Goethe, Schiller und Zeitgenossen
K. Dautels Ideen, Materialien, Vorschläge für den Deutschunterricht
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NOVELLE - novella (ital.) - Neuigkeit „Denn was ist eine Novelle anders als eine sich ereignete unerhörte Begebenheit.” |
„Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten” „Novelle” Mehr zur „Novelle”
"Durch ein außerordentliches Weltereignis wurde jedoch die Gemütsruhe des Knaben zum ersten Mal im tiefsten erschüttert. Am 1. November 1755 ereignete sich das Erdbeben von Lissabon und verbreitete über die in Frieden und Ruhe schon eingewohnte Welt einen ungeheuren Schrecken. Eine große prächtige Residenz, zugleich Handels- und Hafenstadt, wird ungewarnt von dem furchtbarsten Unglück betroffen. Die Erde bebt und schwankt, das Meer braust auf, die Schiffe schlagen zusammen, die Häuser stürzen ein, Kirchen und Türme darüber her, der königliche Palast zum Teil wird vom Meere verschlungen, die geborstene Erde scheint Flammen zu speien, denn überall meldet sich Rauch und Brand in den Ruinen. Sechzigtausend Menschen, einen Augenblick zuvor noch ruhig und behaglich, gehen mit einander zu Grunde, und der Glücklichste darunter ist der zu nennen, dem keine Empfindung, keine Besinnung über das Unglück mehr gestattet ist. Die Flammen wüten fort, und mit ihnen wütet eine Schar sonst verborgner, oder durch dieses Ereignis in Freiheit gesetzter Verbrecher. Die unglücklichen Übriggebliebenen sind dem Raube, dem Morde, allen Mißhandlungen bloßgestellt; und so behauptet von allen Zeiten die Natur ihre schrankenlose Willkür."
(J.W.v.Goethe: Dichtung und Wahrheit - aus meinem Leben, Erstes Buch. Zit. nach Projekt Gutenberg)
"Es ist wahr, ich konnte kein Freund der Französischen Revolution sein, denn ihre Greuel standen mir zu nahe und empörten mich täglich und stündlich, während ihre wohltätigen Folgen damals noch nicht zu ersehen waren. (...) Ebensowenig war ich ein Freund herrischer Willkür. Auch war ich vollkommen überzeugt, daß irgendeine große Revolution nie Schuld des Volkes ist, sondern der Regierung. Revolutionen sind ganz unmöglich, sobald die Regierungen fortwährend gerecht und fortwährend wach sind, so dass sie ihnen durch zeitgemäße Verbesserungen entgegenkommen und sich nicht so lange sträuben, bis das Notwendige von unten her erzwungen wird."
(Goethe am 4.1.1824 zu Eckermann, zit. nach Projekt Gutenberg)
"Jede Revolution geht auf Naturzustand hinaus, Gesetz- und Schamlosigkeit. (Pikarden, Wiedertäufer, Sansculotten.)"(J.W.Goethe: Maximen und Reflexionen, Hrsg. von M. Holzinger 2013, S.111)
"Es ist offenbar, daß das, was wir Elemente nennen, seinen eigenen wilden wüsten Gang zu nehmen ... den Trieb hat. Insofern sich nun der Mensch den Besitz der Erde ergriffen hat und ihn zu erhalten verpflichtet ist, muß er sich zum Widerstand bereiten nd wachsam erhalten. (...) Die Elemente sind daher als kolossale Gegner zu betrachten, mit denen wir ewig zu kämpfen haben, und sie nur durch die höchste Kraft des Geistes, durch Mut und List, im einzelnen Fall bewältigen. Die Elemente sind die Willkür selbst zu nennen; die Erde möchte sich des Wassers immerfort bemächtigen (...) Ebenso möchte das Wasser die Erde ... wieder in seinen Abgrund reißen. Die Luft, die uns freundlich umhüllen und beleben sollte, rast auf einmal als Sturm daher, uns niederzuschmettern und zu ersticken. Das Feuer ergreift unaufhaltsam, was von Brennbarem, Schmelzbarem zu erreichen ist. Diese Betrachtungen schlagen uns nieder, indem wir solche so oft bei großem, unersetzlichem Unheil anzustellen haben. Herz und Geist erhebend ist dagegen, wenn man zu schauen kommt, was der Mensch seinerseits getan hat, sich zu waffnen, zu wehren, ja seinen Feind als Sklaven zu benutzen. Das Höchste jedoch, was in solchen Fällen dem Gedanken gelingt, ist: gewahr zu werden, was die Natur in sich als Gesetz und Regel trägt, jenem ungezügelten, gesetzlosen Wesen zu imponieren."
("Versuch einer Witterungslehre" 1825 zitiert aus https://anthrowiki.at)
Zur Info: Diese Vorschläge gehen auf meine Beschäftigung mit der Goethe-Novelle als Abitur-Pflichtlektüre in Ba-Wü zurück.
Recherchen: Referate zu folgenden Themen:
Textarbeit: Sammeln und Auswerten:
Erscheinungsformen von NATUR und NATÜRLICHKEIT in Goethes "Novelle"Fazit: Naturhaftigkeit ist nicht nur Naturphänomenen im engeren Sinne eigen, sondern auch Menschen und ihrer Haltung gegenüber der Mit-Kreatur (= Frömmigkeit).
Hier sind also zwei unterschiedliche Haltungen zu erkennen und werden an einer Stelle ganz deutlich, nämlich auf Seite 27/28: Besiegen oder Besänftigen!
Dementsprechend lassen sich die Haltungen den Personen zuordnen:
Nach ihren Umgangsformen mit der Natur, auch mit dem Elementaren und dem Bedrohlichen darin:
![]() | Frau, Mann, Kind |
Bändigen, Überwältigen, Besiegen durch Gewalt: Jagd, "militärische Erfahrung"(22) und Ordnung (Feuerwehr, Staatswesen) und Entsagung (Selbstüberwindung) |
Bezähmen und Besänftigen durch Frömmigkeit (Ehrfurcht vor der Natur, Einverständnis mit dem Bestehenden) und Liebe (Reinheit des kindlichen Wesens) |
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Textstellen, die sich für eine exemplarische Interpretation eignen: