Die Französische Revolution

Copyright des Textes: Dr. Christoph Bühler, Heidelberg

Das vorrevolutionäre Frankreich Von den Generalständen zur Revolution Die Herrschaft der Nationalversammlung Die Diktatur der Jakobiner - Die Schreckensherrschaft Die bleibenden Errungenschaften der Revolution Probleme und Schwierigkeiten der Revolution

Zeittafel

B. Von den Generalständen zur Revolution

1. Die Formierung der Nationalversammlung (Constituante)

Von den 291 Mitgliedern des Klerus in den Generalständen zählten über 200 zur "patriotischen Partei", die umfassenden Reformen aufgeschlossen gegenüber stand. Auch Träger hoher und höchster kirchlicher Würden waren darunter.

In der Gruppe des Adels dominierten allerdings die konservativen, auf Erhaltung ihrer Privilegien bedachten "Aristokraten". Zu ihnen gehörten von den 270 Abgeordneten 180, darunter durchaus auch Angehörige des "neuen" Amts- und des Niederen Adels. Die restlichen 90 Abgeordneten, meist zum Stand der adligen Großgrundherren zählend, gehörten zur "patriotischen Partei".

Unter der 578 Mitglieder starken Gruppe des Dritten Standes befanden sich weder Bauern noch Handwerker, sondern ausschließlich Mitglieder des Großbürgertums; es liegt im Wesen der Sache, daß sie durchweg Reformen forderten.

Die Frage des Abstimmungsmodus nach Ständen oder nach Köpfen war aufgrund dieser Kräfteverhältnisse zu einer Überlebensfrage des Ancien Régime geworden, da nur in der geschlossenen Abstimmung nach Ständen der Adel (der den Klerus politisch führte und in der Frage der Privilegien auf ihn zählen konnte) seine Überlegenheit ausspielen konnte.

Weder die Eröffnungssitzung der Generalstände am 5. Mai 1789 noch die folgenden Wochen brachten eine Entscheidung in der Frage des Abstimmungsmodus, Königtum und Adel taktierten hinhaltend. Da der Adel die Forderung des Dritten Standes, die Legitimation der Abgeordneten gemeinsam zu prüfen, kategorisch ablehnte, erklärten sich die Abgeordneten des Dritten Standes schließlich in der "Erklärung über die Konstituierung der Versammlung" vom 17. Juni selbst zur "Nationalversammlung" und nahmen das Recht, Steuern zu genehmigen, für sich in Anspruch. Auf die Entscheidung des Klerus für gemeinsame Beratungen mit dem Dritten Stand hin (19. Juni) war das Königtum in die Defensive gedrängt und versuchte, durch eine Schließung des Versammlungsraums die gemeinsame Sitzung wenn nicht zu verhindern, so doch aufzuschieben. Die Abgeordneten tagten indessen in einem nebenan gelegenen Raum, dem Ballhaus (Jeu du Paume = Ballspiel). Durch den Affront des Königs in ihrem Selbstverständnis verletzt, erklärten sie, sich niemals zu trennen und sich überall zu versammeln, wo es die Umstände erfordern sollten, bis die Verfassung errichtet sei (Ballhausschwur vom 20. Juni).

In der Thronsitzung vom 23. Juni wollte Ludwig XVI. die alten Beschlüsse über getrennte Sitzungen durchsetzen und die Beschlüsse des Dritten Standes für nichtig erklären. Auf sein Gebot zur Auflösung der Versammlung indessen bekräftigten die Abgeordneten des Dritten Standes ihren Beschluß vom 20. Juni und traten damit in offenen Gegensatz zum König (vgl. Heinrich von Kleists Aufsatz Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden über die Rolle Mirabeaus). Die realen Machtverhältnisse zwangen den König jedoch, am 27. Juni Adel und Klerus, soweit sie sich noch nicht mit dem Dritten Stand solidarisiert hatten, den Beitritt zur Nationalversammlung zu empfehlen.

Nachdem der König sich mit der Ausarbeitung einer Verfassung einverstanden erklärt hatte, konnte die staatsrechtliche Revolution als abgeschlossen betrachtet werden. Der Dritte Stand hatte den Kampf um die Anerkennung als gesetzgebende Körperschaft gewonnen. Die Ergebnisse dieser Entwicklung waren:

- Das Königtum hatte den Weg des starren Festhaltens an der alten Ordnung verlassen und sich (notgedrungen) Konzessionen mit dem Dritten Stand zugewandt;

- die aus der Versammlung des Dritten Standes hervorgegangene Nationalversammlung erklärte sich am 9. Juli zur "Verfassunggebenden Nationalversammlung" und verwies damit den König in die Rolle eines Amtsträgers, der unter der Souveränität des Volkes stand;

- die alte Ständegliederung war - zumindest verfassungsrechtlich - aufgehoben zugunsten der einheitlichen Organisation in der Nationalversammlung, die politisch unter dem Einfluß des Dritten Standes stand;

- die alten Differenzen (Privilegien etc.) waren noch nicht ausgeräumt, mußten also mit oder ohne Kompromisse mit dem Ersten und Zweiten Stand bereinigt werden.

2. Der Druck der Massen

In der Hauptstadt hatten sich bereits während der Vorbereitung zur Wahl der Generalstände politische Clubs gebildet, die auch über die Wahl hinaus bestehen blieben. Lebensmittelknappheit und Teuerung trugen im Sommer 1789 erheblich zur Mobilisierung der Massen in Paris und auf dem Lande bei. Truppenbewegungen, die Entlassung des liberalen Ministers Necker und die Berufung eines erklärten Feindes der Revolution an dessen Stelle ließen einen Gegenschlag gegen die Revolution befürchten; es kam zu Unruhen in Paris und zur Bildung einer revolutionären Stadtverwaltung (Commune, 12. Juli) durch das Wahlmännerkollegium, d.h. durch die Gruppe, die, von den Urwählern gewählt, ihrerseits die Abgeordneten bestimmt hatten. Sie konnten sich also insofern auf einen "demokratischen" Auftrag stützen. Bereits am folgenden Tag (13. Juli) wurde die Bürgermiliz gegründet. Um diese Bürgermiliz, die sowohl ein Schutz gegen die königlichen Truppen als auch gegen Übergriffe aus dem Volk von Paris selbst sein sollte, mit Waffen auszustatten, stürmte die Masse zunächst das Invalidenhaus, dann die schwach besetzte Bastille (14. Juli), letztere ohne nennenswerte Gegenwehr. Dennoch wurde in der Folgezeit der Sturm auf die Bastille zum Symbol der Revolution und des Sieges über das Ancien Régime hochstilisiert.

Ludwig XVI. gab, um Zeit zu gewinnen, zunächst einmal nach. Er erkannte die Pariser Stadtverwaltung (Commune) unter dem Abgeordneten Bailly und die Bürgerwehr, später Nationalgarde genannt, unter La Fayette an; daß er am 17. Juli selbst nach Paris kam, wurde von der Aristokratie als Unterwerfung und Demütigung unter die Revolution ausgelegt. Mit diesem Tag begann die Auswanderung des französischen Adels. Die Pariser Bourgeoisie indessen hatte zunächst einen vollständigen Sieg davongetragen.

Während sich in den Provinzstädten Bürgerwehren und revolutionäre Stadtverwaltungen bildeten, die die alte königliche Verwaltung ablösten, griff auf dem Land die Unzufriedenheit, bedingt durch allgemeine Unruhe und die Verschärfung der Versorgungskrise, um sich. Gerüchte über eine drohende Konterrevolution des Adels führten zur allgemeinen Panik, in der sich die Bauern bewaffneten (La Grande Peur, die Große Furcht). Der daraufhin ausbrechende Aufstand ließ Schlösser, Herrensitze und Klöster in Flammen aufgehen, Archive über die verhaßten Feudallasten wurden vernichtet.

Die Nationalversammlung in Versailles wurde in diesen Unruhen unter Zugzwang gesetzt; um eine Ausweitung der Übergriffe zu verhindern, erklärte sie in der Nacht vom 4. auf den 5. August 1789 alle Feudallasten und Steuerprivilegien für abgeschafft. Standesunterschiede infolge verschiedener Privilegierungen wurden zugunsten der Rechtsgleichheit der französischen Staatsbürger aufgehoben, grundherrliche Sonderrechte (aus Besitz an ... Sachen und Menschen) oder Sonder- und Zwangsgerichtsbarkeiten konnten durch Loskauf abgelöst werden.

Die am 26. August verkündeten Menschen- und Bürgerrechte stehen in der Tradition sowohl von Aufklärung und Naturrecht als auch der amerikanischen Verfassung. Sie bildeten zusammen mit der Abschaffung der Feudallasten den ersten Ansatz der Nationalversammlung, dem Königreich eine Verfassung zu geben. Besonders die Menschen- und Bürgerrechte wurden als integrierter Bestandteil 1791 in die Verfassung übernommen.

Das Veto des Königs gegen die August-Beschlüsse traf zusammen mit dem Fortdauern der Versorgungsschwierigkeiten in der Hauptstadt. Das Volk von Paris, voran die Marktfrauen, marschierte nach Versailles, drang in die Nationalversammlung ein und zwang sowohl diese als auch den König, nach Paris überzusiedeln. Die Nationalversammlung war damit dem fortdauernden revolutionären Druck sowohl der Commune, der Stadtverwaltung, als auch des radikalisierten Volkes ausgesetzt. Hier waren es vor allem wieder die politischen Clubs, die in dieser Phase der beginnenden Radikalisierung als treibende Kraft wirkten (Club des Jacobins, Club des Cordeliers).

3. Die Verfassung von 1791

Die Verabschiedung der Verfassung von 1791 stand bereits unter dem Zeichen der sich verschärfenden Auseinandersetzung mit dem Königtum. Vorausgegangen war im Juni 1791 der Fluchtversuch Ludwigs XVI., der in Varennes durch seine Entdeckung scheiterte. Gründe für diese Flucht waren einmal seine prinzipielle Gegnerschaft gegen das Reformwerk der Revolution und gegen die Kirchenpolitik der Nationalversammlung, dann seine Position unter dem Druck der Pariser Volksmassen, schließlich die Hoffnung, durch Intervention von außen die alten Verhältnisse wiederherstellen zu können. Die königliche Familie indessen wurde von Varennes im Triumphzug nach Paris zurückgeführt und stand fortan unter Bewachung in den Tuilerien. Folge des Fluchtversuches war ein großer Verlust an Vertrauen und Ansehen bei der Bevölkerung und damit eine entscheidende Schwächung des monarchischen Gedankens.

Die Verfassung vom September 1791 gliederte Frankreich in 83 Departements, die alten, historisch gewachsenen Provinzen wurden aufgelöst. Die neuen Verwaltungseinheiten verwalteten sich ebenso wie Städte und Gemeinden selbst, alle Amtsträger wurden direkt gewählt.

Exekutive, Legislative und Justiz waren streng voneinander getrennt, der Einfluß der Königs war erheblich zurückgedrängt, wo er noch ein Vetorecht hatte, schob es Beschlüsse nur auf. Das politische Gewicht lag bei der Nationalversammlung, deren Zusammensetzung aufgrund des Zensuswahlrechts die Interessen der Bourgeoisie widerspiegelt: Es gab nur 60% der männlichen Bevölkerung das aktive Wahlrecht (Aktivbürger) und schloß vor allem Arbeiter und Bedienstete aus, das passive Wahlrecht war an eine noch höhere Steuersumme gebunden. Nur 50000 Bürger erreichten diese Qualifikation, aus ihrer Mitte wurde das Wahlmännerkollegium gewählt, das seinerseits die Deputierten in die Nationalversammlung entsandte. Vergebens versuchte die demokratisch-republikanische Minderheit nachzuweisen, daß nur das allgemeine Wahlrecht der Zusicherung der persönlichen Freiheit für den einzelnen in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte entsprechen würde.

Ludwig XVI. schwor am 14. September den Eid auf die neue Verfassung, die Frankreich in eine konstitutionelle Monarchie umwandeln sollte. Die Chancen der Monarchie waren jedoch bereits vorher verspielt - ob durch die Unvereinbarkeit der Prinzipien oder durch die Selbst-Diskreditierung des Königtums, sei dahingestellt.


Dieser Text erschien in: Abitur-Training Grundkurs Geschichte 1. 1. Aufl. 1989, Stark-Verlag, Freising, und wurde in der Neuauflage des Bandes nach der Revision des Baden-Württembergischen Lehrplans nicht mehr abgedruckt.

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