Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas

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Michael Kohlhaas - Quellen

Kleists unmittelbare Quelle war die "Diplomatische und curieuse Nachlese der Historie von Ober-Sachsen und angrenzenden Ländern" von Schöttgen und Kreysig (1731); dort war aus dem Mikrochronologicum" des Schulrektors Peter Hafftiz (aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) die umfangreiche Nachricht von "Hanß Kohlhasen" abgedruckt. Außerdem hat Kleist wahrscheinlich Nicolaus Leutingers "Commentarii de Marchia et rebus Brandenburgicis" (um 1600) benutzt, auf die bei Schöttgen und Kreysig hingewiesen ist.

Der historische Hans Kohlhase war "ein nicht unbegüterter Kaufmann zu Cölln an der Spree" (C. A. H. Burkhardt). Ihm wurden am 1. Oktober 1532 auf der Straße von Wittenberg nach Leipzig auf Befehl des Junkers Günther von Zaschwitz zwei Pferde gestohlen. Ein langwieriger Rechtsstreit, der daraufhin entbrannte, führte für Kohlhase zu keinem Erfolg. Im Februar 1534 1ieß er einen Fehdebrief erscheinen, in dem es u. a. heißt:

"Weil ich nun nichts mehr als meinen Leib und mein Leben vorzusetzen habe, so will sich gebühren, dass ich meine Ehre und meinen Glimpf, wie das einem Ehrliebenden zusteht, zur Notdurft verteidige; ich will aller Welt List und Behendigkeit gebrauchen, will sein Gottes und aller Welt Freund, allein Günther von Zaschwitz und dem ganzen Land zu Sachsen abgesagter Feind, wo ich sie bekomme, an Händen und Füßen lähmen, auch rauben und brennen, sie hinwegführen und schatzen, bis mir Günther von Zaschwitz Abtrag tut, und meinen Schaden, so ich allenthalben darüber genommen, zur Billigkeit erstattet."
Der Streitfall nahm nun einen ausgesprochen politischen Charakter an, zumal der Kurfürst von Brandenburg, Joachim I., erklärte: Es ist fast also, wie der Kohlhase schreibt, dass er durch sächsische Justiz um seinen Glauben und ins Verderben gekommen ist." Kohlhase, der inzwischen eine Schar Unzufriedener um sich gesammelt hatte, brannte am 9. und 10. April 1534 die Stadt Wittenberg an drei Stellen an. Erneute Verhandlungen blieben wieder ergebnislos. Martin Luther, an den sich Kohlhase um Hilfe gewandt hatte, riet diesem in einem Briefe vom 8. Dezember 1534 zum Nachgeben:
"Gnad und Fried in Christo. Mein guter Freund! Es ist mir furwahr euer Unfall leid gewesen, und noch, das weiß Gott; und wäre wohl zuerst besser gewesen, die Rache nicht furzunehmen, dieweil dieselbe ohne Beschwerung des Gewissens nicht furgenommen werden mag, weil sie ein selbs eigen Rache ist, welche von Gott verboten ist ... Was ihr mit Recht ausführen möget, da thut ihr wohl; könnt ihr das Recht nicht erlangen, so ist kein ander Rath da, denn Unrecht leiden ... Demnach, so ihr meines Raths begehret (wie ihr schreibet), so rathe ich, nehmet Friede an, wo er euch werden kann, und leidet lieber an Gut und Ehre Schaden, denn dass ihr euch weiter sollt begeben in solch Fürnehmen, darin ihr müsset aller der Sünden und Bürberei auf euch nehmen, so euch dienen würden zur Fehde ... Setzt ihr euch zufrieden, Gott zu Ehren, und lasset euch euern Schaden von Gott zugefügt sein, und verbeißets umb seinetwillen: so werdet ihr sehen, er wird wiederumb euch segnen, und euer Arbeit reichlich belohnen, daß euch lieb sei euer Geduld, so ihr getragen habt. Dazu helfe euch Christus unser Herr, Lehrer und Exempel aller Geduld und Helfer in Noth, Amen."

Kohlhase jedoch führte seine Fehde fort. Dem anhaltenden Drängen des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich gab schließlich Joachim II. (der seit 1535 Kurfürst von Brandenburg war) nach und forderte am 2. Januar 1539 seine Untertanen auf, den Sachsen zur Einbringung Kohlhasens behilflich zu sein". Noch einmal wandte sich dieser, und zwar persönlich, an Luther, der ihm auch Hilfe versprach. Der Erfolg blieb jedoch aus. Kohlhase wurde nach Berlin gelockt und dort am 22. März 1540 hingerichtet.

Im sechsten Heft der Zeitschrift "Phöbus" (Juni 1808) veröffentlichte Kleist ein Fragment des "Michael Kohlhaas"; es führt bis zur Erstürmung der Tronkenburg. Der Schauplatz der Handlung ist bewusst unbestimmt gelassen; alles, was sich auf Sachsen bezieht, fehlt. Der "Phöbus" erschien ja in Dresden! Für die Buchfassung hat Kleist das Fragment sorgfältig redigiert und die Handlung nach Sachsen verlegt (Dresden für Hauptstadt oder Residenz, Elbe für Grenzfluss usw.). Vollendet wurde die Erzählung wahrscheinlich erst im Sommer 1810, wie aus dem Brief Kleists an Reimer vom Mai 1810 hervorgeht:

"Ich schicke Ihnen das Fragment zum Kohlhaas, und denke, wenn der Druck nicht zu rasch vor sich geht, den Rest, zu rechter Zeit, nachliefern zu können."

Quelle: "Zwischen Klassik und Romantik, Erläuterungen zur deutschen Literatur", Volk und Wissen Berlin 1977 S. 181/2. Als Quelle hierfür wird angegeben: Die Anmerkungen zu Heinrich v. Kleist, Gesammelte Werke in vier Bänden, hrsg. von Heinrich Deiters Aufbau-Verlag Berlin 1955 Bd. 2 und 3

(cc) Klaus Dautel


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