PISA 2000-09: Überblick und Bilanz

PISA 2003:
Zusatzuntersuchung „Vertrautheit mit dem Computer”

„Eine zentrale Aufgabe der Schule ist es, Chancengleichheit im Zugang zu Wissen und Bildung zu gewährleisten. In Bezug auf neue Medien bedeutet dieses für Schulen, neben der Bereitstellung technischer Zugangsmöglichkeiten auch Kompetenzen für eine verantwortliche und partizipative Nutzung der neuen Medien zu vermitteln." (PISA 2003, Waxmann Verlag 2004 S. 177)

PISA 2003 analysiert den Stellenwert der Schule als primärer Vermittlungsinstanz Computer bezogener Kenntnisse für fünfzehnjährige Jugendliche. Wichtig ist zu unterscheiden, in wie weit die Kenntnisse innerhalb oder außerhalb der Schule erworben werden.
PISA 2003 untersucht auch, in wie weit es „potentiell benachteiligte Nutzergruppen“ gibt, das sind Personengruppen, denen auf Grund des soziökonomischen Status oder ethnischer Zugehörigkeit angemessene Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten in Bezug auf Computer fehlen.
Die Untersuchungen hierzu wurden in 25 Ländern durchgeführt.

Fragestellungen und Ergebnisse:

  1. Wie erfahren sind 15-Jährige im Umgang mit dem Computer?
    Deutsche Schüler zeigen im internationalen Vergleich ein besonders hohes Interesse am Computer. Nur in wenigen Staaten ist ein noch höheres Interesse vorhanden. (178)
    Deutsche Fünfzehnjährige schätzen ihre Kenntnisse im Umgang mit Computer und Internet etwas höher ein als der durchschnittliche OECD-Schüler.
    Der prozentuale Anteil, der neue Medien bereits seit mehr als 5 Jahren benutzt, entspricht mit 33 Prozent allerdings dem internationalen Durchschnittswert (34%).
    Zum Vergleich:
    In den englischsprachigen und skandinavischen Ländern verfügen die Schüler über einen sehr hohe schulische und häusliche Computernutzung, die Schüler haben „die mit Abstand längste Erfahrung im Umgang mit neuen Medien". Das Computerinteresse ist demgegenüber „vergleichsweise gering ausgeprägt" (179).
    Die PISA-Verfasser ziehen daraus den Schluss, „dass eine anfängliche Computereuphorie mit zunehmender Nutzung abnimmt und einer realistischeren Einschätzung der Nutzungsmöglichkeiten des Computers weicht." (180)
    FAZIT: Deutsche Schüler befinden sich demnach noch in der anfänglichen Phase der Computereuphorie.
  2. Die Frage ist nun, welchen Anteil die Schule daran hat.
    International hat die häusliche Nutzung des Computers seit PISA 2000 stärker zugenommen als die schulische Nutzung:
    • Schulische Nutzung (d.h. mehrmals wöchentlich) von 36 auf 39 Prozent.
    Häusliche Nutzung von 59 auf 73 Prozent.
    • In Deutschland: schulische Nutzung steigt von 16 auf 21 Prozent, die häusliche Nutzung dagegen von 63 auf 78 Prozent.

    FAZIT: Das bedeutet auch, dass in keinem anderen OECD-Staat der Computer so selten als Lernwerkzeug in der Schule eingesetzt wird.
    Die Stellenwert der Schule als primäre Vermittlungsinstanz computerbezogener Kenntnisse ist international gering: 21 Prozent der Schüler im OECD-Durchschnitt lernen Computer durch die Schule nutzen, es dominiert eindeutig der autodidaktische Zugang zu neuen Medien“ (181).
    Für Deutschland ist das Ergebnis noch ernüchternder: 10 Prozent der Schülerschaft geben die Schule hier als wichtigste Vermittlungsinstanz an.
    Für alle untersuchten Länder gilt, dass diejenigen Schüler, die sich ihre Computernutzung selbst erworben haben, ihre Fähigkeiten sehr hoch einschätzen, während diejenige Schülergruppe, deren Computerkenntnisse über die Schule vermittelt wurden, ihre Kompetenzen niedriger einstuft. Dieses Defizit fällt für Deutschland am größten aus. (182)
    Zugangsmöglichkeiten zum Computer spielen nur eine geringe Rolle". (183).
  3. Computernutzungstypen
    Anhand nationaler Ergänzungs-Untersuchungen wurden vier Nutzungstypen ermittelt:
    1. Die Enthusiasten (54%) interessieren sich sehr für die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und nutzen neue Medien entsprechend intensiv.
    2. Die Pragmatiker (25) sind in hohem Maße an den Nutzungsmöglichkeiten des Computers interessiert, nutzen diesen jedoch selten und fühlen sich dabei eher unsicher.
    3. Die Freizeitnutzer (15%) sind vielseitig am computer interessiert, schätzen ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet hoch ein, nutzen den Computer jedoch „fast ausschließlich freizeit- und spielebezogen."(185)
    4. Die unerfahrenen Computernutzer (9%) nehmen die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Computers nur in sehr geringem Maße wahr, setzen den Rechner aber „etwas häufiger für schul- und programmbezogene Anwendungen ein ... als die Freizeitnutzer."(185)
    Freizeitnutzer und unerfahrene Computernutzer gelten im Hinblick auf die Anforderungen des zukünftigen Berufslebens als „potentielle Risikogruppen".
    FAZIT: Die PISA-Autoren bewerten dies dahingehend, dass in Deutschland mehr als 20 Prozent der Fünfzehnjährigen „so gut wie keine Idee darüber entwickelt haben, für welche Zwecke der Computer ein geeignetes Hilfsmittel darstellen ... bzw. wie man ihn angemessen nutzen kann."(189)
  4. Jungen und Mädchen
    Die Verteilung der Geschlechter auf die oben genannten Nutzungsgruppen zeigt, dass Jungen und Mädchen die neuen Medien unterschiedlich nutzen. Jungen gehören zu 61 Prozent, Mädchen zu 48 Prozent dem Typus der Enthusiasten an. Dabei verfügen die Jungen noch über deutlich höhere Basiskenntnisse. (186/7)
    Bedeutsamer erscheint den Autoren der Umstand, dass in der potentiellen Risikogruppe der Freizeitnutzer Jungen nahezu dreimal so häufig anzutreffen sind als Mädchen. Gleichzeitig gehören doppelt so viele Mädchen wie Jungen der Gruppe der Pragmatiker an, die bei geringer Kompetenzzuschreibung dennoch hoch motiviert sind und häufiger anspruchsvolle Anwendungen einsetzen. (187)
    FAZIT: So ergibt sich das paradoxe Bild, dass - bei gleichzeitiger höherer Computerkompetenz - wesentlich mehr Jungen (24 Prozent) zur potentiellen Risikogruppe gehören als Mädchen (16 Prozent).
  5. Zusammenfassung
    - Die Schule hat in Deutschland einen zu geringen Stellenwert bei der Vermittlung Computer bezogener Kenntnisse
    - Außerhalb der Schule erworbene Computerkompetenzen sind umfangreicher als solche, die in der Schule erworben wurden.
    - Die potentielle Risikogruppe beträgt über 20 Prozent der Fünfzehnjährigen.
    - Die Zugangsmöglichkeiten (d.i. häusliche und schulische Medienausstattung) spielen bei allen Befunden „eine untergeordnete Rolle" (185).
    - Nach Schularten differenzierte Ergebnisse liegen nicht vor.

Abschließendes FAZIT 2003: „In den Schulen müssten den Jugendlichen also in sehr viel stärkerem Umfang als bisher sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten neuer Medien nahe gebracht und die entsprechenden computerbezogenen Kenntnisse und Lernstrategien vermittelt werden." (189)

Quelle: PISA-Konstortium Deutschland: PISA 2003.
Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland - Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs.
Waxmann 2004 S. 177 - 190


Zusammengefasst von Klaus Dautel, 2001-2011

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