Kapitel 34: Neurogenetik

34.3.1.13 Differenzierung durch Induktion

Die Modellvorstellung der Lateralen Inhibition mit Feedback erklärt anschaulich, wie zum Beispiel die regelmäßigen Abstände zwischen Sinneszellen des PNS eingehalten werden, aber auch wie eine möglicherweise bereits in der Mutterzelle festgelegte Asymmetrie oder "Wichtung" cytoplasmatischer Faktoren den Anstoß für eine gerichtete Entwicklung bzw. Differenzierung geben kann. Das Prinzip des reinen "Wettbewerbs" zwischen zwei völlig äquivalenten Zellen oder Zellpopulationen zur Lösung des Differenzierungsproblems bei der Neurogenese ist vom Standpunkt der Embryogenese auch gar nicht wünschenswert, denn es ließe damit externe und interne Variablen bei der Festlegung des Entwicklungsweges zu. Es ist aber bekannt, daß Entwicklungsprozesse "kanalisiert" sind, d.h., daß sie stereotyp ablaufen, unabhängig von populationsgenetischen Polymorphismen und äußeren Faktoren (s. auch Kap. 26). Der zweite propagierte Mechanismus für die Differenzierung von Geschwisterzellen betrifft deshalb induktive Prozesse, in die nicht-äquivalente Zellen eintreten. In neuerer Zeit wurden überzeugende Hinweise dafür gefunden, daß während der Zellteilung entstehende Asymmetrien tatsächlich das Schicksal der Tochterzellen bestimmen können. Neuroblasten behalten ihre Teilungsfähigkeit bei und produzieren durch inäquale Teilung Ganglienmutterzellen (GMZ) und einen weiteren Neuroblasten. Ganglienmutterzellen können sich nur noch einmal teilen und produzieren entweder Glia oder Neurone. Die Produkte des prospero-Gens und eines möglicherweise akzessorischen Membranproteins (Numb) sind zunächst im basalen Cortex der Neuroblasten verteilt. Nach der Mitose findet sich Prospero aber nur noch im Kern der gebildeten GMZ. Mutationen des prospero-Gens führen zu dramatischen Veränderungen im Expressionsmuster neuralspezifischer Gene in den resultierenden Tochterzellen, die auf Verlust eines essentiellen GMZ-spezifischen Regulatorgens zurückgeführt werden können. Ein verwandtes Phänomen wird bei der Ausbildung von Sinneszellen des PNS und den drei akzessorischen Stützzellen beobachtet, die aus der gleichen Stammzelle hervorgehen: Das Numb-Protein wird asymmetrisch bei der Mitose auf die Tochterzellen verteilt und findet sich schließlich nur noch in der zum Neuron differenzierenden Zelle (Abb. 34-9).

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