Das FÜNF-(T)AKTE-Muster

Gottfried Keller: Kleider machen Leute (1866)

STRAPINSKIS UNFREIWILLIGER AUFSTIEG, TRAGISCHER FALL und GLÜCKLICHE RETTUNG

                               Verlobung und Entlarvung
                                /                    \
                               /                      \
                   Glück im Lotteriespiel              \
                   und in der Liebe                 Schande, Scham
                   (Wiedergutmachungspläne)           und Todeswunsch!?
                   /                                        \
             Stadtgang tags drauf                            \
             3. Fluchtversuch und                       Woher kommt die
             Entscheidung für die Rolle                     RETTUNG?
             /                                                   \
      Einladung zum Amtsrat                               Nettchen findet ihn
      2.Fluchtversuch                                       im Schnee und erzwingt
         /                                                   eine AUSPRACHE
  Ankunft im                                                         \
  Gasthaus >Zur Waage<                                       Lösung durch Nettchens
  1.Fluchtversuch                                                 entschlossenes Handeln

    EXPOSITION     ->    II.     ->      KRISE     ->      IV.     ->     LÖSUNG

Dieses Schema ist grafisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit, es stammt noch aus dem ASCII-Zeitalter (d.h. aus dem letzten Jahrtausend). Dafür noch ein kleines Unterrichts-Schmankerl als Dreingabe: Eine Einladung zur anstehenden Gerichtsverhandlung (auf leicht vergilbtem Papier):

Aus dem Goldacher Gäuboten vom 13.11.

AFFAIRE STRAPINSKI: Hochstapler entlarvt

Wochenlang führte ein arbeitsloser Schneider ein Doppelleben in Goldach - Jetzt Happy End in Seldwyla: "Graf Strapinski" heiratet reiche Amtsratstochter - Strapinski fühlt sich unschuldig: "Ich bin das Opfer einer Verwechslung!" - Ein Bericht vom Leiter unserer Lokalredaktion in Seldwyla

Nach zehn Wochen herrlichen Grafenlebens war die Sensation perfekt: Der angebliche "Graf" Strapinski wurde am letzen Wochenende während einer Fastnachtsveranstaltung von seinen ehemaligen Arbeitskollegen aus Seldwyla entlarvt. Dabei hatte es zunächst so gut begonnen:
Der arbeitslose Schneidergeselle Wenzel Strapinski wird auf seiner Wanderschaft in der Kutsche eines reichen Herrn mitgenommen, die ihn nach Goldach bringt. Der Kutscher gibt den Schneider als Grafen aus und es beginnt der rasche Aufstieg vom Schneidergesellen zum glücklichen Schwiegersohn des angesehenen Amtsrates Friedrich von Kottwitz.

Erst durch die Nachforschungen des Goldacher Bürgers Melcher Böhni konnte der Schwindel aufgedeckt werden. Wie Herr Böhni gegenüber unserer Lokalredaktion äußerte, habe er schon vom ersten Tag an Zweifel an der Identität des vermeintlichen Grafen gehabt. Des weiteren betont er, dass er sich mit der jetzigen Situation keineswegs zufrieden gebe. Vielmehr strebe er

einen Gerichtsprozess gegen den frisch verheirateten Schneider an. Er gehe davon aus, dass Recht und Ordnung in unserem Land zum Durchbruch verholfen werden müsse: "Es geht nicht an, dass Leute, die sich durch eine vorgetäuschte Identität Vorteile verschaffen, ungestraft bleiben sollen!" sagte der streitbare Böhni.

Demgegenüber beharrt Strapinski - wie wir von ihm telefonisch erfahren konnten - auf seiner Ansicht, dass er weder willentlich andere getäuscht, noch anderen geschadet habe. Vielmehr sei er selbst das Opfer eines Missverständnisses gewesen. Strapinski: "Alle haben um meine Gunst geworben, weil sie sich davon einen persönlichen Vorteil versprachen."
Ob dies vor einem unabhängigen Gericht bestehen kann, wird sich zeigen, wenn nächsten Monat das Oberlandesgericht Goldach sich mit der Affaire Strapinski beschäftigt. Es wird erwartet, dass zahlreiche Zeugen zur Vernehmung anstehen und der Prozess sich über mehrere Tage hinziehen wird.

 

Zu G. Kellers Novelle mehr und Genaueres HIER


Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz Themen-gerecht sein sollte.
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