12. Bild: Die Stunde des Inquisitors
Der PapstIm Gemach des Vatikans hat Papst Urban VIII. (vormals Kardinal Barberini) den Inquisitor empfangen. Urban wird gerade in sein päpstliches Präsentations-Gewand gekleidet, vor der Türe hasten Kirchenmänner aller Ränge und Orden geschäftig durch die Gänge, eine Versammlung höchster kirchlicher Würdenträger steht bevor. Den Papst stören die von außen eindringenden Geräusche zunehmend, gleichzeitig redet der Inquisitor immer eindringlicher auf ihn ein, so dass Urban gleichsam von zwei Seiten in die Enge getrieben wird: Von der Argumentation des Inquisitors und dem Erwartungsdruck der sich versammelnden Kirchenvertreter. In Verlaufe dieser Szene verwandelt sich der Papst vom wissenschaftlich differenzierenden Individuum zum Vertreter der kirchlichen Macht. Seine persönlichen Überzeugungen treten hinter das politische Kalkül zurück. Der Prozess der Einkleidung begleitet diesen Vorgang symbolisch: Die Einkleidung ist zugleich auch eine Verkleidung, eine Maskierung des Menschen Barberini.
Der Inquisitor verlangt sofortiges und deutliches Einschreiten gegen Galilei und seinesgleichen:
- Von diesen Leuten werde der "Geist der Auflehnung" gesät; unter dem Vorwand wissenschaftlicher Objektivität schleiche sich der Zweifel an allem in alle Lebensbereiche ein.
- Gerade jetzt, in einer schwierigen politischen Lage, angesichts außenpolitischer Wirren und blutiger Glaubenskriege in Deutschland müsse der Papst diese "Würmer von Mathematikern" in die Schranken weisen.
- Das verlange vor allem gegen das "böse Beispiel dieses Florentiners" (106) vorzugehen, denn dieser "Wahnsinnige" erkläre die Vernunft für die "einzige Instanz". Was aber wäre, wenn der Mensch, "schwach im Fleisch und zu jedem Exzesse geneigt", mehr auf Maschinen bauend als auf Gott vertrauend, nicht mehr das Oben und das Unten akzeptiere?
- Und schließlich: In seinem neuen Buch habe Galilei sich nicht an die 1616 getroffenen Vereinbarungen gehalten, indem er den Standpunkt der Kirche zwar zu Wort kommen ließe, jedoch aus dem Munde eines nicht ernst zu nehmenden "dummen Menschen" (108).
Die Argumentation des Inquisitors zielt direkt auf die Person Galileis. Während Papst Urban in Galilei den genialen Wissenschaftler sieht und diesem die Rechte und Privilegien zugesteht, die ein hervorragender Geist benötigt, so lässt der Inquisitor sich auf diese Argumentationsebene erst gar nicht ein, sondern stellt Galilei als moralisch gefährliches Individuum, als berechnenden Aufrührer und "schlechten Menschen" dar, der "weiß, was er tut" (107).
Dem Zweifel an Galileis menschlicher Redlichkeit kann Urban in der Tat nicht viel entgegensetzen, hat doch Galilei mit der Figur des Simplicio in dem "Dialog" wirklich die geistlichen Autoritäten der Lächerlichkeit preisgegeben. Urban versucht zwar die vorgetragenen Anwürfe als eine Charakterschwäche zu verharmlosen: "Das zeugt von schlechtem Geschmack" (107), muss aber letztlich anerkennen, dass Galilei ihn hintergangen und sich somit - aus seiner Sicht - des Ungehorsams schuldig gemacht hat. Galilei hat sich als Mensch, als Ehrenmann, fragwürdig gemacht und steht folglich nicht mehr als "Licht Italiens" (107) unter seinem Schutz.
Papst Urban VIII. - nun in vollem Papst-Gewand - gibt seinen Widerstand auf: Man zeige Galilei die Folterinstrumente, was bei diesem "Mann des Fleisches" schon genügen werde.
- Thema:
- Wissenschaft kontra Ruhe und Ordnung
- Der Mensch Galilei: Licht Italiens oder Wahnsinniger?
- Motiv:
- Die Macht des Zweifels
- Verkehrte Welten
- Maschinen und Wunder
Arbeitsauftrag:
Im Verlaufe seiner Ankleidung wird Papst Urban gleich von zwei Seiten bedrängt:
Von den Argumenten des Inquisitors und dem Geschlurfe der sich versammelnden Kirchenwelt.
- Unterstreichen Sie
- die Argumente des Inquisitors und Urbans Gegenargumente mit verschiedenen Farben,
- beachten Sie noch dazu, wie der Papst auf die Vorgänge außerhalb reagiert,
- und stellen Sie nun den Prozess von Barberinis Verwandlung in folgendem Schema grafisch dar.
Barberinis Verwandlung: Vom Individuum zur Obrigkeit Barberini (nackt): "Nein! Nein! Nein!" ______________________________ Der /\ /\ Die sich Inquisitor / \ / \ versammelnden / \ / \ Kirchenvertreter / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ / \ /--------------------------\ /--------------------------\ \/ Der Papst in vollem Ornat "Das Äußerste ist, daß ..." |
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Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.