Conrad Ferdinand Meyer: Das Amulett

Historische Novellen
C.F. Meyer: Das Amulett
C.F. Meyer: Gustav Adolfs Page
W. Raabe: Die Schwarze Galeere
J. Wassermann: Das Gold von Caxamalca

Das Amulett (1873)

Ein Herausgeber übersetzt Aufzeichnungen aus dem 17. Jahrhundert in die "Sprache unserer Zeit".

I. Rahmenhandlung:

Der Ich-Erzähler, Schadau von Bern, schließt 1611 in der Schweiz mit einem alten Herrn namens Boccard ein Grundstücks-Geschäft ab. Im Arbeitszimmer des Herrn finden sich zwei Gegenstände, ein durchschossener Filzhut und ein Amulett, die den Ich-Erzähler an den Sohn des alten Boccar, Wilhelm, erinnern. Dessen Tod steht in einem noch ungeklärten Zusammenhang mit dem Schicksal des Erzählers, und um diese Geschichte zu verarbeiten, schreibt er sie nach der Begegnung mit dem Alten auf:

II. Der junge Schadau, Sohn eines früh verstorbenen Kriegsmannes, wächst elternlos unter der Obhut eines alten Oheims am Bieler See auf. Die politische Lage ist vom Religionsstreit geprägt: Spaniens ALBA besetzt die niederländischen protestantischen >Generalstaaten< und bedroht das calvinistische Genf. Frankreich gewährt den Hugenotten seit 1570 Zugang zu allen Ämtern, und der Admiral Coligny plant die Befreiung der Niederlande. Ein Krieg steht also bevor, und der junge Schadau will hierin für die protestantische Sache gegen den >Bluthund< Alba kämpfen. Hierzu lässt er sich von einem Fechtmeister aus Böhmen ausbilden, bis sich herausstellt, dass dieser wegen Mordes gesucht wird. Er kann sich durch Flucht vor der Festnahme retten.

III. Auf dem Weg nach Paris, schon in Frankreich, treibt ein Gewitter den jungen Schadau in eine Herberge, wo er einen stattlichen Landsmann kennenlernt, Wilhelm Boccard, außerdem den ehrwürdigen Parlamentsrat Chatillon aus Genf und dessen hübsche Nichte Gasparde. Wilhelm B. ist Katholik und ein Disput über Glaubensfreiheit und den Unterschied der Konfessionen bringt zutage, daß W.B. als Kind durch die >Liebe Frau von Einsiedeln< von der Kinderlähmung geheilt worden war (-> Marienkult). Weiter stellt sich heraus, dass Gasparde das Patenkind des so verehrten Coligny ist und für den jungen Mann ein Wörtchen einlegen möchte.

IV. Tatsächlich wird S., als er in Paris bei dem Admiral vorstellig wird, er zum Privatsekretär des mit Kriegsvorbereitungen vielbeschäftigen Mannes. Aber die Augen des Admirals fallen dem jungen Mann auf: Sie sind dieselben wie bei Gasparde! - Zu Besuch beim alten Chatillon: Dieser legt die Hoffnungen dar, die mit dem bevorstehenden Krieg verknüpft sind, nämlich die Glaubensspaltung durch den gemeinsamen Kampf für die FREIHEIT der Niederlande zu überwinden. "Aber es eilt." Es gibt Gegenströmungen und auch der junge Schadau ist leider zu sehr calvinistischer Heißsporn (>Ketzerverbrennung?!<), um für die Größe dieses Planes reif zu sein. Woher aber kommt diese Ähnlichkeit der Augen? Chatillon reagiert auf diese Frage unwirsch, gibt es hier ein Geheimnis? Sie ist die Tochter von Colignys Bruder. Zur gleichen Zeit hört man in der gegenüberliegenden Kirche einen Franziskanermönch wider die "Ketzer" predigen, und der Erzähler gewahrt den "Vulkan", auf welchem die Hugenotten in Paris stehen. - In der aus der Kirche strömenden Menge erscheint ein Kavalier, ein Höfling des königlichen Bruders (Herzog von Anjou), welcher der am Fenster erbleichenden Gasparde unverschämt zuwinkt. Sie aber präsentiert ihren neuen Beschützer: Schadau.

V. Am nächsten Morgen beim Admiral lernt S. den jungen König kennen. Dessen kindisches Verhalten beunruhigt ihn sehr, hängt doch das Schicksal der Hugenotten von diesem Könige ab. - Auf der Straße begegnet Schadau der Freund Wilhelm B., welcher zur Schweizer Leibgarde des Königs gehört. Dieser erlaubt ihm einen Blick in dessen Arbeitszimmer, wo eine "greuliche Unordnung" herrscht. - Auf der Straße schließlich begegnet den beiden Graf Guiche (siehe IV.), der größte Raufbold am Hof, zusammen mit einem gewissen, steckbrieflich gesuchten Lignerolles. Der Graf rempelt den Hugenotten Schadau und ein Duelle scheint unausweichlich. - Zum großen Leidwesen Wilhelms ist Schadau von Bern ein langsamer Fechter und den Beistand der "Lieben Frau von Einsiedeln" verschmäht er auch noch, weil er als Calvinist der Prädestination vertraut.

VI. Das Duell am nächsten Morgen geht gut aus: Der Degen des überlegenen Guiche prallt an dem Medaillon der "Lieben Frau" ab, welches Wilhelm ihm heimlich ins Wams gesteckt hatte; sollte er also sein Leben einem "Götzenbilde" schulden? Die Nachricht, daß der treue Kirchgänger Guiche von einem Hugenotten erstochen worden ist, beunruhigt den Admiral und den alten Chatillon sehr, den die Lage der Protestanten in Paris ist schon schwierig genug. Einzig Gasparde erahnt den Zusammenhang und ihre Liebe ist Schadau nun gewiß.

VII. Ein Monat später, die Lage der Protestanten spitzt sich zu: Der Einfall in Flandern, mit dem der Widerstand gegen Alba hatte entfacht werden sollen, ist misslungen, auf den Admiral wurde in Paris ein Attentat verübt, der Pöbel von Paris wird gegen die hugenottischen Außenseiter immer ausfälliger. Ein Jugendfreund Chatillons, Montaigne, will diesen auf sein Schloß in Sicherheit bringen. Der verwundete Admiral bestimmt, daß Schadau seine Gasparde an Ort und Stelle ehelichen und nach Deutschland in Sicherheit bringen soll. Er selbst aber will Paris nicht verlassen und darum auch nicht der alte Chatillon.

VIII. Zurück in seinem Zimmer wird Schadau von Wilhelm B. dazu überredet, heute am Bartholomäustag zum Namenstag seines Haupt- und Landsmannes Pfyffer zu gehen. Dort aber, im Louvre, wird er sogleich verhaftet und in Boccards Zimmer eingeschlossen. - In dieser Nacht läuten die Glocken Sturm und auf Befehl des Königs (Einfluss der Mutter Katharina v. Medici) wird unter den Hugenotten von Paris ein Blutbad angerichtet. Am Morgen kommt B. und S., in Verzweiflung, bittet ihn im "Namen der Muttergottes von Einsiedeln" zu seiner Frau zu lassen. Wilhelm nimmt ihn in der Tracht der Schweizer Königlichen auf die Straße mit.

IX. Sie kommen gerade recht, um Gasparde vor der Meute zu retten, doch wird Wilhelm B. mit Schaudaus Pistole durch die Schläfe geschossen. Auf der Flucht treffen sie am Stadttor den böhmischen Fechtmeister wieder. Dieser macht keinen Hehl daraus, an der Ermordung Colignys beteiligt gewesen zu sein, revanchiert sich aber bei Schadau für die damals ermöglichte Flucht, indem er für 40 Goldgulden einen Pass und zwei Pferde zur Verfügung stellt.

X. Nach zweiwöchiger Heimreise, schon die Heimat im Blickfeld, erinnert sich Schadau des Briefes, den er am Bartholomäustag von seinem Oheim erhalten hat: Darin wird ihm dessen Tod gemeldet. Schadau führt seine Frau "in das verödete Haus" seiner Jugend ein.


  GLAUBENSKÄMPFE - Chronik
  • 1541 Reformation duch Johannes Calvin in Genf Ausbreitung der calvinistischen Reformation vor allem in der Schweiz, in Frankreich und in den Niederlanden (→ Kerngedanke: Prädestinations-Lehre)
  • 1562 Hugenottenkriege in Frankreich (Hugenotte - >Eidgenosse</ französischer Calvinist)
  • 1567 Hinrichtung der niederländischen Aufständischen EGMONT und Hoorn
  • 1568 Unabhängigkeitskampf der niederländischen Calvinisten (17 nördliche Provinzen: Flandern) gegen die spanische Herrschaft (Phillip II und Herzog Alba)
  • 1570 Pazifikationsedikt von St.Germain -> Glaubensfreiheit und Zugang für Hugenotten zu öffentlichen Ämtern in Frankreich
  • 1572 Bartholomäusnacht: Ermordung der Hugenotten in Paris
  • 1598 EDIKT von Nantes (→ Glaubensfreiheit und Sicherheitsplätze für Hugenotten) unter Heinrich IV., (der Bourbone, seit 1589 auf dem Thron, 1593 Übertritt zum Katholizismus)
  DIE PARTEIUNGEN

  HUGENOTTEN                   KATHOLIKEN
  -----------                  -----------
  Admiral Coligny              Katharina v. Medici, Witwe Heinrich II.
  Heinrich v. Navarra          Mutter Heinrich III.
  (→ Henri IV)                 Hause Guise
                                 (von Spanien unterstützte
                                  katholische Adelsliga)


(cc) Klaus Dautel

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