Anhang (1)

* Forschungsbericht - Ansprechpartner
* Familie Frucht

Zeitzeugen:

* Malte Heygster
* Dr. Franz Kössler
* Familie Bräuer
* Hans Rudolf Gestewitz
* Alfred Albrecht
* Rudolf Lohse
* Dr. Rausch
* Dr. Wolfgang Vogel

Chemiewaffenexperten:
* Dr. Kremer
* Dr. Bernd Appler
* Dr. Günther Brauch

Politiker:
* Helmut Schmidt
* Dr. Gerhard Stoltenberg
* Dr. Walter Scheel
* Lothar de Maizière
Journalisten:
* Clive Freeman
* Gwynne Roberts
* Helmut Wonschick
* Karl-Willhelm Fricke
* Craig R. Whitney
* Dr. Axel Frohn

* Weitere Quellen
* Schwierigkeiten bei der Forschung
* Systematik der Arbeitsabläufe
* Persönliche Wertung meiner Forschungsarbeit

* Widersprüchlichkeiten in "Der Kälteste Krieg" - Textanalyse
* Bildanlagen

Forschungsbericht

Personenbeschreibung und Hintergründe über die von mir ausgewählten Zeugen

Ich habe mir vorgenommen, nachzuweisen, daß Professor Fruchts Handeln eine Art "stillen Protests" gegen das Machtstreben der Großmächte war. So wollte ich zum Beispiel Interviews mit Personen führen, die direkt oder indirekt mit der "Affäre Frucht" zu tun hatten, um aus den verschiedenen Standpunkten und Perspektiven ein möglichst vielschichtiges Bild des Protests zeichnen zu können. Ich will nun hier meine verschiedenen "Anlaufstationen" und die Wege und Fragestellungen kurz vorstellen:

Die Familie

Meine erste Anlaufstation für diese Arbeit war Professor Fruchts Familie. So suchte ich den Kontakt zu seiner 2. Ehefrau, Dr. Maria Frucht. Ich erkläre ihr, daß ich es mir zum Ziel gesetzt habe, die selbstlose Tat ihres Mannes als das darzustellen, als was ich es empfand: Nämlich beinahe ein Märtyrertum für seinen Protest gegen das Machtstreben des Ostblocks mit dem Ziel der Friedensrettung. In der DDR ist seine Tat damals als verrückt bezeichnet worden, man suchte ihm verzweifelt nachzuweisen, daß er all dies nur aus Gewinnsucht getan hatte, man bezeichnete ihn als Nazi, behauptete gar er habe damals seinen engen Verwandten Arvid Harnack an die Gestapo verraten - kurz, man tat alles um ihn und sein Werk ins schlechte Licht zu rücken. Später als Frucht schon im Tausch gegen den chilenischen Topagenten Jorge Montes in die Bundesrepublik übergesiedelt worden war, nahm man von ihm und seinem Schicksal kaum noch Notiz. Ich hatte es mir zum Ziel gesetzt, Zeitzeugen von Professor Fruchts "Tat" wieder "auszugraben", was sich nach Maria Fruchts Angaben als schwierig erweisen würde, weil sehr viele Menschen, die mir zu dem Thema etwas sagen könnten entweder spurlos verschwunden oder inzwischen verstorben sind. Ich bekam also von Frau Frucht die Erlaubnis, über die Geschichte ihres verstorbenen Mannes nachzuforschen und erhielt einige erste Adressen von Journalisten, die sich mit der Geschichte Adolf Henning Fruchts bereits vor mir befaßt hatten.
Da meine Nachforschungen Ende November ins Stocken gerieten, mußte ich mich noch einmal an Frau Dr. Frucht wenden. Ich benötigte dringend Akteneinsicht in Protokolle, die unmittelbar nach der Freilassung Professor Fruchts in den Westen angefertigt wurden. Da ich an verschiedenen Stellen aus Datenschutzgründen abgewiesen wurde, bat ich Frau Frucht, ob sie nicht evtl. an die Unterlagen herankommen könnte.
Auch im weiteren Verlauf meiner Forschungen mußte ich mehrfach Maria Fruchts Hilfe in Anspruch nehmen. Sie gab mir immer wieder bereitwillig Auskunft auf meine Fragen, besorgte mir Dokumente und Fotos und korrigierte einen Teil meiner Ausführungen.

Dem ältesten Sohn von Professor Frucht, Dr. Ulrich Frucht, hatte ich bereits Anfang November 1998 einen Brief mit Fragen zugesandt, hörte aber bis zum Jahresende nichts von ihm. Deshalb bat ich ihn am 27.12.98, mein Kapitel über die persönliche Vergangenheit seines Vaters zu korrigieren, damit mir hier keine Fehler unterliefen. Ich erhielt umgehend eine Rückmeldung und Entschuldigung, warum ich bislang noch keine Post von ihm erhalten hatte. Mein erster Brief war bereits beantwortet, aber noch nicht abgeschickt und die Korrekturen sollten umgehend folgen. Von der Zeit an telefonierte ich mehrere Male mit Dr. Frucht und erhielt von ihm mehrere Kopien zur persönlichen Geschichte seines Vaters. Ich hatte in ihm einen sehr offenen und ehrlich antwortenden Ansprechpartner gefunden.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Spiegel-Serie, Clive Freeman, Helmut Wonschick

Um mir erst einmal einen groben Überblick über das von mir gewählte Thema verschaffen zu können, versuchte ich zunächst, einige alte "Spiegel-Hefte" von 1987 aufzutreiben, da Maria Frucht mir erzählt hatte, daß es dort damals eine 5-teilige Berichterstattung über Ihren Mann gegeben hatte. Über eine spezielle Agentur erhielt ich nach mehreren Telefonaten schließlich die begehrten 5 Zeitschriften und konnte mir anhand der abgedruckten Artikel einen ersten Eindruck über das von mir gewählte Thema verschaffen. Ich machte den Autor der Serie schließlich ausfindig und bat ihn schriftlich, nachzusehen, ob im "Spiegel-Archiv" noch weitere bislang unveröffentlichte Informationen über Professor Frucht zu finden seien und wie er die Person und die damit verbundenen Vorgänge einschätzte. Seine Antwort erhielt ich am 07.01.99. Sie brachte mich aber leider nicht weiter.

Eine weitere wertvolle Quelle sollte das Buch "Der kälteste Krieg" werden. Hier fand ich die ersten Informationen zur Biographie und dem beruflichen Werdegang des Professors bis zu seiner Anklage wegen Spionage vor einem DDR-Militärgericht. Laut Angaben von Frau Dr. Frucht wurde der gesamte Bestand an gedruckten Exemplaren aber bereits kurz nach dem Erscheinen des Buches vom BND aufgekauft, so daß das Buch im Handel seit Jahren nicht mehr erhältlich ist. Ich forschte im Umfeld Fruchts nach einer Person, die das Buch besaß, was mir allerdings erst nach einiger Zeit glückte. Nachdem ich die Abhandlung größtenteils gelesen hatte, nahm ich mit einem der Autoren, Clive Freemann Kontakt auf. In einem Interview, das ich mit ihm am 10.10.98 in Berlin führte, erkannte ich, daß der Autor eine sehr hohe Meinung von Professor Frucht und seinen Zielen hatte. Clive Freeman befragte ich lange nach seinen Quellen, Eindrücken und Kenntnissen über A.-H. Frucht. Mr. Freeman ein sympathischer Engländer, der seit vielen Jahren in Berlin lebt, legte Wert darauf, mir zu vermitteln, daß er kein Sensations-Journalist sei und auf einen "Helden-Mythos" von Frucht bewußt verzichtet habe, um das Bild der Wahrheit nicht zu entstellen. Sein eiserner Wille, so genau und vielschichtig wie möglich zu recherchieren, machte ihn für mich zu einer Quelle erster Wahl - er war für mich sozusagen so eine Art Enzyklopädie, aus der ich zu allen Fragen genaue Informationen bekommen konnte. Es ist deshalb um so bedauerlicher, daß mein Gespräch mit dem Journalisten größtenteils durch mein "spinnendes" Diktiergerät zerhackt wurde, so daß jetzt in den Tonbandaufzeichnungen größere Stücke fehlen. Freemann gab an, daß er Fruchts Geschichte ursprünglich sehr skeptisch gegenüber gestanden habe. Er kam nach langen Recherchen jedoch zu dem Urteil, der Wissenschaftler sei "in gewissen Dingen genial" gewesen und er bezeichnete ihn als einen "Pazifisten und Humanisten".
Anfang 1999 diskutierte ich noch einmal ausführlich mit dem Journalisten über meinen neuesten Erkenntnisstand und meine daraus resultierenden Schlüsse. Zunächst wollte Mr. Freemann meinen Theorien nicht zustimmen. Einige Tage später rief er mich aber unvorhergesehen zurück und teilte mir mit, daß er in seinen Unterlagen eine Mitschrift eines Interviews gefunden habe, daß meine Vermutungen eindeutig unterstütze! Er sandte mir die englische Textversion per Fax zu und half mir so, meine Ideen auf einen "festen Unterbau" zu stellen!

Der 2. Autor des o.g. Buches war Gwynne Roberts. Er lebt heute in London. Da er sich überwiegend mit dem Aspekt der Geheimdienste beschäftigte, versuchte ich, ihn mit einem in Englisch verfaßten Brief anzuschreiben. Am 04.11.98 rief er mich unvermittelt zu Hause an. Zu meinem Erstaunen mußte ich feststellen, daß ich mir nicht so eine Mühe mit der Übersetzung meiner Fragen hätte machen müssen, da Mr. Roberts ausgezeichnet deutsch spricht!! Er konnte mir einiges über den Aufbau von CIC und CIA sagen, machte mir aber sehr wenig Hoffnung, genauere Dokumente bei den Geheimdiensten zum Thema "Frucht" aufspüren zu können. An dieser Aufgabe sei er auch schon gescheitert. Seine Erzählungen hatten denselben Tenor wie die seines Kollegen Freeman. Es sagte mir, daß Professor Fruchts Engagement so stark auf ihn gewirkt habe, daß er sich jetzt selbst mit dem Thema C-Waffen hauptberuflich befaßt! Am 02.12.98 rief ich Gwynne Roberts an, um mit ihm noch einmal über einige Einzelheiten aus dem Buch zu sprechen. Wir diskutierten ca. 1 Stunde lang über die verschiedensten Theorien, warum Professor Frucht die Formel für den Kältekampfstoff 1966 an den CIA weitergab.

Es gibt noch einen weiteren Autor, Helmut Wonschick, der sich intensiv mit der Geschichte Professor Fruchts auseinandersetzte. Der Titel seiner Publikation lautet: "Briefe aus Bautzen II". Hier sind die Briefwechsel zwischen Professor Frucht und seiner Frau und den Kindern während seiner Gefangenschaft, sowie Statements von Leuten abgedruckt, die mit "dem Fall Frucht" direkt zu tun hatten. Nach einem ersten Telefonat stufte ich ihn als eher negativ zu Professor Frucht eingestellt ein. Er war für mich Lieferant von wertvollem Quellenmaterial, bestehend aus Tonbandaufnahmen von Gesprächen mit Professor Frucht. Herr Wonschick stellte sich bei meinem persönlichen Besuch am 10.10.98 als sehr zurückhaltend dar, was die emotionale Beurteilungen von Herrn Frucht betraf. Diese Tatsache machte auf mich zunächst den Eindruck, Herr Wonschick habe sich nicht genug mit Professor Fruchts Persönlichkeit befaßt, da er weit nicht so deutlich wie Herr Freeman seine Beziehung zu ihm darstellte. Sein Standpunkt klang in meinen Ohren sehr distanziert und wenig bewundernd. Seine Meinung über Professor Frucht unterschied sich deutlich von dem Bild, das ich bisher von der Hauptperson hatte. Ich kannte Herrn Frucht nicht persönlich und baue meine Wissensgrundlage über ihn auf den Erzählungen auf, die ich von meinen Eltern kenne. Ich kannte ihn deshalb bisher als einen Menschen der ausschließlich aus Überzeugung gehandelt hatte. Einige Statements aus Wonschicks Meinungsbild waren damit allerdings nicht zu vereinbaren. Ich wurde unsicher, weil Wonschick’s Bild sich teilweise von Freeman’s und meinem Bild unterschied. So war ich fast geneigt, seine Äußerungen als schlichtweg falsch abzutun. Später stellte ich jedoch fest, daß er vieles richtig geschildert hatte. Seine persönliche Interpretation war jedoch eine andere, als die der anderen Befragten.
Im Verlauf meiner Arbeit konnte ich mich immer wieder auf Mitschnitte von Gesprächen stützen, die Herr Wonschick gemacht hatte, um eine Biographie von Professor Frucht schreiben zu können. Die Tonbänder wurden gegen Ende meiner Forschungsarbeit immer wichtiger, da ich mit Ihnen den Verlust der vielen Zeitzeugen teilweise ausgleichen konnte.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Malte Heygster

Im Buch "Der kälteste Krieg" hatte ich gelesen, daß Professor Frucht bei seiner Informandentätigkeit von seinem Neffen, einem Martin Rückert, unterstützt wurde. Mir erschien es nun wichtig, diese Person, die damals den Kontakt zwischen Professor Frucht und der CIC/CIA hielt, über die Ziele ihrer gemeinsamen Aktion zu befragen. Da Frau Frucht mir die Adresse ihres Neffen nicht nennen wollte, suchte ich in einem nationalen Telefonverzeichnis alle Martin Rückerts heraus und fand 20 Personen mit diesem Namen. Ich führte dann 20 Telefonate um die richtige Kontaktperson herauszufiltern. Aber keiner der von mir Angerufnenen gab an, einen Professor Frucht zu kennen, so daß ich annahm, der von mir gesuchte Martin Rückert leugne nur den Kontakt zu Professor Frucht aus Angst vor eventuellen Repressalien! (?)
Also schickte ich Maria Frucht insgesamt noch 2 Briefe, mit der Bitte um Weiterleitung an Martin Rückert. Ich versicherte in meinen Schreiben, daß ich die Identität des Kuriers nicht aufdecken wollte, sondern nur Informationen über den Ablauf und die Ziele der Spionagetätigkeit herausfinden wolle. Ich bekam aber keine Antwort auf meine Post! Bei meinem Berlinbesuch im Oktober 1998 sprach ich Frau Frucht noch einmal auf ihren Neffen an. Sie wollte seine Identität jedoch nicht enttarnen, wenn er selbst es nicht wünschte. Darüber war ich natürlich enttäuscht, mußte dies aber akzeptieren. Am Ende meines Berlin-Aufenthaltes wollte ich mich noch von Frau Dr. Frucht verabschieden. Sie begrüßte mich gleich freudestrahlend und teilte mit, daß Martin Rückert sie "morgen" besuchen wolle und er bereit sei, meine Fragen zu beantworten. So blieb ich dann noch bis zum nächsten Tag bei Fruchts um mich mit dem "Kurier" zu unterhalten. Nun erfuhr ich auch den Grund, warum ich bei meiner Suche nach ihm kein Glück gehabt hatte: In dem Buch "Der kälteste Krieg" wurde er mit einem Tarnnamen erwähnt. Sein richtiger Name lautet Malte Heygster. 1967 war er etwa in meinem Alter, was es mir möglich macht, heute noch mit ihm zu sprechen, denn er ist einer der wenigen Ansprechpartner, die noch nicht verstorben sind. Da er mir ausdrücklich erlaubte, als erster!!! seine Tarnung aufzuheben, werde ich ihn im weiteren Verlauf meiner Arbeit mit seinen richtigen Namen, Malte Heygster nennen.
Im Februar 1999 erhielt ich von Herrn Heygster noch 2 Filme, in denen die BBC die Hintergründe und die eigentliche Spionage Professor Fruchts darstellt.

Karl Wilhelm Fricke

Frau Frucht nannte mir auch noch den Namen eines Journalisten aus Köln, der eine ähnliche Leidensgeschichte wie ihr Mann hatte. Auch Karl-Wilhelm Fricke saß wegen Spionage in Bautzen II, der Justizvollzugsanstalt in der auch Professor Frucht untergebracht war, ein. Wenn Frucht auch erst zu einem späteren Zeitpunkt inhaftiert wurde, und er Herrn Fricke erst nach seiner Freilassung kennenlernte, konnte mir der Journalist trotzdem einige Fragen über die Art der Prozeßführung, Inhaftierung und Freilassung in der DDR beschreiben. Als eines der 8 Mitglieder der 1991 vom deutschen Bundestag eingesetzten "Enquete-Kommission zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" ist er ein vielbeschäftigter und engagierter Mann, so daß es sehr schwierig war, einen Termin für eine "Privataudienz" zu finden. Herr Fricke lehnte es ab, mir lediglich schriftlich auf meine Fragen zu antworten, da er ein sehr großes "Arsenal" an Dokumenten besitzt, das mir evtl. nützlich sein könnte um die Stasi Bespitzelungen in der ehemaligen DDR näher beleuchten zu können. Ich besuchte ihn in Köln am 21.11.98 und unterhielt mich mit ihm ca. 2 Stunden über die Machenschaften der Stasi, sein eigenes Schicksal und seine Erkenntnisse über Dr. Adolf Henning Frucht.
Zum besseren Verständnis seiner Person möchte ich an dieser Stelle kurz Fricke´s persönliche Erfahrungen mit der StaSi kurz erwähnen:

Herr Fricke lebte als Journalist in den 50iger Jahren in Westdeutschland. Seine Eltern wohnten in Ostdeutschland und waren dort starken Repressalien ausgesetzt. Deshalb entwickelte der Journalist von Anfang an eine sehr kritische Haltung zum DDR-Regime. Er veröffentlichte schon in den 50iger Jahren sehr viele Artikel über die sich anbahnenden Mißstände und sprach Mutmaßungen über das System aus, die offensichtlich "genau ins Schwarze" trafen. Die Stasi war wegen seiner Artikel scheinbar sehr beunruhigt und vermutete, daß Fricke informelle Kontakte zu wichtigen DDR-Organen haben müßte, da er viele Mißstände sehr genau benennen konnte. Herr Fricke wurde in den 50iger Jahren während eines Besuchs in West-Berlin überfallen, betäubt und nach Ost-Berlin verschleppt und unter schärfsten Bedingungen verhört. Schließlich wurde er wegen seiner angeblichen, aber niemals beweisbaren Geheimkontakte, zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Später wurde dieses Urteil aufgrund einer Anordnung von höchster Stelle in eine 4-jährige Haftstrafe umgewandelt, da der "Osten" erkannt hatte, daß er sich die wirtschaftlich erforderliche Öffnung zum "Westen" durch eine zu harte Rechtsprechung in Spionagefällen verbaute.

Da Herr Fricke ebenfalls in Bautzen II eingesessen hatte, und er Professor Frucht nach seiner Freilassung persönlich zu seinen Motiven befragt hatte, war er für mich ein äußerst interessanter Gesprächspartner. Ich las einige seiner Veröffentlichungen, in denen er sich äußerst kompetent und kritisch mit den Strukturen und Machenschaften der Stasi auseinandersetzt und befragte ihn am 05.01.99 nochmals telefonisch zu den im Kapitel "Kurskorrektur in meiner Aufgabenstellung" genannten Vermutungen.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Dr. Franz Kössler, Dr. Helga & Dr. Dieter Bräuer

Nachdem ich Maria Frucht einige Zeit bedrängt hatte, mir Namen von Personen zu nennen, die Ihren Mann aus der Zeit des Spionagefalles persönlich kannten, bat sie mich, ihr doch eine kurze Abhandlung über mein Vorhaben zu schicken. So sandte ich einen Spurensucherpaß und eine kurze Abfassung "Ich über mich" mit der Darstellung meiner Person und meines Vorhabens an Frau Dr. Frucht. Damit ging sie zu einigen Zeitzeugen und bat sie um Mitarbeit bei meinem Projekt. So bekam ich dann auch die Adresse des Mitarbeiters, der damals die Giftgasversuche im Institut für angewandte Physiologie durchführte - Dr. Franz Kössler. Zunächst versuchte ich, ihn telefonisch zu erreichen - ohne Erfolg. Dann schickte ich ihm einen Brief mit einigen Fragen und bat um ein persönliches Gespräch mit ihm; - keine Antwort! Als ich ihn dann schließlich doch einmal telefonisch erreichte, sagte er mir die Mitarbeit aus gesundheitlichen Gründen ab. Er sei "nach der Sache so vielen Repressalien und Bespitzelungen ausgesetzt gewesen, daß er heute nicht wieder daran erinnert werden wollte". (Q80)

So trat ich erneut an Frau Frucht heran und bat sie, mir Namen weiterer Mitarbeiter Ihres Mannes zu nennen. Frau Dr. Bräuer arbeitete 4 Jahre und Herr Dr. Bräuer 1 Jahr am Institut für Arbeitsphysiologie unter Professor Fruchts Anleitung. Am 01.11.98 schrieb ich sie an, erhielt aber keine Antwort. Deshalb rief ich am 01.12.98 noch einmal bei Bräuers an und bat um schriftliche Antwort auf meinen Brief. Gleichzeitig bat ich Frau Dr. Bräuer, doch einmal ein Gespräch mit Dr. Kössler über seine damaligen Versuche mit dem Kampfstoff zu führen, und mir darüber zu berichten, da er der einzige Zeitzeuge sei, der mir über den Versuchsablauf genaue Auskunft geben könne. Denn nach meinem ausführlichen Gespräch mit Dr. Peter Rausch tauchten für mich Widersprüche auf. Diese konnte ich nur mit Dr. Kösslers Hilfe klären. Da Dr. Kössler mir keine Auskunft geben wollte, "organisierte" ich mir eine Tonbandaufnahme, die Herr Wonschick von einem Gespräch zwischen ihm, Professor Frucht, Dr. Kössler, Dr. Rausch und Clive Freeman 1992 gemacht hatte. So kam ich dann doch noch zu entlarvenden Aussagen des Zeitzeugen Dr. Kössler. Seine auf dem Tonband wiedergefundenen Äußerungen bestätigen mich nun darin, die "Spionage" Professor Fruchts heute mit anderen Augen zu sehen. Trotzdem versuchte ich noch einmal mit einem "Weihnachtsbrief", den Forscher aus der Reserve zu locken. Ich bat ihn nochmals, mir wenigstens die Fragen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Versuchen standen, zu beantworten. Doch auch auf diese Anfrage antwortete er zunächst nicht. Dann aber, am 29.Dezember erreichte mich völlig überraschend eine schriftliche Antwort von ihm, die aus einem Ausschnitt eines Artikels über die Geschichte des Institutes, speziell bezogen auf die Forschung mit Leuchtbakterien, bestand. In diesem Abschnitt konnte ich sehr viele brauchbare Informationen finden, die den bisherigen Spekulationsverlauf meiner Forschungen bestätigten.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Dr. Peter Rausch und weitere Chemiewaffenexperten

Im Buch der "Kälteste Krieg" war zu lesen, daß ein Militärarzt namens Dr. Rausch die Giftgasproben in das Institut Professor Fruchts brachte. Dort sollte überprüft werden, ob die von Dr. Frucht und Dr. Kössler entwickelte Nachweisprüfung für chemische Waffen mit Leuchtbakterien aussagekräftiger war, als die bisherige Nachweismethode mit Cholin-Esterase. Mich interessierte, warum Professor Frucht mit dem gefährlichen Stoff arbeiten sollte, obwohl er keine militärische Sicherheitsstufe besaß und auch sein Labor für derartig gefahrenträchtige Versuche nicht ausgestattet war.

Da Dr. Rausch heute mit der Kampfstoffvernichtung betraut ist, weiß er sehr gut einzuschätzen, wie gefährlich das "Kältegas" wirklich war. Dr. Rausch bot mir ein persönliches Gespräch an, da auch er über eine umfangreiche "Materialsammlung" verfügte, die evtl. für die Bearbeitung meines Themas wichtig sein könnte. Deshalb besuchte ich ihn in Munster/Oertze am 21.11.98 direkt im Anschluß an mein Gespräch mit Herrn Fricke.

In der Folgezeit wurde Dr. Rausch für mich zu einem der wichtigsten Zeitzeugen, wenn es darum ging, den Sinn Professor Fruchts Protest zu belegen. Aus diesem Grund wertete ich einen 90-minütigen Tonbandmitschnitt eines Gespräches zwischen Professor Frucht, Dr. Kössler und Dr. Rausch von 1992 aus und befragte anschließend noch mehrmals Dr. Rausch zu weiteren Details. Ich erhielt von ihm viele wertvolle Hinweise und Adressen zur Überprüfung meiner Theorien.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

So schrieb ich am 04.11.99 noch zwei weitere, von Dr.Rausch benannte Chemiewaffenexperten an. Diese waren beide schon "vor der Wende" in der "BRD" mit der Analyse und Anwendungsfragen im Gebrauch der Chemiewaffen beschäftigt. Dr. Kremer, der heute beim Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien und ABC-Schutz beschäftigt ist, antwortete mit umgehend und sehr ausführlich über die chemischen Eigenschaften des Nervengases VX und seiner Derivate.
Dr. Bernd Appler ist Chef einer Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten. Auch er antwortete mir umgehend und teilte mir mit, daß die Firma Bayer bereits einige Jahre, bevor Professor Frucht die Formel des Kältekampfstoffes an die Amerikaner weitergegeben hätte, eine Substanz mit gleicher Strukturformel zum Patent angemeldet hätte.

Dr. Günter Brauch

Beim Stöbern nach wissenschaftlichen Publikationen von oder über Professor Frucht stieß ich auf ein Buch mit dem Namen "Chemische Kriegsführung - Chemische Abrüstung" . Das Vorwort mit dem Thema "Chemische Waffen und die Verantwortung des Naturwissenschaftlers" für dieses, von Herrn Dr. Brauch herausgegebene Buch schrieb Professor Frucht. Herrn Dr. Brauch wollte ich befragen, um zu erfahren, welchen Stellenwert die 1966 verratene Giftgasformel für die Amerikaner gehabt haben könnte. Außerdem interessierte mich, zu erfahren, ob mit dieser damals neuen C-Waffe evtl. ein Schlupfloch in den Abrüstungsvereinbarungen gefunden war. Wenn ja, wäre Professor Fruchts Information um so "heißer" gewesen... Dr. Brauch ist Politologe und wurde von Professor Frucht zu dessen Lebzeiten immer wieder ermuntert, auf die Chemiewaffenproblematik öffentlich hinzuweisen. Ich hoffte deshalb, daß mir Dr. Brauch auch über die Motivation Fruchts mehr sagen konnte. Nachdem ich auf meine briefliche Anfrage hin umfangreiche Literatur über die C-Waffen-Abrüstung erhalten habe, unterhielt ich mich am 15.11.98 ca. 1,5 Std. mit dem Politologen über die Motive, Auswirkungen des Protests und Folgen für den Wissenschaftler Frucht.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Dr. Wolfgang Vogel

Er war der "Anwalt zwischen Ost und West". Über ihn liefen alle Agentenaustauschaktionen und er war Professor Fruchts Verteidiger. Im Buch "Der kälteste Krieg" schreibt Professor Frucht, daß "der wahre Grund meines Handelns im Prozeß gar nicht zur Sprache gekommen ist, und daß das Plädoyer völlig irreführend war". Ich wollte wissen, wie die Verteidigung ablief und ob Dr. Vogel die "wahren Gründe" noch erfahren hat.... Da Dr. Vogel seit "der Wende" selbst im Kreuzfeuer der Kritik und wegen Veruntreuung vom Gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, aber später wieder freigesprochen war, war er nun "untergetaucht". Ich habe versucht über Politiker, Verlage u.ä. die neue Adresse des Unterhändlers der ehemaligen DDR ausfindig zu machen, doch niemand wußte, wohin Dr. Vogel verzogen war. Durch einem glücklichen Umstand und Kombination gewisser Daten fand ich seine Adresse doch noch heraus. Ich bat ihn auch um Stellungnahme, auf wessen Betreiben hin Professor Frucht schließlich nach 10 Jahren Haft frei kam. Da Dr. Vogel mir meine Fragen wegen seiner anwaltlichen Schweigepflicht nicht beantworten konnte, schrieb ich ihn am 10.11.98 ein 2. Mal an, formulierte meine Fragen an ihn neu und bat um eine rein private Einschätzung des Falles. Die Antwort, die ich auf mein 2. Schreiben hin am 20.11.98 erhielt, brachte mir zunächst auch nichts Neues. Nachdem ich mich aber am 21.11.98 lange mit Dr. Rausch über Professor Fruchts "Spionage" unterhalten hatte, glaubte ich, in den wenigen Sätzen Dr. Vogels "zwischen den Zeilen" die Bestätigung für meine völlig neue Theorie über "den Fall" erkennen zu können. Deshalb rief ich den Anwalt am 22.11.98 noch einmal an, um ihn zu fragen, ob ich seine Hinweise richtig deutete. Er bestätigte meine Vermutungen, so daß sich meine Forschungen in Bezug auf eine eventuelle bewußte Täuschung Professor Fruchts in eine völlig neue Richtung bewegten.
Zu Weihnachten schickte ich Professor Dr. Vogel eine Grußkarte, auf der ich ihn auch kurz über meine derzeitigen Probleme informierte. Der Rechtsanwalt rief mich daraufhin völlig überraschend an und wies mir einen Weg, auf dem ich meine Spurensuche weiterführen sollte.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Craig R. Whitney, Dr. Axel Frohn

Mr. Whitney ist European Diplomatic Corresponent der New York Times und hat ein Buch über Dr. Vogel geschrieben, in dem viele Zusammenhänge über dessen Tätigkeit aufgearbeitet werden. Eigentlich war mir von Frau Dr. Frucht ein anderes Buch über den "Anwalt zwischen Ost und West" empfohlen worden. Aber wie schon so oft war auch diese Publikation im Handel nicht mehr erhältlich. So suchte ich in einem Verzeichnis für Bibliothekare nach weiteren Veröffentlichungen zu Dr. Vogel. Ich hatte die Hoffnung, auf diesem Wege eventuell "durch die Hintertür" etwas mehr zu Professor Frucht erfahren zu können. So fand ich heraus, daß das neueste Buch über Dr. Vogel, "Basar der Spione" noch im Handel war. Ich bestellte es und meine Hoffnungen auf neue Informationen bestätigten sich. Professor Fruchts Geschichte wurde an 3 Stellen erwähnt. Im Endteil des Buches dankte der Autor, Norbert F. Pötzl, ausdrücklich Mr. Craig Whitney wegen der Überlassung seiner Akten aus dem State Departemert und dem CIA. Dies schien mir interessant, da ich mir so einen Zugang zu Geheimdienstnotizen versprach. Mr. Whitney arbeitet inzwischen nicht mehr bei der New York Times in Deutschland, sondern ist jetzt Chefkorrespondent in Paris. Ich schrieb ihn an und bat um nähere Erläuterungen aus CIA-Sicht zu diesem Fall. Da der Journalist Professor Frucht auch persönlich kennengelernt hatte, war er mir ein sehr hilfsbereiter und guter Zeuge. Er schrieb mich zweimal an und stellte mir Kopien aus verschiedenen Büchern und Auszüge der Notizen von einem Gespräch am 25.06.91 mit Professor Frucht zur Verfügung.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Auch Dr. Axel Frohn wurde bei den Danksagungen im obigen Buch über Dr. W. Vogel als Informand und Lieferant von CIA-Unterlagen benannt. Es wurde lediglich erwähnt, daß er in Washington lebte. Also versuchte ich mit Hilfe eines Bekannten via Internet irgendwie seine Anschrift oder E-Mail-Adresse herauszufinden. Ich fand den Historiker auf einer Mitgliedsliste eines Washingtoner Instituts. An dieses schickte ich am 17.11.98 ein E-Mail mit der Bitte um Weiterleitung. Da ich bis Ende Dezember nichts von Dr. Frohn hörte, mußte ich nach neuen Wegen suchen, an zuverlässige Informationen zu gelangen. Ich versuchte, seine Adresse über eine in Amerika lebende Bekannte herauszufinden und schrieb Herrn Frohn ein zweites Mal an. Da die Möglichkeiten, den Historiker zu erreichen, etwas ungewiß waren, wandte ich mich schließlich am 08.01.99 noch einmal schriftlich an das German Historical Institute in Washington, mit der Bitte, mir jemanden zu benennen, der seine Einschätzung zum "Fall Frucht" aus Sicht der USA geben könnte. Ich bekam aber bis zum Ende meiner Forschungsarbeit nicht einmal eine Bestätigung, daß meine Schreiben eingegangen seien. Wegen der fehlenden Rückmeldungen konnte ich die amerikanischen Interessen und Aspekte bei der Tat Professor Fruchts leider nicht beleuchten.

Helmut Schmidt, Dr. Gerhard Stoltenberg, Dr. Walter Scheel

Ebenfalls im o.g. Buch über Dr. Wolfgang Vogel wurde erwähnt, daß Dr. Vogel mehrfach mit Helmut Schmidt, der damals Bundeskanzler war, über Professor Frucht sprach. Dr. Vogel schlug einen Austausch gegen Günter Guillaume vor, den der Kanzler aber offensichtlich ablehnte. (Q81) Deshalb fragte ich am 04.11.98 schriftlich über die SPD-Fraktion nach, weshalb der Politiker damals von diesem Tausch nichts wissen wollte. Am 25.11.98 erhielt ich die Antwort, daß der ehemalige Bundeskanzler "so sehr mit anderen Aufgaben bei der Wochenzeitung "die Zeit" beschäftigt sei, daß er bedauerlicherweise keine Zeit zur Beantwortung meiner Fragen" habe. Daraufhin organisierte ich mir die Telefonnummer des Verlages in Hamburg. Ich rief dort an und ließ mich mit Helmut Schmidts Sekretärin verbinden. Ich schilderte ihr mein Problem und bat sie, meinen Brief noch einmal an ihren Chef weiterzuleiten, da ich den Eindruck gehabt hätte, daß mein Schreiben gar nicht erst bis zu Herrn Schmidt vorgedrungen sei. Sie versicherte mir, daß "er hier nicht umhin käme, seine Post selbst zu lesen" und daß sie "davon ausgehe, daß ich eine Antwort erhielte". - Der lange erwartete Antwortbrief erreichte mich schließlich am 08.01.99. Ich erhielt durch die Sekretärin mitgeteilt, daß Herr Schmidt sich "trotz intensiven Nachdenkens nicht an einen Vorfall erinnern könne, der im Zusammenhang mit dem Namen "A.H. Frucht" gestanden" haben könnte. Er erinnerte sich nur noch, daß er "generell dem Austausch Günter Guillaumes abgelehnt" hätte.

Dr. Gerhard Stoltenberg war 1966 Forschungsminister in der Bundesrepublik. Ich hoffte daher, Informationen darüber erhalten zu können, inwieweit damals ein wissenschaftlicher Kontakt oder Gedankenaustausch zwischen den beiden deutschen Staaten möglich war. Auf mein Schreiben vom 04.10.98 antwortete er am 13.11.98. Da er den "Fall Frucht" nicht kannte, konnte er mir nur bei der Beurteilung der allgemeinen wissenschaftlichen und militärischen der Situation der 60-iger Jahre weiterhelfen.

Dr. Walter Scheel war 1966 Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und arbeitete später in der Koalition mit der SPD unter Willi Brandt an der Öffnung zum Osten mit. Deshalb erhoffte ich mir hier einige politische Hintergrundinformationen, die man nur von einem echten "Insider" erfahren konnte... Ich schrieb Dr. Scheel am 05.10.98 und am 15.11.98 an, erhielt aber keine Antwort.

Alle 3 Politiker sind gesellschaftlich sehr hochgestellte und deshalb mit einem "Schutzwall" umgebene Persönlichkeiten. Über die jeweiligen Bundestagsfraktionen erhielt ich nach einigen Telefonaten die Kontaktadressen, an die ich meine, für jeden Politiker individuell formulierten Fragen sandte. Der einzige Politiker, der sich Mühe gab, mir zu helfen, war Dr. Stoltenberg. Er konnte mich aber leider nicht weiter bringen, da er in den Fall nicht involviert war. Helmut Schmidt ließ mir nur mitteilen, daß er mir viel Erfolg wünsche und sich an Professor Frucht nicht erinnern könne, und leider keine Zeit für mein Problem habe, da er anderweitig sehr stark gefordert werde.

Lothar de Maizière

Zufällig las ich am 08.10.98 in der Tagespresse, daß Lothar de Maizère an diesem Tag in Koblenz einen Vortrag über "Die Bilanz der deutsch-deutschen Politik" aus Anlaß der Wiedervereinigung vom 03.10.90 halten wollte. So fuhr ich abends kurz entschlossen nach Koblenz, um mir seine Ausführungen anzuhören. Ich hatte mir bereits beim Mittagessen in aller Kürze Gedanken gemacht, inwieweit Herr de Maizière mir bei meinem Thema weiterhelfen könnte. Und so schrieb ich auch für ihn eine kurze Abhandlung über mein Vorhaben, Professor Frucht und meine speziellen Fragen an ihn als politischen Vertreter der ehemaligen DDR. Am Ende der Veranstaltung suchte ich den Redner auf, bat ihn um Mitarbeit bei meinem Projekt und überreichte ihm den vorbereiteten Brief. Bereits kurze Zeit später erhielt ich eine leider enttäuschende Antwort: "Seinerzeit war ich weder im wissenschaftlichen noch im militärischen Bereich tätig, so daß ich über keine diesbezüglichen Erfahrungen verfüge".

Dies verwundert mich, da ich ebenfalls im Buch über Dr. Vogel lesen konnte, daß bereits der Vater, Clemens de Maizière Rechtsanwalt mit einem Sonderstatus, ähnlich dem Dr. Vogels, in Ost- und Westberlin eine Anwaltskanzlei bis zum Mauerbau betrieb. (Q82) Deshalb konnte man davon ausgehen, daß die Juristenfamilie de Maizière schon lange bevor Lothar de Maizière der letzte Ministerpräsident der sterbenden DDR wurde, im politischen Leben Ostdeutschlands nicht ohne Bedeutung war....

Generalleutnant Hans Rudolf Gestewitz

Laut Angaben Maria Fruchts waren ihr Mann und Dr. Gestewitz früher einmal gut miteinander bekannt und schätzten sich sehr. Sie zeigte mir einen Artikel aus dem "Spiegel", mit dem Titel: "Eine Luft wie Champagner, Aufbau Ost". Hier wurde angeprangert, daß es sich ein Großteil der ehemaligen hochrangigen "Genossen" in Bad Saarow beim "Milliarden- Monopoly" gut gehen ließe. Gestewitz hatte die Wende offensichtlich sehr gut überstanden. Der ehemalige Leibarzt und Vertraute Ulbrichts "ist seit 1976 Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Gold und war qua Amt mit der Innernaussstattung der Macht vertraut, wie wenige - von Mauertoten bis zu Kält- und Giftgasversuchen" (...) "Heute ist er Mitinhaber des 1000-Mann Betriebes "Humaine-Klinikum" Bad Saarow und lebt im Kapitalismus nicht schlecht".... (Q83)

General Gestewitz gab mehrere Hinweise an Professor Frucht, die diesen "alarmierten" und dazu führten, daß er 1966 wieder Kontakt zum CIA aufnahm, um eine drohende Gefahr des Weltfriedens abzuwenden. Er erwähnte in einem Gesprächen mit dem Professor, daß "wir jetzt was in der Kälte" (Q84) haben. Er meinte damit, daß der Ostblock über C-Waffen, die kältestabil waren, verfügte. Nachdem ich lange unentschlossen war, ob ich meine Zeit vergeuden sollte, um an jemanden zu schreiben, der mir wahrscheinlich niemals antworten würde, setzte ich mich am 15.11.98 an meinen Computer und entwarf ein Schreiben, das so abgefaßt war, daß es den General doch verleiten sollte, mir zu antworten. Bisher waren alle Versuche von Journalisten fehlgeschlagen, einen Kontakt zu Herrn Gestewitz herzustellen, doch ich habe es trotzdem versucht, weil ich damit gerechnet habe, er könne inzwischen durch die veränderte politische Situation und mehr Abstand seinen Mantel des Schweigens über die Vergangenheit abgelegt haben. Ich wurde leider in meinem Optimismus enttäuscht und bekam keine Antwort auf meine diesmal besonders sorgsam formulierten Fragen.
Ende Dezember 1998 erfuhr ich in einem Telefongespräch mit Dr. Rausch, daß General Gestewitz offensichtlich "kürzlich" verstorben sei. Dr. Rausch hatte in einer Berliner Tageszeitung zufällig die Todesanzeige gelesen.

Alfred Albrecht, Rudolf Lohse

Alfred Albrecht "genoß 3 Jahre lang die Gastfreundschaft Fruchts in der Zelle 713 in Bautzen II" (Q85). Auch Herr Albrecht war 1974 wegen Spionage verurteilt worden. Da die beiden ehemaligen "Zellengenossen" auch bis zu Professor Fruchts Tod guten Kontakt miteinander hatten, hoffte ich hier viel über die Tat und die Motive zu erfahren. Herr Albrecht sagte mir spontan telefonisch seine Mitarbeit zu und antwortete mir am 02.11.98 auch schriftlich auf meine Fragen.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

Rudolf Lohse lernte "Henning" in den Freistunden in Bautzen II kennen. Auch er verbüßte dort eine 15-jährige Haftstrafe wegen "Sabotage gegen den Staat". Er antwortete mir sehr schnell und sehr umfangreich und gewissenhaft, um mir die Gelegenheit zu geben, mir ein vollständiges Bild von den damaligen Verhältnissen zu machen.
Aussagen zum Protest Professor Fruchts

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