J. W. v. Goethe  Faust  I

Faust II

Faust II

Der erste Teil des Faust endet mit dem fehlgeschlagenen Versuch Fausts, Gretchen aus dem Kerker zu befreien, wo sie wegen Kindsmord angeklagt ihrer Hinrichtung harrt. Sie weigert sich mit ihm zu gehen und Faust muss unverrichteter Dinge verschwinden. Der "Zweite Teil" beginnt mit dem Tiefschlaf Fausts in einer "Anmutigen Gegend"!
Faust erlebt eine Katharsis. Ariel und der Chor machen ihn die Vergangenheit vergessen:

Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus. (4624/5)

Faust löst sich von seiner Vergangenheit, es ist dies jedoch kein naives Vergessen, sondern ein bewusst konstruiertes Vergessen. So erst kann das Neue entstehen und weiterentwickelt werden. Es wird die Bewusstseinsform geschaffen, die das Verstandnis für die Ablösung der alten Gesellschaftsform durch eine neue ermöglicht; die Bewusstseinsveränderung, die notwendigerweise Grundlage einer veränderten gesellschaftlichen Praxis und Existenz ist. Durch den Heilschlaf in der "Anmutigen Gegend" ist Faust ein anderer als er zuvor war. Faust ist nicht mehr das besondere Individuum aus dem ersten Teil, er ist vielmehr ein Mensch, der eine Abfolge neuer Bewusstseins-Stufen verkörpert.

Die Gestaltung der Szene "Anmutige Gegend" steht in der Tradition der griechischen Tragödie, bekannt als ''Locus amoenus". Der locus amoenus ist ein Ort, der sich durch eine bestimmte Standardausstattung auszeichnete: Rasen, Blumen, Bach und schattenspendende Bäume - ein Ort, der dazu dient, Erholung zu finden, Erneuerung vom Alten. Er hat tröstende Funktion von Liebesunglück, er ist eine Schrumpfform des Goldenen Zeitalters, des Paradieses.
Die Zeit wird aufgehoben. Die Unterbrechung der Zeit ist die Möglichkeit Kraft zu schöpfen, Neues zu beginnen, die Zeit in ihrer Veränderung wahrzunehmen, zu verstehen.

Akt I: Kaiserliche Pfalz

Der Kaiser ist in Nöten, das Reich bricht auseinander (siehe den Bericht des Kanzlers 151). Der alte Narr ist nicht mehr funktionsfähig, diese Stelle füllt nun Mephisto aus, er bietet dem Kaiser Hilfe an und verspricht Reichtümer. (154)

Mummenschanz
Am Hofe findet ein Karnevalsfest statt, an dessen Höhepunkt Faust auftritt, als Plutus, der Gott des Geldes, zusammen mit dem Knaben Lenker (als Allegorie der Poesie: Reich des Scheins). Letzterer wirft nun Schätze unter das Hofvolk, die Schätze jedoch verwandeln sich in glitzernde Seifenblasen und Funkensprühen (177/8). Ein allgemeines Chaos entsteht.

Lustgarten (185) .
Des Kaisers Sorgen werden durch Papiergeld gelöst (187), dabei weist Faust darauf hin, dass dieses Geld erst durch Arbeit gedeckt werden muss, soll es etwas wert sein, Mephisto dagegen lenkt ab, so dass sich diese Erkenntnis nicht durchzusetzen vermag.

Finstere Galerie (190)
Der Hof verlangt nach Unterhaltung, jetzt da alle Sorgen vertrieben scheinen, und verlangt von Faust, die Verkörperungen der Schönheit - Helena und Paris - zu beschwören. Faust ist ratlos, doch Mephisto weist ihm den Weg zu den 'Müttern', mit deren Hilfe er allein seine Zauberstücke vollführen kann.

Hell erleuchtete Säle (194)
Unterdessen wird Mephisto vom Hofvolk bedrängt, Wunder zu vollbringen. Er treibt seine alten Scherze.

Rittersaal (196)
Faust lässt Paris und Helena erscheinen und verliebt sich sofort in deren Erscheinung (199). Das Hofvolk bestaunt diese Erscheinung kritisch und kommentiert das Geschehen. (199). Als Paris Helena entführen will, greift Faust, von Eifersucht getrieben, in die Erscheinung ein und eine Explosion beendet das Schauspiel. Wieder entsteht Chaos und Mephisto muss Faust aus dem Getümmel retten.

Akt II. Enges Gotisches Zimmer (202) -

Wagner hat seit Faustens Verschwinden sich ins Laboratorium zurückgezogen um dort zu experimentieren (205) .

Der ehemalige Schüler aus Faust I tritt nun als Baccalaureus auf, der jetzt - als Stürmer und Dränger: Originalgenie - den Wissenschaftsbetrieb voll durchschaut.

Laboratorium
Wagner bastelt an einem Menschlein (Homunculus), der durch das Erscheinen des Mephisto tatsächlich entsteht (211), als körperloser Geist, der aber mehr weiß, als es anderen vergönnt ist. Er errät nämlich sogleich die heimlichen Gedanken des schlafenden Faust: Helena!
Homunculus, als lichter Geist, schlägt vor, sich zur klassischen Walpurgisnacht auf den Weg zu machen, denn dort finde Faust, was er sucht. Auf Mephistos Mantel gehts zu antiken Gestaden (Peneios), Wagner wird wieder einmal zurückgelassen.

Klassische Walpurgisnacht (215)
Die Fülle mythologischer Gestalten begeistert Faust (220). Er erkundigt sich nach Helena, die Sphinx verweist ihn auf den Centauren Chiron (226). Dieser erzählt ihm von Helena und Faust ist begierig, Genaueres zu erfahren. Chiron führt Faust zu Manto (eine antike Seherin), die mit ihm in das Schattenreich hinabsteigt (228).

Unterdessen sucht Homunculus "im besten Sinn (zu) entstehn" (238), dabei wird er vom Gespräch der Philosophen Thales und Anaxagoras angezogen, die sich über Weltentstehungstheorien unterhalten: Wasser oder Feuer, langsamer und steter Prozess oder Eruption und Explosion?. Homunculus schließt sich Thales an und sie gehen zu Nereus (dem Wassergreis) in die Felsbuchten des ägäischen Meeres. Dieser schickt sie wiederum zu Proteus, dem Meergott und Gott der Verwandlung (249): Der gibt den Rat, im Meere mit der Entstehung zu beginnen und damit die Evolution noch einmal von Anfang an zu durchlaufen. H. leuchtet das ein und er stürzt sich ins Meer, wo sein feuriges Licht mit der Lebensfeuchte sich vereint. Alle singen das Lob der vier Elemente.

Akt III: Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta (257)

Genannt Helena-Akt: Faust und Helena treffen sich zwar auf griechischem Boden, allerdings in der Zeit der Kreuzzüge, wodurch die Vereinigung von Antike und Mittelalter möglich wird.

Helena tritt auf, gefolgt vom Chor. Sie ist sich ihrer Bedeutung als mythologische Gestalt durchaus bewusst. Nach langer Zeit betritt sie wieder den königlichen Palast zu Sparta und entdeckt nur leere und verlassene Gänge. Dort stößt sie auf Phorkyas (ein dreifaches Gebilde mit drei Köpfen, einem Auge und einem Zahn, Töchter des Meergreises Phorkys, uralt und blitzwüst) - Mephisto. Diese hat in der Zwischenzeit das Haus gehütet und übergibt es nun an die alte Gebieterin. Phorkyas/Mephisto erörtert mit Helena sowohl deren mythologische Vergangenheit als auch deren 'Nachgeschichte'. Für ihn ist Helena keine Realität, sondern lediglich Mythos (schöner Schein, Abglanz ihrer Vergangenheit).

Innerer Burghof (276)
Inmitten mittelalterlicher Burgszenerie tritt Faust auf als Ritter, gefolgt von Knaben und Knappen. Er bringt als Gastgeschenk den gefesselten Türmer Lynkeus, der von Helenas Schönheit betört, ihre Ankunft nicht meldete. Helena begnadigt ihn sofort. Unter Lynkeus' Aufsicht wird nun der Burghof prachtvoll zum Thronsaale hergerichtet. Faust, in vollendeter Ritterlichkeit, wirbt um Helena, diese ist ihm und seinem nordländischen Zungenschlag durchaus geneigt (264). Sein Werben wird von Phorkyas unterbrochen, der den Anmarsch von Menelas Kriegszug meldet. (264) Sofort versammelt Faust den gesamten nordischen Adel um sich, um Helena zu beschützen, denn dadurch (sagt der Chor) verdiene er erst vollends die Gunst Helenas , dass er sie zu beschützen weiß. (286) Faust nun versetzt Helena in einen

Schattigen Hain (289) ,
in zeitlose arkadische Gefilde, um dort außerhalb aller geschichtlichen und geographischen Räume den Augenblick - mit Helena - zu genießen.

Der Chor berichtet von der wundersamen Geburt eines Kindes, das schon vollendet das Licht der Welt erblickt, es ist Euphorion, der auch sofort erscheint (293): Vor den Augen der glücklichen Eltern entfaltet sich nun dessen jugendlicher Übermut, alle Warnungen und Grenzen missachtend springt er immer höher felsauf (296), will fliegen und stürzt ab. Helena, in der Einsicht, dass Glück und Schönheit dauerhaft nicht sich vereinen können, verabschiedet sich von Faust und löst sich auf (300).

Euphorion ist der Sohn Helenas, ein Abglanz ihrer Schönbeit, und der Sohn Fausts: Die immer strebende, sich emporreckende Seele. Sein Sturz verkörpert die Unmöglichkeit der Vereinigung von Antike und Mittelalter in der modernen d.h. romantischen Poesie. Der Versuch, klassische Schönheit und bedingungsloses Streben in Einklang zu bringen, ist zum Scheitern verurteilt.

Akt IV: Hochgebirg usw.

Faust und Mephisto schalten sich in die Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und einem Gegenkaiser ein und führen den Sieg des Kaisers herbei, wofür Faust sich ein Stück nackter Meeresküste als Belohnung erwirkt.

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(cc) Klaus Dautel, 2001-10

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