Zwangsarbeit - Lager vor Ort - IG Farben
Belegschaft der Lech-Chemie (IG Farben) Gersthofen im II. Weltkrieg
Stand am | Insgesamt | Werks- angehörige m/w |
Dienstverpflich- tete Deutsche m/w |
Ausländische Zivilarbeiter m/w | Russische Kriegs- gefangene |
Italienische Militär- internierte |
1.1.1939 | 494 | 492/2 | ||||
1.1.1940 | 406 | 392/14 | ||||
1.1.1941 | 502 | 471/31 | ||||
1.1.1942 | 521 | 479/32 | 10 | |||
1.1.1943 | 603 | 389/31 | 33 | 83/8 | 59 | |
1.1.1944 | 656 | 364/48 | 39/22 | 74/5 | 57 | 46 |
1.1.1945 | 651 | 310/84 | 22/15 | 154/5 | 58 | in Spalte 5 |
Quelle: Geschichte und Chronik des Werkes Gersthofen, ca. 1950; Liste der US-Administration vom 4.6.51
Die Statistik ist in mehrerlei Hinsicht aufschlussreich: 1. Hielt man offensichtlich in den Kreisen der Industrie wie der Reichsleitung eine Anstellung ausländischer Arbeitskräfte bis Ende 1942 für nicht notwendig und den Endsieg für greifbar nahe 2. Ein Umdenken erfolgte erst Anfang 1943 nach den militärischen Niederlagen in der Sowjetunion. Albert Speer als verantwortlicher Leiter der gesamten Kriegswirtschaft nahm darauf hin die Umstellung der Rüstungsindustrie auf die totale Kriegswirtschaft vor und steigerte trotz der Beschädigung der deutschen Infrastruktur und die Beeinträchtigung der Rohstoffversorgung durch die alliierten Bombenangriffe die Rüstungsproduktion bis 1944 auf einen Höchststand. Speers Organisation der Kriegswirtschaft beruhte wesentlich auf dem Einsatz von Zwangsarbeitern und Häftlingen aus Konzentrationslagern (KZ). 3. Dieser Kontext spiegelt sich in der Verpflichtung ausländischer Arbeitskräfte wie in der Dienstverpflichtung deutscher Arbeitskräfte, darunter auch Frauen bei der Lechchemie spätestens seit Anfang 1943. 4. Neben den russischen Kriegsgefangenen arbeiteten bei der Lechchemie vornehmlich französische Zivilarbeiter. Viele von ihnen waren 1941 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden und konnten damit in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden. Die Franzosen blieben keineswegs freiwillig da, sondern wurden von der DAF zwangsverpflichtet, genossen aber weitaus mehr Freiheiten als die sog. Ostarbeiter. 5. Im Laufe des Jahres 1944 oder schon ab September 1943 kamen italienische Militärinternierte als Arbeitskräfte hinzu, für welche die Genfer Konvention für Kriegsgefangene von den Nationalsozialisten nicht akzeptiert wurde und die deshalb ebenso in der Kriegswirtschaft eingesetzt wurden, also auch bei Transehe und der Lechchemie. Sie standen als Gefangene in der Hierarchie der Zwangsarbeiter nach dem Waffenstillstand der Italiener mit den Alliierten am 8. September 1943 auf der untersten Ebene mit den russischen Kriegsgefangenen ("Badoglioschweine", "Badoglioverräter") und wurden auch dementsprechend menschenverachtend behandelt. Der Bericht von Anselmo Mazzi über seine Zeit in Gersthofen gibt hierüber Aufschluss. |
Im August 1944 wurden die Italienischen Militärinternierten auf der Basis eines Einvernehmens zwischen Hitler und Mussolini in den Status von "Zivilarbeitern" überführt, ohne dass ihre Lebensbedingungen als kostenlose Zwangsarbeiter bis zur ihrer Befreiung im Jahre 1945 eine wesentliche Veränderung erfahren hätte. In der Statistik der Lechchemie sind die ehemaligen IMIs deshalb ab 1.1.1945 unter der Sparte der "Ausländischen Zivilarbeiter" eingetragen. Ihre Zahl dürfte gleichgeblieben sein. 6. Der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte stieg bei der Lechchemie im Jahre 1945 nochmals um 35 Arbeitskräfte an, d.h. der Anteil an Zwangsarbeitern beim Rüstungsbetrieb IG Farben Gersthofen (Lechchemie) betrug schließlich 33%, war also überraschend gering, wenn man den Anteil mit anderen Augsburger Rüstungsbetrieben vergleicht. 7. Die Belegschaftsstatistik macht deutlich, dass die Anstrengungen Albert Speers auf Umstellung der Industrie auf die totale Kriegswirtschaft auch in Gersthofen erst ab 1943/44 zu greifen begann und ohne die Zwangsarbeiter undenkbar gewesen wäre. 8. Die Statistik ist nur mit Skepsis zu genießen, denn nach unseren Unterlagen aus dem Stadtarchiv Gersthofen wurden am 1.Mai 1941 beispielsweise insgesamt 30 italienische Staatsangehörige als Facharbeiter eingestellt, die in der obenstehenden Statistik nicht ausgewiesen werden. Die Italiener wurden in einem Gemeinschaftsraum im Gasthof Seitz am damaligen Hindenburgplatz 8 auf Kosten der Farbwerke untergebracht. Namen der französischen Zivilarbeiter bei IG Farben Sassenay, Briand, Virot (alle Franzosen) bei IG Farben (7.7.1942, Virot seit 14.3.42 nicht mehr bei IG Farben), Olivier Adrien, Gonnet Maria, Domain Adeline, Damigon 12.5.1943: Französische Zivilarbeiter bei IG Farben Cormouls Jean; Delmas Edouard; Marckert Jacques; Duclos Marcel, Romary Roger; Cresto Antonie; Hamel Bernard; Descamps Georges; Noel Robert; Boudic Jean; Pouyet Alfred; Freulon Felix; Claeren Albert; Bruneau Claude; Roualt Gaston Französische Zivilarbeiter bei IG Farben 25.6.1943: Batends Marcel; Chamboy Andre; de Smet Lucien; Bejaud Andre; Hurepeau Paul Französische Zivilarbeiter bei IG Farben 18.11.1943: Marceau Raymond; Loisy Fernand |
|