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12 Thesen, eine Vorgeschichte und eine Wirkung

Antje Vollmers „12 Thesen zum Denkmalschutz..."

Gegenthesen

Die Thesen I bis III sind eine Standortbestimmung, die nur in der Hinsicht von einer etwas schiefen Interpretation ausgeht, als der Denkmalschutz älter ist als die Bundesrepublik. „Erhalt des Denkmalbestandes" allerdings ist zu oberflächlich gesehen, denn dessen Erhalt ist ein Teil des Schutzes des gewachsenen historischen Umwelt.

Dass sich die Situation des Denkmalschutzes in den neuen Bundesländern sich ganz wesentlich unterscheidet (These IV), ist richtig. Kein Wort wird allerdings darüber verloren, dass sich hier die einmalige Chance bietet, eine historische gewachsene Umgebung zu erhalten, ohne die Sünden der siebziger Jahre zu begehen. Dass kein Geld, weder auf öffentlicher noch auf privater Seite vorhanden ist, ist ein beklagenswerter Zustand. Daraus die Notwendigkeit einer Standortbestimmung zu folgern, ist richtig (These V). Die Richtung allerdings muss die Mobilisierung privaten und öffentlichen Kapitals sein, nicht die wortreich verbrämte Kapitulation vor leeren Kassen.

Die seit 1989 zu beobachtende „erhebliche quantitative Ausweitung der Unter-Schutz-Stellung" (These VI) ergibt sich zum einen aus der Größe und der Struktur der fünf neuen Länder, zum anderen aus der dort gegebenen Chance, Dinge zu erhalten, die hier längst abgerissen sind. Bauten der NS-Zeit zu erhalten ist historisch ebenso geboten wie der Schutz „DDR-typischer" Bauwerke - dieses als Schutz des historischen Umfelds, beides aus Verantwortung vor der Geschichte. Denkmäler schaffen Identifikation. Dazu gehören auch unliebsame Denkmäler.

Dass sich dabei „unter der Hand" der Denkmalschutzbegriff ausweite, ist eine Behauptung, die aus dem falschen Verständnis heraus kommt, Denkmalschutz sei nur der „Schutz traditioneller Kulturgüter". Die „typischen Baudenkmälern bestimmter Zeitepochen" sind Bestandteil der historisch definierten gewachsenen Umwelt, die zu vermitteln sehr wohl (und nicht nur „gelegentlich") eine politisch-pädagogische Aufgabe ist, sie sind ein Zeugnis des Schöpfergeistes, der einen längeren Atem hat als momentane Kultur- oder Kunstströmungen. Die Verwendung von Formulierungen wie „unter der Hand" oder „Sammeln" suggeriert Heimlichkeit und Selbstzweck. Das ist in dieser Pauschalität abzulehnen.

Dass „zunehmend und massenhaft" öffentliche Gebäude neue Nutzer suchen (These VII), ist eine Chance für einen aktiv und produktiv verstandenen Denkmalschutz, der mehr will als museale Konservierung. Ein Schulgebäude ist zuerst einmal ein Gebäude, in dem gelebt wurde - aber seine Nutzung ist mit der ehemaligen Zweckbestimmung keineswegs für alle Zeiten festgelegt. Historische Gemäuer mit neuem Leben zu füllen, das ist schöpferische Kraft im besten Sinn. Deswegen ist auch eine massenhafte Umwidmung in Museen schlichtweg Unsinn (These VIII).

Die „umfassende, offene und tabufreie Debatte" ist , wie in These IX gefordert, in der Tat nötig, allerdings nach allen Richtungen. Hier müssen auch (parteipolitische?) Restriktionen zur Sprache gebracht werden, wie die massive Kürzung im Haushalt des hessischen Landesamts für Denkmalpflege, die gravierende Auswirkungen für die Öffentlichkeitsarbeit hat.

Dass die Qualität des Schutzes ein Kriterium für erfolgreichen Denkmalschutz ist, steht außer Zweifel (These IX). Die Qualität aber durch eine Reduktion der Quantität erreichen zu wollen, ist eine Sünde an den nachfolgenden Generationen. Denkmäler sind Zeugnisse der Schöpferkraft vergangener Generationen und geben Muster für individuell-schöpferisches Bauen. An ihnen können sich nicht nur Geschmack und Stilempfinden schulen, sie sind auch Beispiele der produktiven Auseinandersetzung mit Widersprüchen und Herausforderungen. Als solche gehören sie in ihrer Gesamtheit zum historisch-kulturellen Erbe eines Volkes.

Die Verbannung eines Denkmals in eine Liste, einen Katalog oder auf eine Schautafel entfremdet die Zukunft von einer unmittelbaren Auseinandersetzung mit ihm, weil sie das Umfeld seiner Entstehung zerstört. Unsere Generation darf den folgenden nicht die Möglichkeit nehmen, sich mit dem Denkmal auseinanderzusetzen.

Wenn je der Dialog zwischen Denkmalschützern und Bürgern gestört und verbesserungsbedürftig war (These X), dann steht außer Zweifel, dass alle Parteien aufgerufen sind, das vorurteilslose und offene Gespräch zu suchen, bei dem alle Kriterien für aktiven Denkmalschutz aufzudecken sind. Denkmalschutz aber ist der Schutz der kulturellen Substanz und kann daher nicht nur unter Mehrheitsgesichtspunkten gesehen werden. Eine Kunst, die mehrheitsfähig wäre, verlöre ihren protagonistischen Charakter, so wie ein Denkmalschutz, der sich nach Mehrheiten richtete, einem darwinistischen Populismus folgte. In welchem Umfang Denkmalschutz kompromisslos gegenüber „anderen Nutzungsanpassungen" und „begrenzten finanziellen Möglichkeiten von Bürgern" war oder noch ist, wäre erst nachzuprüfen. Kein Bürger dürfte in der Vergangenheit zu zwingen gewesen sein, über seine finanziellen Mittel hinaus zu investieren.

Denkmalbeiräte mit beratenden und vermittelnden Funktionen gibt es längst (These XI).

Es ist schließlich richtig, dass Debatten über den Denkmalschutz „letztendlich Debatten über historische und kulturelle Identitäten" sind (These XII). Kulturelle Identität aber kann keine - „veränderbare und korrigierbare" - politische Entscheidung sein, weil politische Entscheidungen anderen Gesetzen folgen. Identität ist eine Frage des Wachstums und nicht einer momentanen und auf Zeit gefundenen Mehrheit.

Die 12 Thesen von Antje Vollmer sprechen eine so moderate Sprache, dass sie in der Tat als Denkanstoß gelten könnten. Vom ästhetischen Populismus Dieter Hoffmann-Axthelms ist wenig mehr zu spüren. Dass allerdings Antje Vollmers Büro sich beeilte, dem Verfasser dieser Zeilen auch die Zeitungsartikel der beiden Befürworter einer radikalen Umkehr beizulegen, lässt vermuten, dass es nicht nur gezinkte Karten sind (TAZ vom 16.6.), mit denen gespielt wird. Es dürften sich einige Karten, die schnell verschwunden sind, doch noch im Spiel befinden.

Badische Heimat e.V.
Bezirksgruppe Bergstraße - Neckartal (Heidelberg)


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