Inhalt,
Kapitel
1,
2,
3,
4,
5,
6,
7,
8,
9,
10,
11,
12,
13,
14,
15,
16,
17,
18,
19,
20,
Schlußwort,
Anmerkungen,
Nachwort
Copyright 1997.
Kurt Stüber
Fünftes Kapitel
Unsere Stammesgeschichte.
Monistische Studien über Ursprung und Abstammung des
Menschen von den Wirbelthieren, zunächst von den
Herrenthieren.
------
Inhalt: Ursprung des Menschen. Mythische
Schöpfungsgeschichte. Moses und Linné. Die Schöpfung der
konstanten Arten. Katastrophen-Lehre. Cuvier. Transformismus, Goethe
(1790). Descendenz-Theorie, Lamarck (1809). Selektions-Theorie,
Darwin (1859). Stammesgeschichte (Phylogenie) (1866).
Stammbäume. Generelle Morphologie. Naturliche
Schöpfungsgeschichte. Systematische Phylogenie. Biogenetisches
Grundgesetz. Anthropogenie. Abstammung des Menschen von den Affen.
Pithecoiden-Theorie. Der fossile Pithecanthropus von Dubois (1894).
Der jüngste unter den großen Zweigen am lebendigen Baume
der Biologie ist diejenige Naturwissenschaft, welche wir
Stammesgeschichte oder Phylogenie nennen. Sie hat sich
noch weit später und unter viel größeren
Schwierigkeiten entwickelt, als ihre natürliche Schwester, die
Keimesgeschichte oder Ontogenie. Diese letztere hatte zur Aufgabe die
Erkenntniß der geheimnißvollen Vorgänge, durch
welche sich die organischen Individuen, die Einzelwesen der
Thiere und Pflanzen, aus dem Ei entwickeln. Die Stammesgeschichte
hingegen hat die viel dunklere und schwierigere Frage zu beantworten:
"Wie sind die organischen Species entstanden, die einzelnen
Arten der Thiere und Pflanzen?".
Die Ontogenie (sowohl Embryologie als Metamorphosenlehre)
konnte zur Lösung ihrer nahe liegenden Aufgabe zunächst
unmittelbar den empirischen Weg der Beobachtung betreten; sie
brauchte nur Tag für Tag und Stunde für Stunde die
sichtbaren Umbildungen zu verfolgen, welche der organische Keim
innerhalb kurzer Zeit während der Entwickelung aus dem Ei
erfährt. Viel schwieriger war von vornherein die entfernt liegende
Aufgabe der Phylogenie; denn die langsamen Processe der
allmählichen Umbildung, welche die Entstehung der Thier- und
Pflanzen-Arten bewirken, vollziehen sich unmerklich im Verlaufe von
Jahrtausenden und Jahrmillionen; ihre unmittelbare Beobachtung ist nur
in sehr engen Grenzen möglich, und der weitaus größte
Theil dieser historischen Vorgänge kann nur indirekt erschlossen
werden: durch kritische Reflexion, durch vergleichende
Benutzung von empirischen Urkunden, welche sehr verschiedenen
Gebieten angehören, der Paläontologie, Ontogenie und
Morphologie. Dazu kam noch das gewaltige Hinderniß, welcher der
natürlichen Stammesgeschichte allgemein durch die enge
Verknüpfung der "Schöpfungsgeschichte" mit
übernatürlichen Mythen und religiösen Dogmen
bereitet wurde; es ist daher begreiflich, daß erst im Laufe der
letzten vierzig Jahre die wissenschaftliche Existenz der wahren
Stammesgeschichte unter schweren Kämpfen errungen und
gesichert werden mußte.
Mythische Schöpfungsgeschichte. Alle ernstlichen
Versuche, welche bis zum Beginne des 19. Jahrhunderts zur
Beantwortung des Problems von der Entstehung der Organismen
unternommen wurden, blieben in dem mythologischen Labyrinthe der
übernatürlichen Schöpfungssagen stecken. Einzelne
Bemühungen hervorragender Denker, sich von diesem zu
emancipiren und zu einer natürlichen Auffassung zu gelangen,
blieben erfolglos. Die mannigfaltigsten Schöpfungs-Mythen
entwickelten sich bei allen älteren Kurlturvölkern im
Zusammenhang mit der Religion; und während des Mittelalters
war es naturgemäß das zur Herrschaft gelangte Christentum,
welches die Beantwortung der Schöpfungsfrage für sich in
Anspruch nahm. Da die Bibel als die unerschütterliche Basis des
christlichen Religions Gebäudes galt, wurde die ganze
Schöpfungsgeschichte dem ersten Buche Moses entnommen.
Auf dieses stützte sich auch noch der große schwedische
Naturforscher Carl Linné, als er 1735 in seinem grundlegenden
"Systema Naturae" den ersten Versuch zu einer systematischen
Ordnung, Benennung und Klassifikation der unzähligen
verschiedenen Naturkörper unternahm. Als bestes, praktisches
Hilfmittel derselben führte er die bekannte doppelte
Namengebung oder binäre Nomenklatur ein; jeder einzelnen Art
oder Species von Thieren und Pflanzen gab er einen besonderen Art-Namen und
stellte diesem einen allgemeinen Gattungs-Namen voran. In
einer Gattung (Genus) wurden die nächstverwandten
Arten (Species) zusammengestellt; so z.B. vereinigte
Linné in dem Genus Hund (Canis) als verschiedene
Species des Haushund (Canis familiaris), den Schakal (Canis
aureus), den Wolf (Canus lupus), den Fuchs (Canis
vulpes) u. A. Diese binäre Nomenklatur erwies sich bald so
praktisch, daß sie allgemein angenommen wurde und bis heute in
der zoologischen und botanischen Systematik allgemein gültig
ist.
Höchst verhängnißvoll aber wurde für die
Wissenschaft das theoretische Dogma, welches schon von
Linné selbst mit seinem praktischen Species-Begriffe
verknüpft wurde. Die erste Frage, welche sich dem denkenden
Systematiker aufdrängen mußte, war natürlich die
Frage nach dem eigentlichen Wesen des Species-Begriffes, nach
Inhalt und Umfang desselben. Und gerade diese Fundamental-Frage
beantwortete sein Schöpfer in naivster Weise, in Anlehnung an
den allgemein gültigen Mosaischen Schöpfungs-Mythus:
"Species tot sunt diversae, quot diversas formas ab initio creavit
infinitum ens". (- Es giebt so viel verschiedene Arten, als im Anfange
vom unendlichen Wesen verschiedene Formen erschaffen worden sind.
-). Mit diesem theosophischen Dogma war jede natürliche
Erklärung der Art-Entstehung abgeschnitten. Linné kannte
nur die gegenwärtig existirende Thier- und Pflanzen-Welt; er
hatte keine Ahnung von den viel zahlreicheren ausgestorbenen Arten,
welche in den früheren Perioden der Erdgeschichte unseren
Erdball in wechselnder Gestaltung bevölkert hatten.
Erst im Anfange des 19. Jahrhunderts wurden diese fossilen Thiere
durch Cuvier näher bekannt. Er gab in seinem
berühmten Werke über die fossilen Knochen der
vierfüßigen Wirbelthiere (1812) die erste genaue
Beschreibung und richtige Deutung zahlreicher Petrefakten. Zugleich
wies er nach, daß in den verschiedenen Perioden der Erdgeschichte
eine Reihe von ganz verschiedenen Thier-Bevölkerungen auf
einander gefolgt war. Da nun Cuvier hartnäckig an
Linné's Lehre von der absoluten Beständigkeit der Species
fest hielt, glaubte er deren Entstehung nur durch die Annahme
erklären zu können, daß eine Reihe von großen
Katastrophen und von wiederholten Neuschöpfungen in der
Erdgeschichte auf einander gefolgt sei; im Beginne jeder großen
Erd-Revolution sollten alle lebenden Geschöpfe vernichtet und am
Ende derselben eine neue Bevölkerung erschaffen worden sein.
Obgleich diese Katastrophen-Theorie von Cuvier zu den
absurdesten Folgerungen führte und auf den nackten
Wunderglauben hinauslief, gewann sie doch bald allgemeine Geltung
und blieb bis auf Darwin (1859) herrschend.
Transformismus. Goethe. Daß die herrschenden
Vorstellungen von der absoluten Beständigkeit und
übernatürlichen Schöpfung der organischen Arten
tiefer denkende Forscher nicht befriedigen konnten, ist leicht
einzusehen. Daher finden wir denn schon in der zweiten Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts einzelne hervorragende Geister mit
Versuchen geschäftigt, zu einer naturgemäßen
Lösung des großen "Schöpfungs-Problems" zu gelangen.
Allen voran war unser größter Dichter und Denker
Wolfgang Goethe durch seine vieljährigen und eifrigen
morphologischen Studien bereits vor mehr als hundert Jahren zu der
klaren Einsicht in den inneren Zusammenhang aller organischen Formen
und zu der festen Ueberzeugung eines gemeinsamen natürlichen
Ursprungs gelangt. In seiner berühmten "Metamorphose der
Pflanzen" (1790) leitete er alle verschiedenen Formen der
Gewächse von einer Urpflanze ab, und alle verschiedenen Organe
derselben von einem Urorgane, dem Blatt. In seiner Wirbeltheorie des
Schädels versuchte er zu zeigen, daß die Schädel aller
verschiedenen Wirbelthiere - mit Inbegriff des Menschen! - in gleicher
Weise aus bestimmt geordneten Knochen-Gruppen zusammengesetzt
seien, und daß diese letzteren nichts Anderes seien, als
umgebildete Wirbel. Grade seine eingehenden Studien über
vergleichende Osteologie hatten Goethe zu der festen
Ueberzeugung von der Einheit der Organisation geführt; er hatte
erkannt, daß das Knochengerüst des Menschen nach
demselben Typus zusammengesetzt sei, wie das aller übrigen
Wirbelthiere - "geformt nach einem Urbilde, das nur in seinen sehr
beständigen Theilen mehr oder weniger hin- und herweicht und
sich doch täglich durch Fortpflanzung aus- und umbildet" -. Diese
Umbildung oder Transformation läßt Goethe durch die
beständige Wechselwirkung von zwei gestaltenden
Bildungskräften geschehen, einer inneren Centripetalkraft des
Organismus, dem "Specifikations-Trieb", und einer äußeren
Centrifugalkraft, dem Variations-Trieb oder der "Idee der
Metamorphose"; erstere entspricht dem, was wir heute
Vererbung, letztere dem, was wir Anpassung nennen. Wie
tief Goethe durch diese naturphilosophischen Studien über
"Bildung und Umbildung organischer Naturen" in deren Wesen
eingedrungen war, und inwiefern er demnach als der bedeutendste
Vorläufer von Darwin und Lamarck betrachtet
werden kann, ist aus den interessanten Stellen seiner Werke zu ersehen,
welche ich im vierten Vortrage meiner Natürlichen
Schöpfungsgeschichte zusammengestellt habe. In meinem
Vortrage über "Die Naturanschauung von Darwin,
Goethe und Lamarck" (Eisenach 1882) habe ich dies
näher begründet. Indessen kamen doch diese
naturgemäßen Entwickelungs-Ideen von Goethe,
ebenso wie ähnliche (ebenda citirte) Vorstellungen von
Kant, Oken, Treviranus und anderen
Naturphilosophen unseres Jahrhunderts nicht über gewisse
allgemeine Ueberzeugungen hinaus. Es fehlte ihnen noch der große
Hebel, dessen die "natürliche Schöpfungsgeschichte" zu ihrer
Begründung durch die Kritik des Species-Dogma bedurfte,
und diese verdanken wir erst Lamarck.
Descendenz-Theorie oder Abstammungslehre. Lamarck
(1809). Den ersten eingehenden Versuch zu einer wissenschaftlichen
Begründung des Transformismus unternahm im Beginne des 19.
Jahrhunderts der große französische Naturphilosoph Jean
Lamarck, der bedeutendste Gegner seines Kollegen Cuvier in
Paris. Schon 1802 hatte derselbe in seinen "Betrachtungen über
die lebenden Naturkörper" die bahnbrechenden Ideen über
die Unbeständigkeit und Umbildung der Arten ausgesprochen,
welche er dann 1809 in den zwei Bänden seines tiefsinnigsten
Werkes, der Philosophie zoologique, eingehend begründete.
Hier führte Lamarck zum ersten Male - gegenüber
dem herrschenden Species-Dogma - den richtigen Gedanken aus,
daß die organische "Art oder Species" eine
künstliche Abstraktion sei, ein Begriff von relativem
Werthe, ebenso wie die übergeordneten Begriffe der Gattung,
Familie, Ordnung und Klasse. Er behauptete ferner, daß alle Arten
veränderlich und im Laufe sehr langer Zeiträume aus
älteren Arten durch Umbildung entstanden seien. Die
gemeinsamen Stammformen, von denen dieselben abstammen, waren
ursprünglich ganz einfache und niedere Organismen; die ersten
und ältesten entstanden durch Urzeugung. Während durch
Vererbung innerhalb der Generations-Reihen der Typus sich
beständig erhält, werden anderseits durch
Anpassung, durch Gewohnheit und Uebung der Organe, die Arten
allmählich umgebildet. Auch unser menschlicher Organismus ist
auf dieselbe natürliche Weise durch Umbildung aus einer Reihe
von affenartigen Säugethieren entstanden. Für alle diese
Vorgänge, wie überhaupt für alle Erscheinungen in der
Natur und im Geistesleben, nimmt Lamarck auschließlich
mechanische, physikalische und chemische Vorgänge als
wahre, bewirkende Ursachen an. Seine geistvolle Philosophie
zoologique enthält die Elemente für ein rein monistisches
Natur-System auf Grund der Entwickelungslehre. Ich habe diese
Verdienste Lamarck's im vierten Vortrage meiner Anthropogenie
und im fünften Vortrage der Natürlichen
Schöpfungsgeschichte erörtert.
Man hätte erwarten sollen, daß dieser großartige
Versuch, die Abstammungslehre oder Descendenz-Theorie
wissenschaftlich zu begründen, alsbald den herrschenden Mythus
von der Species-Schöpfung erschüttert und einer
natürlichen Entwickelungslehre Bahn gebrochen hätte.
Indessen vermochte Lamarck gegenüber der konservativen
Autorität seines großen Gegners Cuvier ebenso wenig
durchzudringen, wie zwanzig Jahre später sein Kollege und
Gesinnungsgenosse Géoffroy St. Hilaire. Die berühmten
Kämpfe, welcher dieser Naturphilosoph 1830 im Schooße der
Pariser Akademie mit Cuvier zu bestehen hatte, endigten mit
einem vollständigen Siege des Letzteren. Die mächtige
Entfaltung, welche zu jener Zeit das empirische Studium der Biologie
fand, die Fülle von interessanten Entdeckungen auf den Gebieten
der vergleichenden Anatomie und Physiologie, die Begründung
der Zellentheorie und die Fortschritte der Ontogenie gaben den Zoologen
und Botanikern einen solchen Ueberfluß von dankbarem Arbeits-Material,
daß darüber die schwierige und dunkle Frage nach
der Entstehung der Arten ganz vergessen wurde. Man beruhigte sich bei
dem althergebrachten Schöpfungs-Dogma. Selbst nachdem der
große englische Naturforscher Charles Lyell 1830 in seinen
Principien der Geologie die abenteuerliche Katastrophen-Theorie von
Cuvier widerlegt und für die anorganische Natur unseres
Planeten einen natürlichen und kontinuirlichen
Entwickelungsgang nachgewiesen hatte, fand sein einfaches
Kontinuitäts-Princip auf die organische Natur keine Anwendung.
Die Anfänge der natürlichen Phylogenie, welche in
Lamarck's Werke verborgen lagen, wurden ebenso vergessen,
wie die Keime zu einer natürlichen Ontogenie, welche 50 Jahre
früher (1759) Caspar Friedrich Wolff in seiner Theorie der
Generation gegeben hatte. Hier wie dort verfloß ein volles halbes
Jahrhundert, ehe die bedeutendsten Ideen über natürliche
Entwickelung die gebührende Anerkennung fanden. Erst nachdem
Darwin 1859 die Lösung des Schöpfungs-Problems
von einer ganz anderen Seite angefaßt und den reichen, inzwischen
angesammelten Schatz von empirischen Kenntnissen glücklich
dazu verwerthet hatte, fing man an, sich auf Lamarck, als seinen
bedeutendsten Vorgänger, wieder zu besinnen.
Selektions-Theorie. Darwin (1859). Der beispiellose
Erfolg von Charles Darwin ist allbekannt; er läßt ihn
heute, am Schlusse des 19. Jahrhunderts, wenn nicht als den
größten, so doch als den wirkungsvollsten Naturforscher
desselben erscheinen. Denn kein anderer von den zahlreichen
großen Geisteshelden unserer Zeit hat mit einem einzigen
klassischen Werke einen so gewaltigen, so tiefgehenden und so
umfassenden Erfolg erzielt, wie Darwin 1859 mit seinem
berühmten Hauptwerk: "Ueber die Entstehung der Arten im Thier-
und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung oder Erhaltung
der vervollkommneten Rassen im Kampfe um's Dasein." Gewiß hat
die Reform der vergleichenden Anatomie und Physiologie durch
Johannes Müller der ganzen Biologie eine neue, fruchtbare
Epoche eröffnet, gewiß waren die Begründung der
Zellen-Theorie durch Schleiden und Schwann, die Reform
der Ontogenie durch Baer, die Begründung des Substanz-Gesetzes durch
Robert Bauer und Helmholtz
wissenschaftliche Großthaten ersten Ranges; aber keine von ihnen
hat nach Tiefe und Ausdehnung eine so gewaltige, unser ganzes
menschliches Wissen umgestaltende Wirkung ausgeübt, wie
Darwin's Theorie von der natürlichen Entstehung der Arten.
Denn damit war ja das mysthische "Schöpfungs-Problem"
gelöst, und mit ihm die inhaltsschwere "Frage aller Fragen", das
Problem vom wahren Wesen und der Entstehung des Menschen
selbst.
Vergleichen wir die beiden großen Begründer des
Transformismus, so finden wir bei Lamarck überwiegende
Neigung zur Deduktion und zum Entwurfe eines
vollständigen monistischen Naturbildes, bei Darwin
hingegen vorherrschende Anwendung der Induktion und das
vorsichtige Bemühen, die einzelnen Theile der Descendenz-Theorie
durch Beobachtung und Experiment möglichst sicher zu
begründen. Während der französische Naturphilosoph
den damaligen Kreis des empirischen Wissens weit überschritt
und eigentlich das Programm der zukünftigen Forschung entwarf,
hatte der englische Experimentator umgekehrt den großen
Vortheil, das einigende Erklärungs-Princip für eine Masse
von empirischen Kenntnissen zu begründen, die bis dahin
unverstanden sich angehäuft hatten. So erklärt es sich,
daß der Erfolg von Darwin ebenso
überwältigend, wie derjenige von Lamarck
verschwindend war. Darwin hatte aber nicht allein das
große Verdienst, die allgemeinen Ergebnisse der verschiedenen
biologischen Forschungskreise in dem gemeinsamen Brennpunkte des
Descendenz-Princips zu sammeln und dadurch einheitlich zu
erklären, sondern er entdeckte auch in dem Selektions-Princip jene
direkte Ursache der Transformation, welche
Lamarck noch gefehlt hatte. Indem Darwin als praktischer
Tierzüchter die Erfahrungen der künstlichen Zuchtwahl auf
die Organismen im freien Naturzustande anwendete und in dem
"Kampf um's Dasein" das auslesende Princip der natürlichen
Zuchtwahl entdeckte, schuf er seine bedeutungsvolle Selektionstheorie,
den eigentlichen Darwinismus (vergl. hierüber Arnold
Lang, Zur Charakteristik der Forschungswege von Lamarck
und Darwin. Jena 1889).
Stammesgeschichte (Phylogenie) (1866). Unter den
zahlreichen und wichtigen Aufgaben, welche Darwin der
modernen Biologie stellte, erschien als eine der nächsten die
Reform des zoologischen und botanischen Systems. Wenn die
unzähligen Thier- und Pflanzen-Arten nicht durch
übernatürliche Wunder "erschaffen", sondern durch
natürliche Umbildung "entwickelt" waren, so ergab sich das
"natürliche System" derselben als ihr Stammbaum.
Den ersten Versuch, das System in diesem Sinne umzugestalten,
unternahm ich selbst (1866) in meiner "Generellen Morphologie der
Organismen". Der erste Band dieses Werkes (Allgemeine Anatomie)
behandelte die "mechanische Wissenschaft von den entwickelten
Formen", der zweite Band (Allgemeine Entwickelungsgeschichte)
diejenige von den "entstehenden Formen". Die systematische Einleitung
in die letztere bildete eine "Genealogische Uebersicht des
natürlichen Systems der Organismen". Bis dahin hatte man unter
"Entwickelungsgeschichte" sowohl in der Zoologie als in der
Botanik ausschließlich diejenige der organischen Individuen
verstanden (Embryologie und Metamophosen-Lehre). Ich
begründete dagegen die Ansicht, daß dieser
Keimesgeschichte (Ontogenie) als zweiter,
gleichberechtigter und verbundener Zweig die
Stammesgeschichte (Phylogenie) gegenüberstehe.
Beide Zweige der Entwickelungsgeschichte stehen nach meiner
Auffassung im engsten kausalen Zusammenhang; dieser beruht auf der
Wechselwirkung der Vererbungs- und Anpassungs-Gesetze; er fand
seinen präcisen und umfassenden Ausdruck in meinem
"biogenetischen Grundgesetze".
Natürliche Schöpfungsgeschichte (1868). Da die
neuen, in der "Generallen Morphologie" niedergelegten Anschauungen
trotz ihrer streng wissenschaftlichen Fassung bei den sachkundigen
Fachgenossen sehr wenig Beachtung und noch weinger Beifall fanden,
versuchte ich, den wichtigsten Theil derselben in einem kleineren, mehr
populär gehaltenen Werke einem größeren gebildeten
Leserkreise zugänglich zu machen. Dies geschah 1868 in der
"Natürlichen Schöpfungsgeschichte"
(Gemeinverständliche wissenschaftlche Vorträge über
die Entwickelungslehre im allgemeinen und diejenige von Darwin,
Goethe und Lamarck im Besonderen). Wenn der gehoffte Erfolg der
"Generellen Morphologie" weit unter meiner berechtigten Erwarung
blieb, so ging umgekehrt derjenige der "Natürlichen
Schöpfungsgeschichte" weit über dieselbe hinaus. Es
erschienen im Laufe von 34 Jahren zehn umgearbeitete Auflagen und
zwölf verschiedene Übersetzungen derselben. Trotz seiner
großen Mängel hat dieses Buch doch viel dazu beigetragen,
die Grundgedanken unserer modernen Entwickelungslehre in weiteren
Kreisen zu verbreiten. Allerdings konnte ich meinen Hauptzweck, die
phylogenetische Umbildung des natürlichen Systems, dort nur in
allgemeinen Umrissen andeuten. Indessen habe ich die
ausführliche, dort vermißte Begründung des
phylogenetischen Systems später in einem größeren
Werke nachgeholt, in der "Systematischen Phylogenie" (Entwurf
eines natürlichen Systems der Organismen auf Grund ihrer
Stammesgeschichte). Der erste Band derselben (1894) behandelt die
Protisten und Pflanzen, der zweite (1895) die wirbellosen Thiere, der
dritte (1896) die Wirbelthiere. Die Stammbäume der
kleineren und größeren Gruppen sind hier so weit
ausgeführt, als es mir meine Kenntniß der drei großen
"Stammesurkunden" gestattete, der Paläontologie, Ontogenie und
Morphologie.
Biogenetisches Grundgesetz. Den engen ursächlichen
Zusammenhang, welcher nach meiner Ueberzeugung zwischen beiden
Zweigen der organischen Entwickelungsgeschichte besteht, hatte ich
schon in der Generellen Morphologie (am Schlusse des fünften
Buches) als einen der wichtigsten Begriffe des Transformismus
hervorgehoben und einen präcisen Ausdruck dafür in
mehreren "Thesen von dem Kausal-Nexus der biontischen und der
phylogenetischen Entwickelung" gegeben: "Die Ontogenesis ist eine
kurze und schnelle Rekapitulation der Phylogenesis, bedingt durch
die physiologischen Funktionen der Vererbung (Fortpflanzung) und
Anpassung (Ernährung)". Schon Darwin hatte (1859) die
große Bedeutung seiner Theorie für die Erklärung der
Embryologie betont, und Fritz Müller hatte dieselbe (1864)
an dem Beispiele einer einzelnen Thierklasse, der Krustaceen,
erläutert, in der geistvollen Schrift: "Für Darwin"
(1864). Ich selbst habe dann die allgemeine Geltung und die
fundamentale Bedeutung jenes biogenetischen Grundgesetzes in einer
Reihe von Arbeiten nachzuweisen versucht, insbesondere in der Biologie
der Kalkschwämme (1872) und in den "Studien zur Gasträa-Theorie" (1873
bis 1884). Die dort aufgestellte Lehre von der Homologie
der Keimblätter, sowie von den Verhältnissen der
Palingenie (Auszugsgeschichte) und der
Cenogenie (Störungsgeschichte) ist seitdem durch
zahlreiche Arbeiten anderer Zoologen bestätigt worden; durch sie
ist es möglich geworden, die natürlichen Gesetze der
Einheit in der mannigfaltigen Keimesgeschichte der Thiere
nachzuweisen; für ihre Stammesgeschichte ergiebt sich daraus die
gemeinsame Ableitung von einer einfachsten ursprünglichen
Stammform.
Anthropogenie (1874). Der weitschauende Begründer
der Abstammungslehre, Lamarck, hatte schon 1809 richtig
erkannt, daß dieselbe allgemeine Geltung besitze und daß also
auch der Mensch, als das höchst entwickelte
Säugethier, von demselben Stamme abzuleiten sei, wie alle
anderen Mammalien, und diese weiter hinauf von demselben
älteren Zweige des Stammbaums, wie die übrigen
Wirbelthiere. Er hatte auch schon auf die Vorgänge hingewiesen,
durch welche die Abstammung des Menschen vom Affen, als dem
nächstverwandten Säugethiere, wissenschaftlich
erklärt werden könne. Darwin, der
natürgemäß zu derselben Ueberzeugung gelangt war,
ging in seinem Hauptwerk (1859) über diese
anstößigste Folgerung seiner Lehre absichtlich hinweg und
hat dieselbe erst später (1871) in seinem Werke über "Die
Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl"
geistreich ausgeführt. Inzwischen hatte aber schon sein Freund
Huxley (1863) jenen wichtigsten Folgeschluß der
Abstammungslehre sehr scharfsinnig erörtert in seiner
berühmten kleinen Schrift über die "Zeugnisse für die
Stellung des Menschen in der Natur". An der Hand der vergleichenden
Anatomie und Ontogenie und gestützt auf die Thatsachen der
Paläontologie zeigte Huxley, daß die "Abstammung des
Menschen vom Affen" eine nothwendige Konsequenz des Darwinismus
sei, und daß eine andere wissenschaftliche Erklärung von der
Entstehung des Menschengeschlechts überhaupt nicht gegeben
werden könne. Diese Ueberzeugung theilte auch damals schon
Carl Gegenbaur, der bedeutendste Vertreter der vergleichenden
Anatomie, welcher diese wichtige Wissenschaft durch die konsequente
und scharfsinnige Anwendung der Descendenz-Theorie auf eine
höhere Stufe erhoben hat.
Als weitere Folgerung dieser Pithecoiden-Theorie (oder
"Affen-Abstammungslehre" des Menschen) ergab sich die schwierige Aufgabe,
nicht nur die nächstverwandten Säugethier-Ahnen des
Menschen in der Tertiär-Zeit zu erforschen, sondern auch die
lange Reihe der älteren thierischen Vorfahren, welche in
früheren Zeiträumen der Erdgeschichte gelebt und
während ungezählter Jahr-Millionen sich entwickelt hatten.
Die hypothetische Lösung dieser großen historischen Aufgabe
hatte ich schon 1866 in der Generellen Morphologie zu beginnen
versucht; weiter ausgeführt habe ich dieselbe 1874 in meiner
Anthropogenie (I. Teil: Keimesgeschichte, II Theil:
Stammesgeschichte). Die fünfte, umgearbeitete Auflage dieses
Buches (1903) enthält diejenige Darstellung der
Entwickelungsgeschichte des Menschen, welche bei dem
gegenwärtigen Zustande unserer Urkundenkenntniß sich dem
fernen Ziele der Wahrheit nach meiner persönlichen Auffassung
am meisten nähert; ich war dabei stets bemüht, alle drei
empirischen Urkunden, die Paläontologie, Ontogenie
und Morphologie (oder vergleichende Anatomie) möglichst
gleichmäßig und im Zusammenhange zu benutzen. Sicher
werden die hier gegebenen Descendenz-Hypothesen im Einzelnen durch
spätere phylogenetische Forschungen vielfach ergänzt und
berichtigt werden; aber eben so sicher steht für mich die
Ueberzeugung, daß der dort entworfene Stufengang der
menschlichen Stammesgeschichte im Großen und Ganzen der
Wahrheit entspricht. Denn die historische Reihenfolge der
Wirbelthier-Versteinerungen entspricht vollständig der
morphologischen Entwickelungsreihe, welche uns die vergleichende
Anatomie und Ontogenie enthüllt: auf die silurischen Fische folgen
die devonischen Lurchfische, die karbonischen Amphibien, die
permischen Reptilien und die mesozoischen Säugethiere; von
diesen erscheinen wiederum zunächst in der Trias die niedersten
Formen, die Gabelthiere (Monotremen), dann im Jura die
Beutelthiere (Marsupialien), und darauf in der Kreide die
ältesten Zottenthiere (Placentalien). Von diesen letzteren
treten wieder zunächst in der ältesten Tertiär-Zeit
(Eocaen) die niedersten Primaten-Ahnen auf, die Halbaffen, und
zwar von den Catarrhinen zuerst die Hundsaffen
(Cynopitheken), später die Menschenaffen
(Anthropomorphen); aus einem Zweige dieser letzteren ist
während der Pliocän-Zeit der sprachlose
Affenmensch entstanden (Pithecanthropus alalus), und
diesem endlich der sprechende Mensch.
Viel schwieriger und unsicherer als diese Kette unserer Wirbelthier-Ahnen
ist diejenige der vorhergehenden wirbellosen Ahnen zu
erforschen; denn von ihren weichen skelettlosen Körpern kennen
wir keine versteinerten Ueberreste; die Paläontologie kann uns
hier keinerlei Zeugniß liefern. Um so wichtiger werden hier die
Urkunden der vergleichenden Anatomie und Ontogenie. Da der
menschliche Keim denselben Chordula-Zustand durchläuft,
wie der Embryo allen anderen Wirbelthiere, da er sich ebenso aus zwei
Keimblättern einer Gastrula entwickelt, schließen wir
nach dem biogenetischen Grundgesetze auf die frühere Existenz
entsprechender Ahnen-Formen (Vermalien, Gastraeaden).
Vor Allem wichtig aber ist die fundamentale Thatsache, daß auch
der Keim des Menschen, gleich demjenigen aller anderen Thiere, sich
ursprünglich aus einer einer einfachen Zelle entwickelt; denn diese
Stammzelle (Cytula) - die "befruchtete Eizelle" - weist
zweifellos auf eine entsprechende einzellige Stammform hin, ein uraltes
(laurentisches) Protozoon.
Für unsere monistische Philosophie ist es übrigens
zunächst ziemlich gleichgiltig, wie sich im Einzelnen die
Stufenreihe unserer thierischen Vorfahren noch sicherer feststellen
lassen wird. Für sie bleibt als sichere historische Thatsache
die folgenschwere Erkenntniß bestehen, daß der Mensch
zunächst vom Affen abstammt, weiterhin von einer langen
Reihe niederer Wirbelthiere. Die logische Begründung dieses
Pithekometra-Satzes habe ich schon 1866 im siebenten Buche der
"Generellen Morphologie" betont (S. 427): "Der Satz, daß der
Mensch sich aus niederen Wirbelthieren, und zwar zunächst aus
echten Affen, entwickelt hat, ist ein spezieller Deduktions-Schluß,
welcher sich aus dem generellen Induktions-Gesetze der Descendenz-Theorie mit
absoluter Nothwendigkeit ergiebt."
Von größter Bedeutung für die definitive Feststellung
und Anerkennung dieses fundamentalen Pithekometra-Satzes
sind die paläontologishcne Entdeckungen der letzten drei
Dezennien geworden; insbesondere haben uns die überraschenden
Funde von zahlreichen ausgestorbenen Säugethieren der
Tertiär-Zeit in den Stand gesetzt, die Stammesgeschichte dieser
wichtigen Thierklasse, von den niedersten, eierlegenden Monotremen
bis zum Menschen hinauf, in ihren Grundzügen klarzulegen. Die
vier Hauptgruppen der Zottenthiere oder Placentalia, die
formenreichen Legionen der Raubthiere, Nagethiere, Hufthiere und
Herrenthiere, erscheinen durch tiefe Klüfte getrennt, wenn wir
nur die heute noch lebenden Epigonen als Vertreter derselben ins Auge
fassen. Diese Klüfte werden aber vollkommen ausgefüllt und
die scharfen Unterschiede der vier Legionen gänzlich verwischt,
wenn wir ihre tertiären, ausgestorbenen Vorfahren vergleichen,
und wenn wir bis in die eocäne Geschichts-Dämmerung der
ältesten Tertiär-Zeit hinabsteigen (mindestens drei Millionen
Jahre zurückliegend!). Da finden wir die große Unterklasse
der Zottenthiere, die heute mehr als 2500 Arten umfaßt, nur durch
eine geringe Zahl von kleinen und unbedeutenden "Urzottenthieren"
vertreten; und in diesen Prochoriaten erscheinen die Charaktere
jener vier divergenten Legionen so gemischt und verwischt, daß
wir sie vernünftiger Weise nur als gemeinsame Vorfahren
derselben deuten können. Die ältesten Raubthiere
(Ictopsales), die ältesten Nagethiere (Esthonychales),
die ältesten Hufthiere (Condylarthrales) und die
ältesten Herrenthiere (Lemuravales) besitzen alle im
Wesentlichen dieselbe Bildung des Knochen-Gerüstes und dasselbe
typische Gebiß der ursprünglichen Placentalien mit 44
Zähnen (in jeder Kieferhälfte drei Schneidezähne, ein
Eckzahn, vier Lückenzähne und drei Mahlzähne); sie
zeichnen sich alle durch die geringe Größe und die
unvollkommene Bildung ihres Gehirns aus (besonders des wichtigsten
Teiles, der Großhirnrinde, die sich erst später bei den
miocänen und pliocänen Epigonen zum wahren "Denkorgane"
entwickelt hat): sie haben alle kurze Beine und fünfzehige
Füße, die mit der flachen Sohle auftreten (Plantigrada).
Bei manchen dieser ältesten Zottenthiere der Eozän-Zeit war
es Anfangs zweifelhaft, ob man sie zu den Raubthieren oder
Nagethieren, zu den Hufthieren oder Herrenthieren stellen sollte; so sehr
nähern sich hier unten diese vier großen, später so
sehr verschiedenen Legionen der Placentalien bis zur Berührung.
Unzweifelhaft folgt daraus ihr gemeinsamer Ursprung aus einer einzigen
Stammgruppe. Diese Prochoriata lebten schon in der
vorhergehenden Kreide-Periode (vor mehr als drei Jahr-Millionen!) und
sind wahrscheinlich in der Jura-Periode aus einer Gruppe von
insektenfressenden Beutelthieren (Amphitheria) durch
Ausbildung einer primitiven Placenta diffusa entstanden, einer
Zottenhaut einfachster Art.
Die wichtigsten aber von allen neueren paläontologischen
Entdeckungen, welche Stammesgeschichte der Zottenthiere
aufgeklärt haben, betreffen unseren eigenen Stamm, die Legion
der Herrenthiere (Primates). Früher waren versteinerte
Reste derselben äußerst selten. Noch Cuvier, der
große Gründer der Paläontologie, behauptete bis zu
seinem Tode (1832), daß es keine Versteinerungen von Primaten
gäbe; zwar hatte er selbst schon den Schädel eines
eocänen Halbaffen (Adapis) beschrieben, ihn aber
irrthümlich für ein Hufthier gehalten. In den letzten beiden
Decennien sind aber gut erhaltene, versteinerte Skelette von Halbaffen
und Affen in ziemlicher Zahl entdeckt worden; darunter befinden sich
alle die wichtigen Zwischenglieder, welche eine
zusammenhängende Ahnen-Kette von den ältesten
Halbaffen bis zum Menschen hinauf darstellen.
Der berühmteste und interessanteste von diesen fossilen Funden
ist der versteinerte Affenmensch von Java, welchen der
holländische Militär-Arzt Eugen Dubois 1894
entdeckt hat, der vielbesprochene Pithecanthropus erectus. Er ist
in der That das vielgesuchte "Missing link", das angeblich
"fehlende Glied" in der Primaten-Kette, welche sich ununterbrochen vom
niedersten katarrhinen Affen bis zum höchst entwickelten
Menschen hinaufzieht. Ich habe die hohe Bedeutung, welche dieser
merkwürdige Fund besitzt, ausführlich erörtert in dem
Vortrage "Ueber unsere gegenwärtige Kenntniß vom
Ursprung des Menschen", welchen ich am 26 August 1898 auf dem
vierten Internationalen Zoologen-Kongreß in Cambridge gehalten
habe. Der Paläontologe, welcher die Bedingungen für Bildung
und Entdeckung von Versteinerungen kennt, wird die Entdeckung des
Pithecanthropus als einen besonders glücklichen Zufall betrachten.
Denn als Baumbewohner kommen die Affen nach ihrem Tode (wenn sie
nicht zufällig ins Wasser fallen) nur selten unter
Verhältnisse, welche die Erhaltung und Versteinerung ihres
Knochengerüstes gestatten. Durch den Fund dieses fossilen
Affenmenschen von Java ist also auch von Seiten der
Paläontologie die "Abstammung des Menschen vom Affen"
ebenso klar und sicher bewiesen, wie es früher schon durch die
Urkunden der vergleichenden Anatomie und Ontogenie
geschehen war; wir besitzen jetzt in der That alle wesentlichen
Urkunden unserer Stammesgeschichte.
Inhalt,
Kapitel
1,
2,
3,
4,
5,
6,
7,
8,
9,
10,
11,
12,
13,
14,
15,
16,
17,
18,
19,
20,
Schlußwort,
Anmerkungen,
Nachwort
Copyright 1997.
Kurt Stüber
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