Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)

Historische Novellen
C.F. Meyer: Das Amulett
C.F. Meyer: Gustav Adolfs Page
W. Raabe: Die Schwarze Galeere
J. Wassermann: Das Gold von Caxamalca

Gustav Adolfs Page (1882)

Seitenangaben beziehen sich auf die Reclam-Ausgabe

I.
Vater und Sohn Leubelfing sitzen rechnend in ihrem Nürnberger Patrizierhaus, als ein schwedischer Kornett mit der Nachricht des Schwedenkönigs Gustav Adolf kommt, sein Page sei - wie auch alle anderen zuvor - auf dem Schlachtfeld gefallen, und Leubelfing könne jetzt seinem Sohn den Herzenswunsch erfüllen und ihn zu seinem neuen Pagen machen. Vater und Sohn sind sehr erschreckt, denn der Alte hatte bei einem Besuch des Königs in Nürnberg nur angeben wollen und hatte überdies etwas zuviel getrunken. Nun aber steht der Soldat vor der Tür und wartet. - Da aber tritt die knabenhafte und forsche Auguste Leubelfing in die Stube, und, provoziert von ihrem ängstlichen Vetter, beschließt sie, an dessen Stelle Page des von ihr so verehrten Königs zu werden. Gesagt getan, sie packt rasch zusammen und der Kornett nimmt sie mit. Der junge L. aber wird sich als "Laubfingern" nach Leipzig verkriechen müssen.

II.
Im Lager des Königs bei Nürnberg: Gustav Adolf rennt seit langem vergeblich die Befestigung des "Friedländers" an. Dem neuen Pagen ist er christlicher Erzieher und väterlich-strenger Freund. Der Page ist kecker Jüngling und ergebener Schüler. Seine Lebensdevise: 'Courte et bonne', heftig und intensiv leben und verlöschen wie ein zuckender Blitz. - Vom schwedischen Hof erfährt man, dass ein Jesuit sich als Italienisch-Lehrer der königlichen Tochter Christine (7) eingeschlichen habe, aber glücklich enttarnt wurde. - Das gemahnt Auguste an ihre eigene Tarnung: Ist sie nicht auch eine Betrügerin? Gerade jetzt, wo dem geliebten König vom Friedländer so arg zugesetzt wird! Aber "im Pulverdampf" und angesichts der "tödlichen Kugeln" verstummt das schlechte Gewissen zeitweise, um des nachts in schlechten Träumen wiederzukehren.

III.
>Aus einem Brief der Königin erfährt Gustav Adolf, dass in seinem Lager einHerzog von Lauenburg ein ehebrecherischisches Verhältnis mit einer erbeuteten Kroatin unterhalte. Er lässt das Mädchen kommen, und sofort das wahre Geschlecht des Pagen erkennend vermutet sie eine Gemeinsamkeit: Beide lieben ihre Herren, die eine offen, die andere heimlich. Aber, als das Mädchen vom König mitgeteilt wird, dass es in das kalte Schweden zu den >Ketzern< gebracht und umerzogen werden soll, schneidet es sich kurzerhand die Kehle durch. - Gleich anschließend hält Gustav Adolf den versammelten deutschen Adligen seines Heeres eine herbe Strafpredigt wegen ihres zügellosen Betragens, und Lauenburg, welcher sich widersetzt, wird vor aller Augen gemaßregelt. Dem Pagen fällt auf, dass dessen Stimme und Gestalt der seinigen sehr ähneln.

IV.
Am Abend desselben Tages erscheint ein friedländischer Hauptmann beim König; es ist Wallenstein selbst, der Gustav Adolf vor einem Attentäter warnt, welcher sich ihm angeboten hat. Dieser habe merkwürdigerweise die Stimme seines Pagen gehabt und auch ein verlorener Handschuh passt genau. - Der Page verlässt daraufhin fluchtartig den König, reitet durch das nächtliche Lager, bis er auf einen Oberst stößt, welcher zufällig der Freund seines Vaters und des Mädchens Pate ist und die >Gustl< auch sofort an einer Narbe erkennt. - Das Lager bei Nürnberg wird aufgelöst und den ganzen Herbst reitet der Page mit dem Oberst Ake Tott. Einmal aber sieht er den König, wie er - Jesus gleich - durch eine Stadt zieht und alles Volk ihm als Glaubensretter huldigt. Aber über der Apotheose schwebt der 'Todesengel'. Eine Woche später, vor der entscheidenden Schlacht (von Lützen 1632), mischt er sich unter das Gefolge des Königs und erlebt, wie dieser noch einmal den Getreuen seine Sorge um das "evangelische Reich" nahelegt und wie der von Lauenburg sich dem König als verlorener Sohn nähert und ihm verziehen wird. Dann, als es in die Schlacht geht, verschmäht Gustav Adolf den ihm vom Pagen hingehaltenden kugelsicheren Panzer und schlüpft in sein Wams.

V.
Beim Pfarrer des Dorfes Meuchen, hinter der schwedischen Schlachtlinie, wird gerade für den 'protestantischen Helden' gebetet, als es klopft und dessen Leiche von dem ebenfalls tödlich verwundeten Pagen hereingebracht wird. Der Kornett ist dabei und beim Öffnen des Wamses wird die wahre Gustl entdeckt. Da kommt auch schon der Oberst Ake Tott und überraschenderweise ein junger Kaufherr Laubfinger in das Pfarrhaus. Noch einmal aus der Ohnmacht aufwachend stammelt der Page von der "Kugel des Lauenburgers" und stirbt dann mit einem letzten Blick auf das Antlitz des "Retters Deutschlands und der protestantischen Sache". Der Pfarrer verpflichtet alle Anwesenden zum Schweigen und so wird der Page zusammen mit seinem König in der Kirche aufgebahrt.


Der Dreißigjährige Krieg - Chronik

  • 1618 werfen protestantische Adlige in Prag zwei der kaiserlichen Statthalter aus einem Fenster des Schlosses, nachdem der Habsburger Kaiser Ferdinand II. die Böhmen zugesicherten Glaubensfreiheiten nicht respektierte: → protestantische Adelsrevolte in Böhmen
  • 1620 Ein von Spanien und vom Papst unterstütztes Heer unter dem bayerischen Feldherrn Tilly schlägt die böhmischen Truppen vor Prag vernichtend: → Rekatholisierung Böhmens
  • Dem widersetzen sich unter Führung des Königs Christian IV. von Dänemark die norddeutschen Stände, welche von den protestantischen Niederlanden und von England unterstützt werden.
  • Der Kaiser lässt durch den böhmischen Adligen Wallenstein ein zweites Heer aufstellen, das zusammen mit dem der Liga Norddeutschland unterwirft und
  • 1629 in Lübeck mit Christian IV. Frieden schließt.
  • Wallenstein schlägt vor, das Reich durch eine tolerante Politik zusamenzuhalten (wie 1598 in Frankreich), Ferdinand II. besteht auf Rekatholisierung unter der Vormacht des Hauses Habsburg.
  • 1630 schließen sich protestantische und katholische Fürsten gegen die Übermacht des Habsburgers zusammen und verlangen die Abrüstung des Wallensteinschen Heeres: Ferdinand gibt nach und beraubt sich seiner militärischen Macht. Ungerufen landet der Schwedenkönig Gustav I. Adolf mit einem Heer in Pommern, als Beschützer der protestantischen Sache und mit dem Ziel, die deutsche Ostseeküste dem schwedischen Besitz hinzuzufügen. Frankreich unterstützt den Schweden, und
  • 1631 schlägt dieser Tilly bei Breitenfeld vernichtend und besetzt ganz Süddeutschland, so dass der Kaiser Wallenstein zurückruft und ihn ein neues Heer aufstellen lässt.
  • 1632 bei der Schlacht von Lützen fällt Gustav Adolf, doch die Schweden sind nicht besiegt, sie werden erst zwei Jahre später bei Nördlingen vernichtend geschlagen.
  • 1634 Während Kaiser Ferdinand II. weiter an seiner Rekatholisierungspolitik festhält, nimmt Wallenstein eigenmächtig Friedensverhandlungen mit Sachsen, Schweden und Frankreich auf. Am Wiener Hof wird er darob des Hochverrats verdächtigt, vom Kaiser abgesetzt und auf dessen Auftrag ermordet.
  • Jetzt erst setzt der Kaiser sein Restitutionsedikt außer Kraft, die Stände verzichten dafür auf eigene Rüstungen, eine straffere Reichseinheit unter einem gestärkten Kaiser zeichnet sich ab...
  • Da tritt Frankreich dazwischen, beginnt den offenen Krieg gegen den Kaiser, bringt Schweden durch hohe Subsidien zur Fortsetzung des Krieges bis zum
  • 1648 Westfälischen Frieden.

(cc) Klaus Dautel

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