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28. November 2004 -17. April 2005 |
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim | D5
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Die Stadt Herculaneum
Das antike Herculaneum lag zwischen den
heutigem Orten Portici und Torre del Greco, etwa 7 km westlich
des Vesuvs; die Meeresküste reichte in der Antike bis unmittelbar
an den Stadtrand. Durch das Erdbeben des Jahres 62, das in ganz
Kampanien große Verwüstungen anrichtete, wurde auch Herculaneum
stark in Mitleidenschaft gezogen. Aber auch hier war man damit
beschäftigt, die Schäden wieder zu beheben, als die Stadt im August
79 n. Chr. in nur wenigen Stunden unterging. Vieles deutet darauf
hin, daß man das Beben nicht für den Vorboten kommenden Unheils
hielt, sondern, wie überall in Kampanien, mehr oder minder daran
gewohnt war. Um so dramatischer muß für die Bewohner der Vesuvgegend
der unerwartete Ausbruch des Vulkans gewesen sein, der in wenigen
Stunden eine blühende Kulturlandschaft verwüstete. Nicht nur Stabiae
und Pompeji, sondern auch das mit nur 5000 Einwohnern noch wesentlich
kleinere Herculaneum wurden ein Opfer der Katastrophe.
Allerdings dürften die Bewohner Herculaneums durch die zunächst
einsetzenden Erdstöße sowie die gewaltige Säule aus eruptivem
Material, die sich über dem Vesuv bis in eine Höhe von etwa 30
km erhob, bereits alarmiert gewesen sein. Die Flucht aus der Stadt
begann vermutlich am späten Vormittag, als die Eruptionen bereits
eingesetzt hatten und die Sonne sich verdunkelte.
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Am 25. August,
gegen ein Uhr nachts, entstand durch das partielle Zusammenstürzen
der Eruptionssäule die erste tödliche Glutwolke. Mit der Geschwindigkeit
eines Orkans wälzte sich diese die Hänge des Vesuvs hinab und erreichte
Herculaneum in wenigen Minuten. Man kann allerdings davon ausgehen,
dass nahezu die gesamte Bevölkerung die Stadt zu diesem Zeitpunkt
bereits verlassen hatte, da bis heute nur 34 Skelette innerhalb
des Stadtgebietes selbst gefunden wurden.
Den Tod durch diese erste Glutwolke fanden aber jene, die sich bereits
an die in Küste geflüchtet hatten, in der Hoffnung, noch in letzter
Minute über See entkommen zu können, sobald sich dazu eine Gelegenheit
böte. Bei den seit 1981 im antiken Küstenstreifen unternommenen
Grabungen wurden nämlich inzwischen über 300 menschliche Skelette
gefunden.
Gegen zwei Uhr nachts wälzte sich dann eine zweite Glutwolke über
Herculaneum. Sie zerstörte die Gebäude der Stadt und riß zahlreiche
Baumaterialien mit sich fort. Aber inzwischen war schon jede Art
von Leben erloschen.
Bis zum Tagesanbruch erreichten noch weitere Glutwolken die Stadt
und begruben diese schließlich unter einer 23 m starken Schicht
aus Asche und Bimsstein, die nach der Austrocknung so hart wie Tuffstein
wurde. Im Gegensatz zu Pompeji waren in Herculaneum die Erhaltungsbedingungen
für organische Reste besonders günstig. Deshalb haben wir von dort
Pflanzenreste, Stoffteile, Türen, Holzmöbel und sogar Balken aus
den einzelnen Gebäuden. Im Gegensatz zu Pompeji war es in Herculaneum
aber bisher nicht möglich, von den einzelnen Opfern Gipsabgüsse
herzustellen.
Die Frühgeschichte Herculaneums, eines Ortes mit langer Vergangenheit,
aber ohne historisch relevante Ereignisse, ist vielschichtig und
der Pompejis verwandt. Nach Strabo waren auch hier Osker die ersten
Einwohner, dann folgten Etrusker und Griechen, der Ort wurde samnitisch
und schließlich ein römisches Municipium.
Die Schönheit der Landschaft, das milde Klima und die günstige Lage
der kleinen Stadt am Meer, die auch einen eigenen Hafen besaß, dürften
Familien der römischen Führungsschicht bewogen haben, sich hier
niederzulassen. Einen solchen Adelssitz stellt die sogenannte Villa
dei Papiri dar, die an Größe und prunkvoller Ausstattung alles übertrifft,
was bisher aus dem benachbarten Pompeji bekannt geworden ist. Auf
dem Plan ist ihr Grundriss zu sehen, das langgestreckte Gebäude
ganz links.
Die Entdeckung der Überreste des antiken Herculaneum im frühen 18.
Jh. erfolgte rein zufällig bei der Anlage eines Brunnenschachtes.
Die Grabungen begannen 1738, gestalteten sich aber wegen der nahezu
23 m hohen Ablagerungen vulkanischen Ursprungs außerordentlich schwierig.
Mit Hilfe von Schächten und Tunneln unternahm man die ersten Ausgrabungen.
Europaweites Aufsehen erregten die Funde, die bei der Erforschung
der Villa dei Papiri in den Jahren 1750-65 unter der Leitung des
Schweizer Architekten Karl Weber zu Tage kamen und die sich heute
im Museo Archeologico Nazionale in Neapel befinden. Die Erforschung
dieses riesigen Komplexes wurde zwischen 1985 und 1995 wieder aufgenommen,
ist aber immer noch nicht abgeschlossen. Zu den dort bei den jüngsten
Grabungen zu Tage gekommenen Funden gehört u.a. eine Marmorkopie
der sogenannten
Hera Borghese sowie die Marmorkopie eines Amazonenkopfes, nach einem
Werk des griechischen Bildhauers Kresilas.
Seit dem 18. Jh. bis in die Gegenwart ist in Herculaneum immer wieder
gegraben worden. Etwa sechs ha, d.h. ungefähr ein Drittel der Stadt
wurden inzwischen freigelegt. Da jedoch ein Teil der antiken Stadt
modern überbaut ist, sind der weiteren Ausdehnung des Grabungsareals
enge Grenzen gesetzt. Aus dem bisher freigelegten Teil der Stadt
lassen sich gleichwohl genaue Rückschlüsse auf die Gesamtanlage
ziehen. Sie folgt dem bekannten System der sich rechtwinklig kreuzenden
Straßen, den decumani und cardines, die eine Aufteilung des von
der Stadt eingenommenen Areals in einzelne insulae zur Folge haben.
Aus dem Baubestand, der inzwischen frei gelegt wurde, mit seinen
öffentlichen und privaten Bauten, gewinnt man schließlich eine recht
plastische Vorstellung von den Möglichkeiten, die das Leben in Herculaneum
seinen Bewohnern bieten konnte.
© Text: REM
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