Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

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DIE JUDENBUCHE (1842)

Friedrich Mergel wurde 1738 in dem Dorfe B. geboren. Das Dorf ist

  • abgelegen von der Welt, fern der >Heerstraßen<, ohne Fabriken und Handel, in dieser Isolation haben
  • die Bewohner ein eigenwilliges Rechtsempfinden entwickelt, ein "zweites Recht ... der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit und ... der Verjährung",
  • vor allem Holz- und Waldfrevel waren üblich (→ Diebstahl und Wilderei) und
  • die Bewohner galten im Fürstentum als besonders hochmütig, schlau und starrsinnig, was sich in häufigen Scharmützeln mit den Förstern äußerte.

Friedrich Mergel war der Sohn eines armen Bauern, der zuerst "ordentlicher Säufer" d.h. Wochenendtrinker war, dann aber immer gewalttätiger und unberechenbarer wurde. Seine erste Ehe endete in der Hochzeitsnacht, seine zweite Ehe mit der braven Margreth Semmler brachte zwar den Friedrich zustande, aber kein häusliches Glück, und als der Knabe neun Jahre alt war, kam der Vater in einer harten stürmischen Winternacht um Dreikönig nicht mehr nach Hause: Er war im Wald gestorben.

Erste Erwähnung eines Juden: Der Junge hat gesehen, wie ein Aaron von einem Bauern geprügelt und beraubt worden ist, die Mutter findet das in Ordnung, denn die Juden sind "alle Schelme".

Der Junge muss seines Vaters wegen viel üble Nachrede aushalten - es wird geglaubt, dass der Verunglückte im Wald herumspuke - und wird darüber scheu, eigenbrödlerisch und verbringt die Tage mit einsamem Kühehüten. Als er 12 ist, kommt der Onkel Simon Semmler und bietet der Mutter eine Art Adoption an. Noch am selben Abend führt er den Jungen durch den Wald an jene Eiche, unter der sein Vater gefunden wurde.

Es gibt da auch noch den Schweinehirten Johannes Niemand, der ebenfalls Dienste für Simon Semmler verrichtet und von Friedrich mit einer Fiedel beschenkt wird.
Anfangs fällt der Mutter die Trennung vom Sohne schwer, doch da dieser sich immer besser zu entwickeln scheint, körperlich wie charakterlich, zeigt sich sogar mütterlicher Stolz. Friedrich wird immer eitler und selbstbewusster ("Dorfelegant"), zuhause jedoch auch immer fauler und tut nicht mehr als Kühe hüten.

Als der Junge etwa 18 alt ist, wird die Gegend durch eine Bande bisher unbekannter Holzdiebe, den >Blaukitteln<, unsicher gemacht. Sie gehen so frech und geschickt zu Werke, dass keiner weiß, wer dahinter steckt. Eines frühen Morgens im Juli 1756 um drei hütet Friedrich die Kühe, als der Förster Brandis mit einem Trupp Leute auf der Suche nach den Holzdieben erscheint. Brandis fährt den Jungen grob an, bis dieser ihm seine Beobachtungen mitteilt. Brandis eilt den anderen hinterdrein in die Richtung, die F. ihm angibt. Dieser treibt daraufhin seine Kühe nach Hause, taucht dort erschöpft und krank auf und legt sich ins Bett, bis Johannes Niemand ihn in einer dringenden Sache zum Oheim Simon holt. Währenddessen kommt der Amtsschreiber zur Semmlerin und teilt ihr mit, dass der Förster Brandis mit einer Axt erschlagen im Wald aufgefunden worden sei. Die gerichtlichen Untersuchungen und auch das Verhör Friedrichs ergeben nichts, aber die Blaukittel tauchen merkwürdigerweise danach nicht mehr auf. Am nächsten Sonntag will Friedrich zur Beichte gehen, weil er dem Förster den falschen Weg gewiesen hat, aber nach einem Gespräch mit dem Oheim Simon, der sichtlich Dreck am Stecken hat, bleibt er zu Hause. Von nun an nimmt der Charakter Friedrichs unter dem Einfluss des Oheims eine "unglückliche Wendung", während die Mutter zusehends verwahrlost.

Vier Jahre später, im Oktober 1760, findet im Dorf eine fröhliche Hochzeit statt, auf der Friedrich unter den jungen Leuten den Ton angibt.

Er gibt mit seiner Uhr an, als der Jude Aaron aus dem nächsten Städtchen erscheint und lauthals die 10 Taler einfordert, die er ihm an Ostern für den Erwerb einer Uhr geliehen hatte. In der Nacht spukt es im Wald und der Geist des alten Mergel jammert um seine arme Seele. Der Gutsherr, dem dies mitgeteilt wird, hält nichts davon, aber drei Tage später, nach einem heftigen Sturm, wird Aaron erschlagen unter einer Buche aufgefunden. Noch in derselben Nacht will man Friedrich verhaften, aber er ist mitsamt Johannes Niemand verschwunden.

Die Juden der Umgegend kaufen dem Gutsherren die Buche für 200 Taler ab und bringen feierlich eine hebräische Inschrift an.
Ein halbes Jahr später wird dem Gutsherrn schriftlich mitgeteilt, jemand anders habe gestanden, einen Juden namens Aaron erschlagen zu haben.

28 Jahre später, am Weihnachtsabend, wandert ein verkrüppelter alter weißhaariger Mann dem Dorfe zu, klopft an ein Haus an, wird aufgenommen und gibt sich als der verschollene Johannes Niemand zu erkennen. Am folgendenTag ist das Dorf voll der Abenteuer des Johannes, der 26 Jahre in türkischer Sklaverei verbracht und den Friedrich M. längst aus den Augen verloren hatte. Der alte Baron bringt ihn im Dorf unter und beschäftigt ihn noch als Boten.

Gegen September 1789 aber kommt er eines Abends nicht mehr nach Hause und wird auch trotz emsiger Suche nicht mehr aufgefunden. Erst zwei Wochen danach findet ihn der junge Brandis: Er hat sich in der Judenbuche erhängt. Man nimmt ihn ab, und an einer Narbe erkennt der Baron, dass "der da ... Friedrich Mergel" ist.

Die hebräische Inschrift an der Buche lautet:

„Wenn du dich diesem Orte näherst, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.”


Zusätze

  Die Welt, in die Friedrich Mergel hineinwächst:


Web-Links zum Reinschauen:


(cc) Klaus Dautel

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