zu müssen, führte dazu, daß er sich verpflichtet fühlte, die Menschen im Osten und auch “sein” Institut nicht im Stich lassen zu dürfen. Professor Frucht stellte sich ganz einfach die Frage, wer noch für die Gesundheit im Lande sorgen solle, wenn alle guten Ärzte und Wissenschaftler irgendwann das Land verlassen hätten. Zudem waren die Chancen, zu wissenschaftlicher Anerkennung zu gelangen für einen Wissenschaftler seiner Klasse in der DDR deutlich besser, da es in diesem unfreien Staat zu dieser Zeit nur noch wenig Konkurrenz gab. Er hatte außerdem bei seiner Suche nach einer Stelle im Westen keinen Erfolg gehabt und so beschloß er, im Osten zu bleiben und setzte all seine Kraft dafür ein, ein neues Gesundheitssystem in der DDR aufzubauen. Trotz seines eindeutigen Votums, im sowjetischen Sektor Berlins leben und arbeiten zu wollen, war es Professor Frucht ein Anliegen, nie die Verbindung zum Westen abreißen zu lassen. Dies kann man schon an der Tatsache erkennen, daß er es trotz ausdrücklichen Verbots immer wieder schaffte, sich wissenschaftliche Publikationen aus Amerika, sowie das Magazin “Der Spiegel” oder “New Yorker” schicken zu lassen.
8) Nach Angaben von Malte Heygster im Gespräch am 12.10.1998 war die CIA gegenüber Studenten grundsätzlich mißtrauisch.
9) Bezug: “Der Kälteste Krieg”, Anhang zum “Alaska-Plan”, bei dem sich unter den Experten die verschiedensten Meinungen finden lassen. Eine Mehrheit läßt sich dort jedoch für diejenigen finden, die den Plan für real durchführbar hielten.
10) Es ist schon bezeichnend für unsere heutige Einstellung zum Staatensystem der ehemaligen DDR, daß es überhaupt erforderlich ist, auf die Unterschiede der Protestmöglichkeiten in Ost- und Westdeutschland näher eingehen zu müssen. Wenn ich aber in meinem Umfeld erzähle, daß Professor Frucht damals durch seine Spionage protestiert hat, gibt es immer wieder Zweifler, die dies nicht als eine Form des Protests akzeptieren wollen. Weil sich aber zu diesem Thema zwei unterschiedliche Sichtweisen finden lassen, werde ich diese hier auch nennen. Dazu zuerst meine allgemeine Meinung und die Schilderung meines Standpunktes, der auch erklärt, warum ich mich überhaupt mit Professor Fruchts Tun zum Thema Protest beschäftigt habe.
11) Dies ist wichtig, um zu verstehen, warum Professor Fruchts Tat Protest war.
12) Na, Protest nun mal mindestens, möchte mancher jetzt sagen, aber ich habe eingangs schon erwähnt, daß ich auf meine Anfrage sehr viele unterschiedliche Antworten bekommen habe, die ich nicht unter den Tisch fallen lassen möchte, um die Multiperspektivität nicht zu vernachlässigen.
13) Es gibt tatsächlich Leute, die behaupten, der Wissenschaftler habe nur aus Gewinnsucht gehandelt, weil sie sich nicht vorstellen konnten, daß es Personen gab und gibt, die bereit sind, Repressalien auf sich zu nehmen, um sich für die “res publica” einzusetzen, ohne daß sie daraus irgendeinen persönlichen Profit ziehen! Doch diesen Personen kann ich nur sagen, daß es Menschen wie Professor Frucht gab und hoffentlich auch noch gibt! Der Forscher wußte damals sehr genau, daß bei all seinem Tun immer das Todesurteil drohend über ihm schwebte. Um sein Leben für Geld oder für “James-Bond-Spiele” aufs Spiel zu setzen, war Professor Frucht nun wirklich zu intelligent!
14) Gemeint ist General Gestewitz, unter dessen Leitung Dr. Rausch früher selbst einige gearbeitet hatte. Er bezeichnete ihn als einen “Mann mit reger Phantasie”. Auch ein weiterer früherer Mitarbeiter des Generals, Professor Lohs, schilderte ihn in einem Interview mit G. Roberts (1992) als einen Mann mit sehr guten Kontakten zum damaligen Verteidigungsminister der DDR, Hofmann und zu W. Ulbricht, dessen Leibarzt er war. Dieser Mann hatte militärisch in einer sehr hohen Position inne und “he could speak his mind without causing problems for himself” (Interview von Prof. Lohs durch Gwynne Roberts 1992 - Originalzitat in Engl.)
15) Die Frage, wer sich den “Alaska-Plan” und den Kampfstoff ausgedacht hatte, kann ich nicht beantworten, aber er stammt laut Angaben Professor Fruchts von General Gestewitz.
16)Bivalenz der Forschung = Das Problem, daß wissenschaftliche Forschungsergebnisse ziviler Art sehr oft für militärische Zwecke weiterverwendet werden. Als Beispiel kann man die Entwicklung von Anlagen zur Düngemittelherstellung nennen. Diese Anlagen können mit sehr geringem Aufwand zur Erzeugung chemischer Kampfstoffe umgebaut werden.
17) Die "goldene Gans" bezieht sich auf die Angaben von Helmut Wonschick. Ich habe Herrn Dr. Vogel die Frage gestellt, ob er seine Aussage für zutreffend hält.
18) Das Zitat fällt sehr lang aus, weil Herr Lohse seine Meinung sehr gut begründet und ich sie nicht aus ihrem Zusammenhang reißen will.
19) Aussagen stichpunktartig, von mir in Sätze gefaßt.
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