E.T.A. Hoffmann: Der goldene Topf (1814)

Der Goldene Topf  
Der Sandmann  
Fräulein von Scuderi  
Aus dem Leben des E.T.A.  

Meine Beschäftigung mit dieser Novelle steht im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die Abitur-Pflichtlektüren (so genannte "Sternchenthemen") in Baden-Württemberg ab 2018. Die gesamten Materialien sind HIER zu finden.

Klaus Dautel

Ein Märchen aus der neuen Zeit

    »Mich beschäftigt die Fortsetzung der 'Fantasiestücke in Callot's Manier' ungemein vorzüglich ein Mährchen ... Denken Sie dabey nicht, Bester! an Scheherezaden und Tausend und eine Nacht - Turban und türkische Hosen sind ganz verbannt – feenhaft und wunderbar, aber keck ins gewöhnliche alltägliche Leben tretend und seine Gestalten ergreifend soll das Ganze werden.«
    E.T.A. Hoffmann am 19. August 1813 an seinen Verleger C.F.Kunz.

Zur Bedeutung des französischen Malers und Kupferstechers Jacques Callot (1592-1635) für E.T.A.Hoffmanns Poetik liefert das Goethezeitportal hilfreiche Erläuterungen: "Callots Vorbildfunktion - der Dichter als Maler."

Erste Vigilie

„Am Himmelfahrtstage, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junger Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor, und geradezu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes häßliches Weib feilbot ...”
Dieser junge Mensch, der Student Anselmus, wird von den wütend keifenden Marktfrauen dazu genötigt, ihnen für den entstandenen Schaden sein ganzes Geld zu geben. Das Apfelweib sendet ihm noch einen Fluch hinterher. Mit dem Geld wollte er sich eigentlich einen vergnüglichen Tag im Feiertagstrubel machen, jetzt ist er es los und seine Hoffnungen auf Verköstigung und Unterhaltung sind dahin.
Er scheint sowieso ein Unglücksrabe bzw. ein Pechvogel zu sein, jedenfalls beklagt er in einem längeren inneren Monolog alle Missgeschicke, die ihm bisher zugestoßen sind und die auch seine beruflichen Hoffnungen, Geheimer Sekretär beim Geheimen Rat zu werden, zunichte zu machen scheinen.
Wie er so unter einem Holunderbaum sitzt und sein Unglück beklagt, hört er Stimmen über sich im Busch und entdeckt drei goldgrüne Schlänglein, die ihm etwas Rätselhaftes zuflüstern, bis sie von einer tiefen, rauen Stimme vertrieben werden.

Zweite Vigilie

Zwei „Bürger", der Konrektor Paulmann und der Registrator Heerbrand, beide Gönner des Studenten, laden Anselmus zu einem gemütlichen Abend mit Hausmusik beim Konrektor ein, auf dem Weg dorthin fällt Anselmus durch seltsames Verhalten auf, das sie auf den Alkohol zurückführen. Anselmus gelingt es jedoch im Laufe des Abends, die Aufmerksamkeit der hübschen blauäugigen Tochter Veronika durch gutes Klavierspiel und galantes Verhalten auf sich zu ziehen. Er erhält auch das Angebot, sich als geübter Schreiber und Zeichner bei dem Archivarius Lindhorst einen Freitisch und ein paar Taler zu verdienen, was Anselmus Situation sehr entgegenkommt, befindet er sich doch gerade in der Phase zwischen dem Studium und dem Einstieg in das Arbeitsleben.
Als er tags drauf jedoch an die Tür des Archivars klopfen will, verwandelt sich der Türknauf in das bissige Gesicht des bösen Apfelweibes, über dessen Korb er gestolpert war, und er fällt in Ohnmacht.

Dritte Vigilie

Um Anselmus dem Archivarius vorzustellen, suchen sie dessen Stammkneipe auf. Sie treffen dort Archivar Lindhorst, wie er gerade in geselliger Abendrunde wundersame Geschichten von sich und seiner Herkunft erzählt. Deren Fantastik bringt die Herren zum Lachen, aber Lindhorst besteht auf deren Realität. Dann wird ihm Anselmus vorgestellt und als Schreiber und Zeichner empfohlen, aber Lindhorst reagiert seltsam unverständlich darauf.

Vierte Vigilie

Diese Vigilie wird von einem Erzähler-Kommentar eingeleitet, in welchem dieser den Leser auffordert, sich zu diesen merkwürdigen und unglaublichen Vorkommnissen offen zu verhalten. Auch der Leser habe sicher schon Situationen gehabt, in denen die Grenze zwischen Realität und Einbildung zu verschwinden begannen. Auch lässt sich der Begriff der Vigilie nun dahingehend verstehen, dass diese Geschichten vom Erzähler in durchwachten Nächten geschrieben werden.
Anselmus hat es immer noch nicht geschafft, beim Archivar vorzusprechen, die Begegnung mit dem Türknauf hat ihn abgeschreckt. Stattdessen zieht es ihn zu dem Holunderbusch, wo ihm tatsächlich auch wieder das Schlänglein zusäuselt und mit seinen dunkelblauen Augen bezaubert. Dabei wird er von dem Archivarius Lindhorst aufgeschreckt, diesem erzählt er das Erlebnis mit den drei Schlänglein. Der Geheime Archivar teilt ihm zu dessen Überraschung mit, dass es sich dabei um seine drei Töchter gehandelt habe, eine davon heißt Serpentina, diejenige mit den dunkelblauen Augen, in die Anselmus nun heillos verliebt ist.
Der Archivar gibt ihm noch eine Tinktur, mit der er den bissigen Türknauf beim nächsten Besuch unschädlich machen kann.

Fünfte Vigilie

Registrator Heerbrand will gehört haben, dass es Anselmus beim Archivar weit bringen könnte, zum Hofrat vielleicht. Die anwesende Veronika, Paulmanns Tochter, beginnt sofort, sich ein Leben als Ehefrau und Hofrätin an derSeite des Anselmus vorzustellen. Doch der Wunschtraum wird immer wieder Zweifeln gestört. - Da kommt es gerade recht, dass eine Freundin ihr von einer alten Hellseherin berichtet, die ihr Erfreuliches vorausgesagt hat. Veronika besucht tags darauf diese Alte, eine hässliche, hexenartige Erscheinung mit Brandspuren im Gesicht, umgeben von allen Utensilien einer Hexenstube und einem schwarzen Kater. Sie warnt Veronika davor, auf Anselmus zu hoffen, denn der sei schon in den Händen des Archivars und seiner Serpentina gefangen und werde nie Hofrat. Viktoria will das nicht akzeptieren und das Haus verlassen, da verwandelt sich das Apfelweib in Veronikas alte Kinderfrau Lise und verspricht ihr, dabei behiflich zu sein, Anselmus aus den Fängen des Archivarius zu befreien: Der Archivar sei nämlich ihr Erzfeind.

Sechste Vigilie

Anselmus es also geschafft, das Haus des Archivars - mit Hilfe der Tinktur (siehe: Brandspuren im Gesicht des Apfelweibes) - zu betreten. Der Archivar empfängt ihn freundlich und führt ihn durch zauberhafte Räume und Gewächshäuser, worin sich exotische Wesen herumtreiben. Anselmus meint Serpentinas Anwesenheit zu spüren, der Archivar führt ihn in ein nüchternes Arbeitszimmer und lässt ihn arabische Texte abschreiben. Dies geht Anselmus zu seinem eigenen Erstaunen vorzüglich von der Hand, in sich meint er dabei Serpentinas Stimme zu vernehmen, die ihn antreibt. Der Archivar scheint zufrieden und verspricht Anselmus, dass er mit Serpentinas Liebe die Wunder des goldenen Topfes schauen werde. Aber er müsse standhaft an seinen Zielen festhalten.

Siebte Vigilie

Es ist die Nacht zum 23. September, die Tag-und-Nachtgleiche (Äquinoctium) und Veronika schleicht sich in Regen und Wind zur Alten, die ihr versprochen hatte, dass sie heute Nacht den Zauber von Anselmus lösen bzw. auf Veronika richten werde. Auf offenem Felde baut die Alte ihren Hexenkessel auf und beschwört alle dunklen Geister herbei. Wenn der Leser - so fügt der Erzähler hinzu - dies zufällig gesehen hätte, so hätte er das arme Mädchen in einer Art Todesstarre vorgefunden. - Veronika erwacht in ihrem Bett, bald kommt der Doktor, um sie zu untersuchen, sie glaubt zunächst an einen Fiebertraum, doch sie findet dann in ihrem Nachtgewand ein Medaillon mit dem Bild des Anselmus. Sie meint sogar, diesem leibhaftig zu begegnen, doch dann kommt der Doktor und fühlt ihren Puls.

Achte Vigilie

Eines Tages führt der Archivarius Anselm in ein prächtiges Gemach und heißt ihn dort ein besonders exotisches Script zu kopieren. Aber wehe, wenn ein Fleck oder ein Fehler darin auftaucht. Noch bevor er zu schreiben beginnt, wird er von Serpentina umschlängelt und betört: Sie offenbart ihm die Geschichte ihres Vaters, der aus dem Geschlecht der Salamander stamme, aber wegen eines Vergehens gegen den Geisterfürsten Phosphorus seine Feuerkraft eingebüßt habe und nun für seine drei Töchter in der hiesigen Welt der Fantasielosen drei Jünglinge finden muss, die poetisch genug empfinden, um deren Stimmen zu hören. Anselmus ist ein solcher und Serpentina verspricht ihm glückliche Zweisamkeit und die Kraft des Goldenen Topfes, wenn er den bösen Mächten des schwarzen Drachen widerstehen könne. Gemeint ist das Apfelweib.
Wieder scheint es Anselmus, als erwache er aus einem Traum, doch siehe da, das Manuscript liegt wie von Zauberhand kopiert vor ihm, die Arbeit ist getan und der Archivarius auf seine geheimnisvolle Weise zufrieden.

Neunte Vigilie

Aber auch Veronika geht Anselmus nicht aus dem Sinn, sie erscheint ihm im Traume und ihr Bild verdrängt den ganzen Salamander-Spuk aus dem Hause Lindhorst. Auf dem Weg zum Archivarius begegnet Anselmus dem Konrektor Paulmann, der ihn sofort zu sich einlädt, und Veronikas Nähe und Zärtlichkeit nimmt Anselmus ganz für sie ein, es kommt zu Liebes- und Treueschwüren. Darüber vergisst er zur Arbeit zu gehen. Auch Registrator Heerbrand findet sich ein und bringt die Utensilien für einen Punsch mit, der am Abend dann gebraut wird, allerdings mit ganz fatalen Wirkungen auf alle Herren: Der Spuk kehrt zurück, alle gebärden sich wie vom Wahnsinn gepackt und lassen schließlich den Salamander hochleben. Nur Veronika bleibt nüchtern, aber von den Vorgängen sehr verstört.

Anselmus findet doch noch nach Hause, im Schlaf träumt er von Veronika und er steht am Morgen nüchtern und gestärkt wieder auf. - Als er dann das Haus des Archivarius betritt, erscheint ihm dort alles schal und schäbig, der Zauber scheint verflossen. Der Archivarius gibt ihm wieder etwas zum Kopieren, doch nichts will dem Anselmus nun gelingen, um ihn herum beginnt ein schreckliches Tosen und Toben, Riesenschlangen umschlingen ihn und er findet sich eingequetscht in einer Kristallflasche im Regal des Archivarius wieder.

Zehnte Vigilie

In dieser Flasche leidet Anselmus Höllenqualen (erneute Aufforderung an den Leser, er möge sich in diese Situation hineinversetzen), die er als Bestrafung für seinen Abfall von Serpentina versteht. Er muss auch feststellen, dass noch weitere Jünglinge in Flaschen im Regal stehen, es ist aber nicht klar, ob diese Jünglinge ("Kreuzschüler" und "Praktikanten") darin wirklich eingeschlossen sind, sie sehen es jedenfalls nicht so, sondern stehen zusammen mit Anselmus auf der Brücke und schauen ins Wasser. Anselmus dagegen ist in der Flasche und wird nun Zeuge eines wilden Kampfes zwischen dem Äpfelweib, unterstützt von ihrem Kater, und dem Archivarius mit seinem Papagei. Die Schlacht tobt hin und her unter Aufbietung von Feuerzungen und Flammen, bis schließlich die Alte zu einer "Runkelrübe"schrumpft und vom Papagei entsorgt wird. Anselmus aber wird vom Archivarius aus seinem Gefängnis befreit, er habe die Treue bewahrt, lediglich ein "feindliches Prinzip", das zerstörerisch in sein Inneres drang und ihn mit sich selbst entzweite, sei Schuld an seinem Unglauben, nicht er selbst. Und Anselmus stürzt in die Arme der holden Serpentina.

Elfte Vigilie

Konrektor Paulmann und Registrator Heerbrand rätseln über das Vorgefallene und die Wirkung des Punsches. Sie kommen zu dem Schluss, dass all dies durch die Anwesenheit des Studenten Anselmus und dessen Wahnsinn verursacht worden sei. Er soll seinen Fuß nie wieder über die Türschwelle des Konrektors setzen. Tatsächlich bleibt Anselmus auch verschwunden und Veronika zieht sich gramvoll zurück. - Im Februar schließlich taucht Heerbrand mit einem Blumenstrauß beim Konrektor auf und teilt diesem mit: Er werde bald Hofrat sein und sei gekommen, um um Veronikas Hand anzuhalten. Der Konrektor sieht sich geehrt, Veronika kommt hinzu und nimmt den Antrag an, erzählt aber auch die ganze Geschichte mit ihr, dem Anselmus und dem Zauber der alten Lise. Konrektor Paulmann hält dies weiterhin für Irrsinn und Gefasel, der künftige Hofrat Heerbrand zeigt jedoch Verständnis für die Existenz der "geheimen Mächte", die den Anselmus zu diesen tollen Streichen trieben. Und bald ist Veronika das, was sie sich erträumt hatte: Frau Hofrätin, nur eben mit einem anderen Mann.

Zwölfte Vigilie

Der Erzähler schildert seine Schwierigkeiten, mit einer zwölften Vigilie die Erzählung abzuschließen. Da erreicht ihn ein Brief von "Salamander Lindhorst", in dem dieser ihn einlädt, zu ihm ins blaue Zimmer zu kommen, um dort die Geschichte des Anselmus zu Ende zu schreiben. Der Erzähler nimmt die Einladung an, wird von dem Archivarius empfangen und zu einem Getränk eingeladen (angezündeter Arrak). Während der Erzähler einen Schluck nimmt, steigt der Archivar in den Pokal und verschwindet.

Der Erzähler aber sieht nun in einer "Vision", wie in der Zauberlandschaft von Atlantis Serpentina aus einem Tempel tritt und dem Anselmus den Goldenen Topf überreicht. Und Anselmus, dem Dichter, wird "die Erkenntnis des heiligen Einklangs aller Wesen" (203) zuteil. (vgl. Faust: Was die Welt im Innersten zusammenhält ...)

Das Schlusswort des Archivarius Lindhorst:

„Ist denn überhaupt des Anselmus Seligkeit etwas anderes als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbart?”

Von den im Internet angebotenen Unterrichtseinheiten und Materialien empfehle ich einen Blick in

(cc) Klaus Dautel

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