Die Ratten. Tragikomödie

Akt I

Dachgeschoss eines Mietshauses, eine ehemalige Kavalleriekaserne. In diesem zweistöckigen Dachgeschoss befindet sich der Theaterfundus des ehemaligen Straßburger Theaterdirektors Harro Hassenreuter, der zur Zeit ohne Anstellung ist und sich und seine Familie mit Kostümverleih und Schauspielunterricht zu ernähren versucht.
Die Örtlichkeit wird vom Autor Hauptmann sehr genau beschrieben (siehe Theater-Theorie des Naturalismus: "Ästhetischer Illusionismus"). Es ist ein Sonntag Nachmittag im Mai.

Frau John, Ehefrau des Maurerpoliers John, Mitte 30 und Putzfrau in Hassenreuters Fundus, hat eine heimliche Unterredung mit dem Dienstmädchen Piperkarcka auf dem Dachboden. Die Piperkarcka ist hochschwanger, der Freund ist davongelaufen und hat sie in ihrer Not sitzen lassen, so dass sie sehr verzweifelt ist und einmal sich selber, dann ihren Freund umbringen will. Die John möchte ihr das Kind abhandeln, denn ihr eigenes Kind ist gleich nach der Geburt gestorben (and der "Bräune"). Die Piperkarcka scheint das Angebot der John gar nicht richtig zu begreifen, dazu ist sie zu verzweifelt und auch ein bisschen einfältig.

Gleichzeitig treibt sich der 19-jährige Bruno Mechelke auf dem Dachboden herum, er soll Mausefallen aufstellen. Er ist Frau Johns Bruder, ein primitiver, etwas zurückgebliebener Mensch und ihr Sorgenkind. Für die Piperkarcka ist dessen brutale Erscheinung furchteinflößend.

Jemand kommt die Treppe herauf, Frau John versteckt das Dienstmädchen hinter einer Tür und schickt den missratenen Bruder auf den Dachboden (siehe Bühnenaufbau).

Es erscheint die 16-jährige Walburga Hassenreuter, des Theaterdirektors hübsche Tochter. Sie erschrickt, als sie Frau John sieht, denn sie wollte sich eigentlich mit dem jungen Herrn Spitta, dem Hauslehrer der Familie Hassenreuter treffen.

Wieder hört man jemanden kommen, die Frauen verziehen sich auf den Dachboden. Eintritt Herr Hassenreuter (50) mit dem Hofschauspieler Jettel, der Kostüme ausleihen will. Aber H. ist heute zu stolz um sich zum Kostümverleiher zu erniedrigen, so dass Jettel im Zorn abgeht, gerade zur rechten Zeit, denn nun kommt die erwartete Alice Rüttersbusch, eine elegante junge Dame, auf den Dachboden zum Stelldichein. Sie war in Straßburg Hassenreuters Schülerin und wohl auch Geliebte.

Man erfährt, dass H. bald wieder Theaterdirektor in Straßburg werden wird, doch nun klingelt erneut die Türschelle und Herr Spitta (20) kommt zum Stelldichein mit Hassenreuters Tochter. Da nun aber diese nicht das ist, sondern nur der Vater, trägt er diesem gleich sein Herzensaliegen vor: Er will Schauspieler werden. Hassenreuter hält das für unmöglich (wegen dessen schlechter Figur und schwacher Stimme), er solle besser Pastor werden wie sein Vater. Spitta aber beharrt darauf, dass im Theater nicht bloß die Goethisch-Schillerisch-Weimarische "Unnatur" erscheint, sondern gerade solche "Käuze" wie er.

Hassenreuter lässt sich auf diese Diskussion nicht ein, sondern befördert Spitta zur Tür hinaus um sich dann - in dem "Bibliothek" genannten Dachgemach dem Rendezvous mit Alice R. zu widmen. Tochter Walburga bleibt dies nicht verborgen, schließlich sind ja noch alle anderen auf dem Dachboden.

EXPOSITION
WO?
  • Was wissen Sie über Berlin um 1900 ("jenes ungeheure Lebe- und Sterbewesen", G. Hauptmann)?
  • Was fällt Ihnen zum Begriff "Mietskaserne" ein?
WANN? Schlagen Sie nach:
  • "Wilhelminismus"
  • "Gründerzeit"
  • Wo lebte Hauptmann in den Jahren 1885-88?
WER verkehrt dort, aus welchen Milieus und sozialen Schichten? Charakterisieren Sie:

Frau JohnPiperkarckaHassenreuterSpitta
SPRACHE und Sprachmilieus?
    Funktionen des Dialektes

  • Charakterisierung des Sprechers
    a. bezeichnet die regionale Herkunft des Sprechers: Berlin als Schmelztiegel von Menschen unterschiedlichster Herkunft
    b. lässt Schlüsse auf die soziale Stellung und den Bildungsstand des Sprechers zu: Zumindest zur Handlungszeit des Dramas dürfte Dialekt-Sprechen auf geringere Schulbildung hinweisen

  • Dramaturgische Absichten
    c) Ausdruck von sprachlicher Spontaneität und Gefühlsechtheit: Keine künstliche Bühnensprache, sondern Sprache der einfachen Leute
    d) Element von Komik: Dient zur Erheiterung des Publikums

  • Vergleiche damit die Sprache von Hassenreuter, Spitta und auch der Knobbe: Sie sind gebildete Leute oder doch solche, welche sich dafür halten und mittels gezierter Sprache sich von der Unterschicht distanzieren wollen (Knobbe)
    Dadurch wird zuweilen zwar auch eine komische Wirkung erzielt, dann aber durch das Stil-Mittel der Übertreibung.
    Demgegenüber übertreiben Dialektsprecher nicht, sondern sind in ihrer Sprache ganz sie selbst, also authentisch: Humorvoll, spontan oder auch sehr emotional.
Welche KONFLIKT-POTENZIALE kündigen sich im ersten Akt an:
  • Kinderkauf, Ausbeutung einer Notlage (John/Piperkarcka)
  • Schwieriges Schwester-Bruder-Verhältnis (John, Bruno)
  • Tochter hat einen heimlichen Verehrer (Walburga, Hassenreuter, Spitta)
  • Tochter entdeckt ihren Vater als untreuen Ehegatten (Hassenreuter, Walburga, Alice R.)
  • gegensätzliche Ansichten vom Sinn des Theaters (Hassenreuter/Spitta)

Zentrale für Unterrichtsmedien (ZUM e.V.) - (cc) Klaus Dautel

Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.
Dautels ZUM-Materialien: Google-Fuss

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