Die Französische Revolution

Copyright des Textes: Dr. Christoph Bühler, Heidelberg

Das vorrevolutionäre Frankreich Von den Generalständen zur Revolution Die Herrschaft der Nationalversammlung Die Diktatur der Jakobiner - Die Schreckensherrschaft Die bleibenden Errungenschaften der Revolution Probleme und Schwierigkeiten der Revolution

Zeittafel

C. Die Herrschaft der Nationalversammlung

1. Die Gesetzgebende Nationalversammlung

Die vereitelte Flucht des Königs hatte deutlich gemacht, daß mit ihm keine durchgreifende Änderung der bestehenden Verhältnisse zu erreichen war. Das massive Drohen eines aristokratisch-royalistischen Komplotts, verbunden mit der Gefahr einer ausländischen Intervention (Erklärung von Pillnitz, 27.8.1791) heizte die Volksstimmung sowohl gegen die Monarchie als auch gegen die gemäßigten Befürworter einer konstitutionellen Monarchie auf. In der Diskussion um den Fortbestand der Monarchie brach die "patriotische Partei" des Bürgertums in einen gemäßigten und einen radikalen Flügel auseinander (konservative Jakobiner = Feuillants, radikale Demokraten = Jakobiner - im neueren Sinn -).

Das neue Parlament, das sich Gesetzgebende Nationalversammlung (Assemblée nationale legislative) nannte, bestand aus folgenden Gruppierungen:

- 264 Abgeordnete, die weiterhin dem Prinzip der liberalen, konstitutionellen Monarchie, aber auch dem der Vorherrschaft der Bourgeoisie folgten und dem Club der Feuillants nahestanden;

- 136 "Linke", die dem Jakobinerclub nahestanden, unter ihnen auch Deputierte des Departements Gironde, die die Politik der Fraktion prägten (daher der Name "Girondisten") - gleichfalls der Bourgeoisie angehörig, aber mit demokratischeren und republikanischeren Gedanken als die Feuillants - nach dem Pariser Journalisten Brissot "Brissotins" genannt;

- zwischen beiden Gruppen stand die der Unabhängigen oder "Konstitutionalisten" mit 345 Abgeordneten, die wie die beiden anderen auf der Seite der Revolution und des Bürgertums stand, aber die Politik nicht wesentlich beeinflußte;

- schließlich auf der "äußersten Linken" Befürworter des allgemeinen Wahlrechts, ohne politischen Einfluß in der Nationalversammlung, dafür um so mehr in den Clubs und Sektionen.

Dem demokratischen Selbstverständnis der Revolution entsprach es, daß eine Wiederwahl der bisherigen Abgeordneten ausgeschlossen war, die neue Gesetzgebende Versammlung stand also in keiner personellen Kontinuität mit der alten Verfassunggebenden Nationalversammlung.

Für das politische Leben in der Hauptstadt wurden die Clubs immer wichtiger. Hier trafen sich die politisch Interessierten und die Abgeordneten. Ein wichtiger Grund für die zunehmende Radikalisierung des Jakobinerclubs könnte in dem geringeren Beitrag liegen, der es Kleinbürgern und Handwerkern ermöglichte, an den Sitzungen teilzunehmen. Die 48 Pariser Sektionen, Wahlkreisen vergleichbar, trafen sich regelmäßig zu Vollversammlungen, um die politischen Geschehnisse mitzuverfolgen und zu diskutieren. Sektionen und Clubs konnten damit von außen einen nicht geringen Einfluß auf die Nationalversammlung ausüben, zumal der größere Teil der Abgeordneten ohne festumrissenes Programm war.

2. Der Beginn der Revolutionskriege

Vor allem die Girondisten betrieben den Revolutionskrieg als Mittel sowohl zur Ablenkung von den inneren Schwierigkeiten als auch zur Einigung der Nation. Sie wurden nur zu bereitwillig vom König unterstützt, der in einem Krieg Frankreichs gegen das die Emigranten unterstützende Ausland - vor allem gegen Österreich als den Hort der Reaktion - ein wesentliches Mittel zur Schwächung der Revolution und zur Wiedererrichtung seiner alten Macht sah. Der Kriegserklärung vom 20. April 1792 an den "König von Böhmen und Ungarn" (also nicht an das Deutsche Reich) folgten bald die ersten französischen Niederlagen und Rückzüge. Die Stimmung in den Sektionen richtete sich mehr und mehr gegen den König, dessen Doppelspiel durchschaut wurde.

3. Der Aufstand vom 10. August

Als Befehlshaber der österreichischen Truppen richtete der Herzog von Braunschweig ein von Emigranten verfaßtes "Manifest" an die Bevölkerung von Paris (am 1. August bekanntgeworden), in dem in drohendem Ton blutige Vergeltung angedroht wurde, falls die Königsfamilie Schaden erlitte. Gleichzeitig wurde der Druck der Sektionen, die eine Abschaffung des Königtums forderten, auf die Gesetzgebende Versammlung immer stärker. Da die Girondisten aber weiterhin mit dem König zu einer Einigung zu kommen suchten, setzten die Sektionen ihre Ziele im Aufstand vom 10. August 1792 durch: die bisherige Stadtverwaltung wurde durch eine neue, von den Sektionen bestimmte ersetzt, das Volk stürmte die Tuilerien, der König begab sich in den Schutz der Gesetzgebenden Versammlung. Die setzte ihn zwar noch nicht ab, enthob ihn aber vorläufig seines Amtes.

Im Aufstand vom 10. August zeigte sich sowohl die Unfähigkeit der Feuillants, deren mäßigender Einfluß auf die Revolution gescheitert war, als auch der Girondisten, die zu lange mit dem Königtum zu einer Einigung kommen wollten. Sieger blieben die Sektionen und die von ihr berufene revolutionäre Kommune. Sie setzten auch die Auflösung der Gesetzgebenden Versammlung und die Ausschreibung von Neuwahlen nach allgemeinem und gleichem Wahlrecht durch.

Der preußische Vormarsch auf die Hauptstadt kostete in einem Akt revolutionärer Rache in Paris 1100 politischen Gefangenen das Leben, der Vormarsch selbst kam während eines strategisch unbedeutenden Geplänkels vor Valmy zum Stillstand ("Kanonade" von Valmy, 20. September -siehe Goethes Darstellung in "Campagne in Frankreich" unterm 19. September) - das alte System hatte seine Schwäche und innere Zerrüttung, das neue seine Stärke, die auf der Erhebung des ganzen Volkes beruhte, bewiesen.

Zentrum der Macht wurde, je mehr die Gesetzgebende Versammlung mit ihren eigenen, inneren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, die aus 277 Vertretern der Sektionen bestehende Commune, die sich als "eigentliche" Vertretung der revolutionären Volksmassen empfand.

4. Der Prozeß gegen Ludwig XVI. und der Machtkampf zwischen Gironde und Montagne

Die Neuwahlen im Sommer 1792 brachten noch der gemäßigten Gironde eine klare Mehrheit, die radikalen Demokraten, nach ihren Sitzen auf den oberen Rängen "Montagne" (Berg) genannt, blieben in der Minderheit. Sie vertraten hauptsächlich das Volk von Paris und mußten sich, um ihren Einfluß geltend zu machen, vor allem auf die Pariser Commune und die Jakobinerclubs stützen. Zwischen beiden Gruppierungen standen - wie bereits in der Gesetzgebenden Versammlung - die Unentschlossenen, verächtlich "Marais" (Sumpf) genannt. Zum führenden Kopf stieg Danton auf, der zunächst innerhalb der von der Gironde gebildeten Regierung das Justizministerium übernahm, zugleich aber das Vertrauen der Commune besaß. Seine Gegenspieler waren Robespierre und Marat, die eine radikale Gleichheitstheorie verfochten.

Die neu zusammengetretene Versammlung nannte sich Nationalkonvent, sie erklärte in ihrer ersten Sitzung am Tag nach der Kanonade von Valmy, dem 21. September 1792, das Königtum für abgeschafft und Frankreich zur Republik.

Wesentlicher Punkt der Auseinandersetzung war im Herbst 1792 der Prozeß gegen Ludwig XVI. Die Gironde versuchte, die Verurteilung hinauszuzögern, wenn nicht abzuwenden, während Sansculotten und Jakobiner in der Verurteilung und Hinrichtung des Königs die notwendige logische Konsequenz aus der "Revolution" vom 10. August sahen. Mit 387 gegen 334 Stimmen wurde am 15. und 16. Januar 1793 das Todesurteil gefällt und am 21. Januar vollstreckt.

Das Verhalten der Gironde im Prozeß brachte einen großen Teil des Marais auf die Seite der Montagne und der Jakobiner, bei denen sich die Auffassung durchsetzte, daß die wachsenden Schwierigkeiten nur durch die Errichtung einer radikalen Republik gemeistert werden könnten. Der Machtkampf zwischen beiden Parteien spitzte sich unter dem Einfluß der wirtschaftlichen Lage, des ausbrechenden Bürgerkrieges (vor allem in der Vendee von unzufriedenen Bauern geführt) und einer Reihe militärischer Niederlagen weiter zu.

Die Sansculotten als Wortführer der Pariser Massen forderten dirigistische staatliche Maßnahmen, um die Not der Armen zu lindern (Preisstop, Fest- und Höchstpreise -Maxima -, Beschlagnahme von Getreidevorräten etc.). Unter diesem Druck mußte auch die Montagne Höchstpreise für Getreide und Mehl durchsetzen (Mai 1793). Organe der Montagne (und der Sansculotten) im Kampf um die Ziele der Revolution wurden das Revolutionstribunal des Konvents (ein vom Konvent errichteter Sondergerichtshof) und der am 6. April erstmals errichtete Wohlfahrtsausschuß zur Kontrolle der Ministerien. Die Montagne hatte damit zwei Instrumente in der Hand, um mißliebige politische Gegner, hauptsächlich auf der Seite der Gironde, auszuschalten.

Die Gegnerschaft sowohl der Montagne als auch der Sansculotten gegen die Gironde, die in den Provinzen offen die Konterrevolution betrieb (vor allem in Bordeaux und in Lyon), äußerte sich schließlich in einem organisierten Aufstand der Jakobiner. Zusammen mit den Sansculotten versuchten sie erstmals am 31. Mai, dann endgültig am 2. Juni 1793, die Gironde zu entmachten: Der Konvent wurde von Nationalgardisten umstellt, 29 Abgeordnete der Gironde und zwei ihrer Minister wurden verhaftet. Die Montagne hatte damit den Sieg über die gemäßigte Gironde errungen. Als nächstes stellte sich ihr allerdings das Problem, die Hoffnungen der Sansculotten auf eine soziale Demokratie herunterzuschrauben, ohne sie zu verprellen oder gar wieder in die Arme der Gironde zu treiben.

Der Widerstand der Gironde-Anhänger in der Provinz ging zusammen mit einem mehr oder weniger offenen Vortreten der aristokratischen Reaktion. Er äußerte sich im Sommer 1793 in Aufständen gegen die Pariser Zentralregierung, wurde aber von Truppen des Konvents niedergeschlagen. Zur selben Zeit wurden die wichtigsten Führer der Montagne Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, der immer mehr zum wichtigsten Machtorgan wurde und dessen Führung Robespierre übernahm.


Dieser Text erschien in: Abitur-Training Grundkurs Geschichte 1. 1. Aufl. 1989, Stark-Verlag, Freising, und wurde in der Neuauflage des Bandes nach der Revision des Baden-Württembergischen Lehrplans nicht mehr abgedruckt.

Der Text unterliegt in allen Teilen dem Schutz des Urheberrechts. Seine Verwendung zum ausschließlichen privaten Gebrauch und zur privaten Information ist frei (sonst stünde er nicht hier). Wenn Sie ihn darüber hinausgehend  verwenden wollen, bitte ich Sie,  meine ausdrückliche Zustimmung einzuholen.


zurück zur Übersicht

Impressum · Datenschutz