I. Zur Einführung
Fragestellung: Warum den Roman "Tannöd" im Deutschunterricht behandeln? Wie und mit welchem Gewinn?- Wie kann ein Buch von einer unbekannten Autorin und fast ohne Marketing in kürzester Zeit zu einem Bestseller werden?
- Gibt es vielleicht doch eine Kraftwirkung, die aus der Qualität heraus auf eine Leserschaft ausstrahlt und auch ohne Werbe-Kampagnen wirkt?
- Ist dieses Buch tatsächlich eine Kriminalgeschichte? Passt es in die bekannten Genre-Beschreibungen?
- Was definiert einen Krimi - das erfolgreichste literarische Genre - überhaupt?
- Lassen sich Gründe finden für den Publikumserfolg?
- zur Medien-Recherche,
- zum Medien-Vergleich (Buch, Hörbuch, Hörspiel),
- zu Fragen der literarischen Genre-Bestimmung (Krimi oder nicht?),
- zum mündlichen und schriftlichen Präsentieren.
Bemerkung: An der 5. Frage sind wir gescheitert.
Der Kriminalroman "Tannöd" (2006) und auch die Autorin haben eine erstaunliche Karriere erlebt.
Andrea Maria Schenkel hatte zuvor noch nichts veröffentlicht, vergeblich hatte sie ihr Manuscript vielen Verlagen zur Veröffentlichung angeboten. Schließlich ließ sich ein (bis dahin) kleiner Verlag auf das Wagnis ein und brachte "Tannöd" als Kriminalroman heraus.
In kürzester Zeit gelangte der Roman in die Bestsellerlisten von "Spiegel" und "Fokus", wo er sich monatelang hielt.
Die Autorin bekam Preise für ihr Buch verliehen, es wurde zu einem Hörbuch (gelesen von Monika Bleibtreu) und ein Hörspiel (SWR2) weiterverarbeitet, eine Verfilmung steht an.
Zu den Preisen gehörte der "Deutsche Krimi Preis" und der "Friedrich-Glauser-Preis". Der Roman handelt zwar von einem Kriminalfall, aber einen Aufklärer, einen Kommissar oder Detektiv gibt es darin nicht. Es gibt nur Stimmen, die der Leser vernimmt, dazwischen einige Kapitel, in denen eine neutrale, auktoriale Erzählperspektive eingenommen wird. Und es gibt ausführlich wiedergegebene Litaneien, die zu bestimmten Augenblicken von unbekannten Sprechern angestimmt werden. Auch das ist eine Besonderheit dieses Romans: Der originelle, vielleicht auch unbekümmerte Umgang mit dem Genre.
Einen Plagiatsvorwurf hatten die Autorin und ihr Verlag auch abzuwehren, da die erzählte Geschichte auf einem wahren und bis jetzt unaufgelösten Kriminalfall basiert, mit dem sich auch andere Autoren beschäftigt haben: In dem Dorf "Hinterkaifeck" war in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts auf einem einsamen Hof eine Bauersfamilie grausam ermordet worden. Täter und Tatmotiv sind bis heute unaufgeklärt.
Mehrere Fragen stellen sich:
Solche Fragen fand ich so spannend, dass ich den Roman dem Deutschkurs 12 zur Lektüre vorschlug, auch wenn der Einkaufspreis des Buches noch ziemlich hoch war. Das Interessante bestand aber darin, dass das zu bearbeitende Buch mitten in einem nachvollziehbaren Rezeptionsprozess stand und jede Woche nachlesbar sich etwas Neues damit ereignete und z.T. immer noch ereignete (z.B. Verfilmung, Hörspiel, der Plagiats-Prozess, der nächste Roman von A. M. Schenkel und dessen Aufnahme in Kritik und Leserschaft).
Die Aktualität des Romans eröffnet ein weites Feld
Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.