Zwangsarbeit - Lager vor Ort - Interview...

...mit Frau Hilde Schmid, Ludwig-Herrmann-Str. 4, geb. 1927

Wir hatten ab etwa 1942 einen Russen in der Zimmerei beschäftigt, er hiess Roman. Geboren Jahrgang 1900, er war genauso alt wie mein Vater. Roman kam jeden Morgen zur Arbeit zu uns, er wohnte in der Brauerei Straßer, damals hatte der Straßer noch eine Landwirtschaft dabei.
Im ersten Stock war ein Saal, wo die Kriegsgefangenen Russen untergebracht waren. Sie wurden in der Nacht von mehreren verwundeten, an der Front nicht mehr einsatzfähigen Soldaten bewacht.
Jeden Tag, mit Ausnahme des Sonntag wurde von 7-12 und von 1-5 Uhr gearbeitet, der Roman erhielt bei uns Mittagessen und nach 5 Uhr eine Brotzeit.
14 Tage bevor die Amerikaner einrückten, durften die Russen nicht mehr arbeiten und mussten in ihrer Unterkunft bleiben. Deshalb brachte ich ihm einmal am Tag Essen, das aber nicht alle Russen von den Bauern, bei denen sie arbeiteten, erhielten.
Schon bevor die Amerikaner näher rückten, sagte der Roman, er habe Angst, von den deutschen Soldaten erschossen zu werden. Deshalb hat mein Vater für Roman in dem Schuppen gegenüber, der ja heute noch steht, ein Versteck gebaut. Glücklicherweise brauchten wir das Versteck nicht zu benutzen, die Amis rückten ja dann ganz schnell ein.
Die Stadt wurde ja von Herrn Dembinski an die Amerikaner übergeben.
Ich weiss auch, dass Fremdarbeiter bei der Maschinenfabrik Lindenmeir arbeiteten, mindestens fünfzehn Russen.
Als mein Vater nämlich die Werkstatt in der Ludwig-Herrmann-Strasse ausbaute, arbeiteten die Russen von der Firma Lindenmeir bei uns und hoben das Fundament aus.
Jeden Mittag konnte ich auch beobachten, dass vier italienische Kriegsgefangene mit einem Wachsoldat Essen hinunter zur Lechchemie brachten. Der Helmhof gehörte der IG Farben, und dort war auch eine Küche, in der sie das Essen für die Kriegsgefangenen hinbrachten.

Den Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern in Gersthofen ging es in der Regel nicht schlecht, denn ansonsten hätten sie nach der Befreiung durch die Amerikaner sich vermutlich bei der einheimischen Bevölkerung gerächt und geplündert. Dazu ist es nicht gekommen, was zeigt, dass die Fremdarbeiter, die ja noch ca. 14 Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner dablieben, verhältnismäßig zufrieden mit ihrer Behandlung durch die einheimische Bevölkerung gewesen sind.

Auch bei der Firma Hery waren Kriegsgefangene und Fremdarbeiter untergebracht, etwa dort, wo die heutige Umgehungsstraße beim ehemaligen Möbelmarkt vorbeiführt. Das Lager für die Fremdarbeiter, das von dem der Kriegsgefangenen abgetrennt war, befand sich außerhalb des Betriebsgeländes von Hery. Die Herys waren christliche Leute und haben ihre Fremdarbeiter und die Kriegsgefangenen gut behandelt. Man hat nichts gegenteiliges darüber gehört.
Viele der Russen, die in Gersthofen als Kriegsgefangene oder Fremdarbeiter während des Krieges arbeiteten, hatten Angst, nach ihrer Rückkehr nach Russland als Überläufer bestraft zu werden.
Bei den Bauern arbeiteten anfangs kriegsgefangene Franzosen, später dann kriegsgefangene Russen. Viele Bauern hatten seit 1940 zivile Polen als Zwangsarbeiter.

Ich erinnere mich auch noch daran, daß im Gasthof Stern (Inhaber Familie Seitz) an die 20 französische Studenten wohnten, die bei der Lechchemie arbeiteten und jeden Tag mit einem halben Liter Milch versorgt wurden. Das war schon außergewöhnlich, denn Milch erhielten ja nicht einmal die Mütter. Man muß also davon ausgehen, dass die Tätigkeit, die sie bei der Lechchemie im Labor nachgingen, ziemlich gefährlich gewesen sein muss.

Gersthofen, den 2. April 2001

Hilde Schmid


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