Zwangsarbeit - Lager vor Ort -
Interview mit Bauer Karl Hintermeier
(wohnhaft in der Bauernstraße Gersthofen, Interview vom 22.4.01 Wissen Sie etwas über die Zwangsarbeiterlager bei den Chemiefirmen IG Farben und Transehe? Da wurde viel gemunkelt, aber sehr viel Information drang nicht durch. Wir wussten, dass dort Zwangsarbeiter interniert gewesen sind. Es hat uns junge Leute schon gewundert, dass so viele Angriffe auf Gersthofen und Augsburg geflogen worden sind, aber die Lechchemie wurde immer verschont. Das fanden wir schon erstaunlich, viele Angriffe wurden ja auch untertags geflogen. Den Kriegsalltag bekamen wir Schulkinder sehr bewusst mit. Ich ging zu dieser Zeit in die Pestalozzischule, aber immer wenn Kriegsgefangene neu ankamen, wurden die Klassen ausgesiedelt, dann hatten wir Unterricht in der Gaststätte bei Hillenbrand in der Bauernstraße oder in der Brauerei Strasser. Die stellten dann die ganze Kammer auf den Kopf. Wir hatten als letzten landwirtschaftlichen Arbeiter auf dem Hof einen Russen, Gregor hiess der, ein Riese von Mann, sehr sensibel. Als die Russenposten kamen um seine Kammer zu kontrollieren, fanden sie bei ihm einen langen Dolch. Die Russenposten machten meiner Familie Vorwürfe und wollten Gregor mitnehmen. Meine Mutter setzte sich für ihn ein, sodaß Gregor nach ein paar Tagen wieder bei uns auf dem Hof arbeiten konnte. Aber wir mußten eine ganze Anzahl von Schriftstücken unterschreiben, dass wir auf eigene Verantwortung ihn wieder aufgenommen haben. Bei einem Luftangriff flüchtete Gregor in den Keller, als ein Geschoß bei uns auf dem Hof einschlug. Wir mussten ihn gemeinsam aus dem Keller herausschaufeln, mit ihm war der halbe Gerätepark mit in den Keller gestürzt. Der erste Kriegsgefangene hier bei uns auf dem Hof war ein Engländer. Er war von Beruf Pilot und verstand halt buchstäblich gar nichts von der Landwirtschaft. Wir zeigten ihm halt, was er zu tun hatte, aber vielseitig verwendbar war er wirklich nicht. |
Einmal hatten wir auch einen Russen bei uns wohnen. Der war spindeldürr und rauchte fast ununterbrochen. Papier, Stroh, alles was brannte. Der konnte vielleicht essen, so etwas habe ich in meinem Leben nicht mehr gesehen. Trotzdem war er spindeldürr. Auch unsere Nachbarn hatten immer wieder Wechsel bei den Zwangsarbeitern. Einmal ein Franzose, das andere Mal ein Ukrainer, dann war es eine ganze Familie, Vater, Mutter, Tochter. Die Tochter war 22 Jahre alt, bildhübsch und sehr gebildet. Sie sprach mehrere Sprachen. Natürlich durfte man sich ihr nicht nähern, darauf standen schwerste Strafen. Ich kann mich auch erinnern, dass unten bei Thosti eine bewachte Siedlung war. Dort wohnten Russinnen in einer ziemlich langen Baracke. Die sangen so wunderschöne Choräle, daran erinnere ich mich noch. Jedenfalls sah man die nie in der Stadt, sie waren interniert. Wahrscheinlich arbeiteten sie gleich unten bei Thosti im Lager oder wurden jeden Morgen an ihre jeweilige Arbeitsstelle gebracht. So war es jedenfalls bei den Kriegsgefangenen. Die wurden jeden Morgen im Dorf auf die einzelnen Arbeitsstellen verteilt. Der Spanner Hans z.B. an der Ecke Donauwörtherstr./Bauernstraße hatte zwei Polen in seiner Holz- und Kohlenhandlung. Die Polen waren im übrigen auch die einzigen, vor denen man sich im Ort nach der Besetzung durch die Amerikaner fürchtete. Sie zogen randalierend durch den Ort und zerrten die Frauen und Männer von den Fahrrädern. In den Höfen waren während der Kriegszeit aber nicht nur Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, sondern auch die Offiziere einquartiert. Bei uns auf dem Hof wohnten schon seit 1942 an Offiziere, die zur Luftabwehr gehörten. Auch diese wurden in unregelmässigen Abständen von höheren Offizieren kontrolliert, ob sie Bett und Zimmer sauber hielten etc. Noch kurz vor Kriegsende wurden Zugmaschinen von der Wehrmacht ebenso wie Pferde und Wägen requiriert. |
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