Eduard Mörike: Mozart auf der Reise

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Mozart auf der Reise nach Prag (1855)


Im Herbst 1787 fährt Mozart mit seiner Frau Konstanze nach Prag, um den >Don Juan< aufzuführen. Bei einer Unterbrechung der beschwerlichen Reise gehen die beiden spazieren und Mozart, sich der Natur erfreuend, resümiert, was er alles an Gutem versäumt und wie er seine Familie vernachlässigt habe.

Hier wirft der Erzähler "einen allgemeinen Blick auf die Verhältnisse" des Ehepaares und zeigt, wie infolge des Charakters und der Lebensführung des Künstlers seine Gesundheit und die wirtschaftliche Lage der Familie nicht zum Besten stehen. Man erhofft sich nun gerade von der neuen Oper, die Mozart eigens für das ihm geneigte Prager Publikum schrieb, großen Erfolg. Konstanze entwirft - zum Vergnügen des Gemahls - amüsante Bilder einer glanzvollen Zukunft als Generalmusikdirektor in Berlin.

In einem Dorfe mit einem anmutigen Schlösschen wird zu Mittag gehalten und während das Essen vorbereitet wird, spaziert Mozart in den Gärten des Schlossparkes. In einer Laube lässt er sich nieder und - während in seinem Kopfe Musik umgeht - pflückt geistesabwesend von einem eingetopften Bäumchen eine Pomeranze. Ein Gärtner erscheint und zieht ihn dafür zur Rechenschaft, denn die Orangen waren abgezählt: An diesem Abend nämlich soll die Verlobung der Nichte des Grafen gefeiert werden und der Bräutigam hatte hierzu eigens etwas gedichtet, worin neun Orangen (Musen) sinnbildlich werden. Mozart schreibt ein kleines, geistreiches Entschuldigungsbrieflein, das er dem Gärtner mitgibt.

Es stellt sich heraus, dass Mozarts Werke besonders der Braut Eugenie sehr vertraut sind, und so ist man sehr bemüht, die Mozartens aufs Schloss zu laden.

An diesem Abend findet ein Fest statt, auf welchem Mozart und seine Musik den Mittelpunkt bilden: Zur Erklärung seines >Fehltrittes< schildert er eine Jugenderinnerung aus Italien, und später erzählt seine Frau einige Anekdoten aus dem Alltag ihres Mannes, durch welche man Einblick in des Meisters Mangel an Lebensbewältigung, seine geheime Gefährdung, erhält.
Schließlich erfährt man die Geschichte des Pomeranzenbaumes: Er ist ein hundertjähriges Sinnbild für die Tradition einer kultivierten adligen Familie. Das Fest erreicht seinen Höhepunkt, als Mozart größere Teile aus dem gerade erst komponierten >Don Juan< vorträgt und in diesem Vortrag die einfühlsame Eugenie eine geheime Ahnung beschleicht,

"dass dieser Mann sich schnell und unaufhaltsam in seiner eigenen Glut verzehre, dass er nur eine flüchtige Erscheinung auf der Erde sein könne, weil sie den Überfluss, den er verströmen würde, in Wahrheit nicht ertrüge."

Am nächsten Morgen nimmt man Abschied und Mozart und Konstanze fahren in einer vom Grafen geschenkten Kutsche gen Prag.


(cc) Klaus Dautel

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