Jurek Becker

Jurek Becker: Bronsteins Kinder (1986)



Die Handlung spielt

(7) Der Roman beginnt mit einem Rückblick vom Sommer 1974 auf den Sommer 1973: Der Ich-Erzähler Hans Bronstein ist nach dem Tod seines Vaters am 4. August 1973 Vollwaise. Jetzt ist das Trauerjahr fast abgelaufen, er wohnt noch bei der Familie seiner ehemaligen Freundin Martha Lepschitz, hat das väterliche Haus verkauft, das Abitur hinter sich und wartet nun auf den Beginn seines Philosophie-Studiums. Seine zehn Jahre ältere Schwester Elle lebt in der Irrenanstalt. Der Tod des Vaters, vor allem dessen Umstände, haben den jungen Mann aus dem Gleichgewicht gebracht, und er glaubt, um die Ereignisse vergessen zu können, sie zunächst einmal genau erinnern zu müssen.

(16) An einem Sonntag im Sommer 1973 möchte Hans (18) sich mit seiner Freundin Martha im väterlichen Sommerhäuschen, einer geräumigen Waldhütte treffen. Er hat einen Nachschlüssel, der Vater soll davon nichts wissen. In der Hütte findet er aber seinen Vater, dessen Kameraden Gordon Kwart und einen Unbekannten, die einem gefesselten, ebenfalls älteren Mann mit Gewalt ein Geständnis abzuzwingen versuchen. Er war Aufseher im Lager Neuengamme gewesen. Die drei Alten sind über Hans Erscheinen ratlos. Sie haben jetzt einen unerwünschten Mitwisser. Hans verlässt das Haus, um zu verhindern, dass Martha zufällig hereinkommt. Statt in das Haus gehen sie ins Kino.

(31) Am nächsten Tag steht noch eine Schwimmprüfung fürs Abi an. Hans kann nicht schlafen und denkt über die Entdeckung nach. In einem Lexikon hat er über das KZ Neuengamme nachgelesen. Was war in die Alten gefahren, seinen sonst nie zornigen Vater oder den langweiligen Orchestergeiger Kwart, dass sie nun glauben das Recht in ihre Hand nehmen zu müssen?

(40) Montag: Nach der Schwimmprüfung im Duschraum vergisst Hans die Badehose auszuziehen, einem Jungen, der ihn dreimal darauf aufmerksam macht, schlägt er plötzlich ins Gesicht, es kommt zum Tumult. Als er später, vom Lehrer dazu aufgefordert, sich beim Opfer entschuldigt, stellt sich öberraschendes heraus: Der Vorfall ist vom Lehrer damit erklärt worden, dass Hans Jude sei und deswegen empfindlich, was sein beschnittenes Glied angeht. Er ärgert sich, denn jetzt ist ihm eine Rolle zugewiesen worden, die er nicht haben will und mit deren Implikationen er sich nicht identifizieren kann: Die Rolle des Juden und damit Opfers, an dem etwas wiedergutzumachen ist.

(57) Besuch bei der Schwester: Direkt vom Schwimmbad aus fährt er zu seiner Schwester, in der Hoffnung, mit dieser die Sache besprechen zu können. Von einem neuen Arzt erfährt er, dass Elle gerade wieder eine Besucherin angegriffen habe, er selbst hat auch Kratzspuren am Hals. Elle steht noch unter den Einwirkungen der Beruhigungsspritze, als Hans zu ihr gelassen wird. Er hat ein sehr enges, respektvolles Verhältnis zu ihr, seiner großen Schwester, von ihr erhofft er - trotz allem - den entscheidenden Rat. Der aber bleibt aus.

(69) Montag: Am Abend dann das erste Gespräch mit dem Vater: Die beiden belauern sich wie Kontrahenten, es wird nicht offen gesprochen, Hans lügt und der Alte versucht ihn einzuschüchtern (Analyse des Gesprächs!). Wütend verlässt er das Haus. Einen Telefonanruf von Herrn Rotstein (der Fremde im Waldhaus) nimmt Hans zum Anlass, seinen Vater in seiner Stammkneipe aufzusuchen. Nach anfänglicher Feindseligkeit gibt es eine Annäherung. In einem Park kommt es zur Annäherung: Sie lebten in einem "minderwertigen Land" (80), dass der Aufseher in der DDR hart bestraft würde, sei reiner Zufall, woanders könne es anders ausgehen. Demgegenüber argumentiert Hans damit, dass niemand das Recht habe sich, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, dann verletze man doch Gesetze. Das beeindruckt den Vater nicht.


Beispiel einer Textanalyse (Klausuraufgabe)

(91) Dienstagmorgen, letzter Prüfungstag: Gleich nach der Prüfung fährt Hans zur Waldhütte. Der seit fünf Tagen gefesselte Mann heißt Arnold Heppner. Er sagt er werde geschlagen, am meisten von Hans Vater, er habe schon tausendmal bereut, und bietet Hans 6000 Mark für eine Befreiung an.

(107) Am Nachmittag geht er direkt zu Martha, diese präsentiert ihm stolz ein Drehbuch für einen Film , in dem sie eine hübsche Jüdin in einer Widerstandsorganisation spielen soll. Er ist nicht begeistert und wittert Unheil.

(121) Ein Brief von ELLE: Sie schreibt sehr Vernünftiges über Hans Charakter, aber auch Rätselhaftes über ein gestohlenes Bild.

(125) Vater kommt herein, liest den Brief und stellt fest, dass Elle ihm nie schreibe. Es ergibt sich ein zweites Gespräch zum Thema: Die Deutschen hätten keine öberzeugungen, deshalb hätten sie auch kein Recht, über solche Leute wie Heppner Recht zu sprechen.

(132) Hans besucht am Abend Gordon Kwart in der Hoffnung, mit ihm über die Sache sprechen zu können. Dieser aber, dessen Frau und Töchter vor Jahren nach Israel verschwunden sind, erweist sich als härterer Brocken als erwartet. Er war es gewesen, der hinter Heppners Vergangenheit gekommen war und ihn dann ins Häuschen gelockt hatte. Er lässt auch nicht mit sich reden.

(149) Freitag nach dem Frühstück: Er besucht "seinen Halbfreund" Ernst Klee und bittet um dessen Schreibmaschine für einen anonymen Brief. Er findet die Idee dann aber nicht mehr gut und geht. Dann erinnert er sich daran, dass der Vater von Gitta Seidel Rechtsanwalt sei. Er trifft sich mit ihr, diese jedoch ist empört, als sie sein wirkliches Anliegen hört.

(164) Berlin, Weltfestspiele der Jugend. Hans und Martha gehen im Getümmel der Gäste spazieren. Hans bringt es nicht fertig, ihr sein Problem zu offenbaren, obwohl sie schon längst gemerkt hat, dass seit dem Sonntag (fünf Tage) etwas nicht stimmt. Was war da in der Hütte geschehen?

(181) Kwart lädt Hans und seinen Vater zu einem Essen ein (DDR-Gastronomie), doch anstatt zur Klärung oder Versöhnung kommt es zu fortgesetzten Feindseligkeiten zwischen Vater und Sohn. Kwart kann nicht vermitteln und die Situation bleibt offen. Hans erfährt dabei, dass der Gefangene zu fliehen versucht hat, sich dabei jedoch einen Fuß verstauchte.

(191) Montag: Zweiter Brief von Elle mit dem Rat, sich nicht mehr um Vaters Angelegenheiten zu kümmern.

(195) Hans besucht Martha im Filmstudio und beobachtet die Dreharbeiten zu dem Film, in dem es um den Widerstand der Juden im Dritten Reich geht. Immer wieder muss er an Elles Brief denken, Er ist sich nun sicher, dass sein Vater von Hans Besuch bei Elle weiß und ihm dafür böse ist, denn er will Elle vor der Außenwelt verschonen.

(210) Nach den Dreharbeiten 'entführt' ihn Martha mit einem Taxi an einen See, wo ihr Onkel ein Motorboot hat, zu dem sie den Schlüssel erbettelt hat. Es gelingt Hans für ein paar Stunden, seine Probleme zu vergessen.

(218) Zuhause angekommen, kurz vor Mitternacht, belauscht er Vater, Kwart und Rotstein, wie sie sich auf Jiddisch Geschichten aus ihrer Vergangenheit erzählen. . Vater erzählt Elles Geschichte. Hans lässt das kalt.

(231) Mittwoch 31.Juli: Hans besucht Elle und macht ihr Vorwürfe, weil sie Vater alles erzählt hat, weil er so ratlos ist und weil Vater gesundheitlich am Ende zu sein scheint. Sie verweigert ihm aber den Rat, sie sprechen aneinander vorbei.

(240) Hans kehrt heim. Er stellt fest, wie verwahrlost inzwischen die Wohnung ist. Beim Aufräumen in Vaters Zimmer findet er Heppners Brieftasche (Jhg. 1907, sechs Jahre älter als Vater), die jedoch nichts Wichtiges enthält. Hans ist wütend über das Ausmaß der Unordnung, zertrümmert eine Tasse und legt ein Bild aus Heppners Brieftasche in Vaters Kiste mit Familienfotos. Vater kommt nach Hause. Er will wissen, ober er mit Elle wieder über den Fall gesprochen habe. Die Beziehung scheint nun voller Feindschaft, jeder ist schonungslos. Darüber macht sich jetzt Hans große Vorwürfe.

(246) Der Erste des Monats, Vater hat Hans Wirtschaftsgeld gegeben, dafür putzt er die Küche. Am Abend bei Martha im Zimmer unternimmt er einen weiteren halbherzigen Versuch, sie in sein Problem einzuweihen, sie werden jedoch mehrfach von Frau Lepschitz unterbrochen (Walter Ulbricht gestorben) und außerdem hört Martha nicht so recht zu. Eine gewisse Fremdheit ist spürbar.

(263) Mitten in der Nacht wird Hans vom Lärm seines Vaters geweckt. Er ist betrunken und versucht zu essen. In Vaters Zimmer kommt es zum Gespräch: Dies sei ein 'guter Tag', der Aufseher habe gestanden, Erschießungen 'gesehen' zu haben. Er habe ihnen gedroht, dass er an Herzschwäche sterben könnte, wenn er keine bestimmte Medizin bekäme. Sie hätten sich davon nicht beeindrucken lassen.

(271) Er bringt den Betrunkenen ins Bett und streift dann ziellos durch die von Weltfestspielgästen gefüllte Innenstadt. Er geht nach Köpenick, wo eine Nachtszene zu Marthas Film gedreht wird. Martha bringt ihn zu sich nach Hause, wo er seinen Rausch ausschläft und am Morgen davonschleicht.

(281) Elles dritter Brief: Er überschätze sie, wenn er Rat erwarte und er solle Vater nicht 'in den Arm fallen'.

(293) Am nächsten Tag kauft Hans zwei Feilen, um den Gefangenen zu befreien. Am Abend fährt er zur Waldhütte, tausend Gedanken gehen ihm, dem 'Zögerer' (295) dabei durch den Kopf. Er wartet im Wald die Nacht ab, geht dann zum Haus, dort brennt noch Licht. Im Zimmer findet er neben dem Bett des Gefangenen auf dem Boden seinen Vater tot daliegen. Er setzt ihn hin und fängt an zu feilen, schafft es aber nicht, bis er in Vaters Tasche den Schlüssel findet.


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