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12 Thesen, eine Vorgeschichte und eine Wirkung

Antje Vollmers „12 Thesen zum Denkmalschutz..."

Antje Vollmer, Berlin, im Mai 2000

Zwölf Thesen zum Thema Denkmalschutz, Reformbedarf, Veränderungsmöglichkeiten

These I

Der Erhalt und die Pflege der kulturellen Umwelt - also der Baudenkmäler, der Gartenbaudenkmäler und der Bodendenkmäler - gehört ebenso zu den Aufgaben von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wie der Erhalt und die Pflege der natürlichen Umwelt. In vielen Dörfern und Städten kämpfen Bürgerinitiativen Seite an Seite mit den Denkmalschützern für den Erhalt wichtiger Denkmäler.

These II

Der Kampf um den Denkmalschutz in der "alten" Bundesrepublik war nicht nur eine Reaktion auf die großen Zerstörungen wichtiger kultureller Denkmäler in der unmittelbaren Kriegszeit, sondern ebenso auf den unglaublichen Raubbau an kulturellem Erbe durch die sogenannten "Modernisierungsmaßnahmen", Stadtplanungsaktivitäten und Abrissmaßnahmen traditioneller Bausubstanz in den 50er, 60er und 70er Jahren. Dieser Verlust ist keineswegs nur oder vorrangig den Entscheidungen einzelner Bürger zuzuschreiben sondern wurde geduldet und teilweise initiiert von staatlichen Stellen und Baudezernenten. Das Engagement für den Denkmalschutz enthielt immer auch ein Stück Staats- und Expertenkritik. Es war ein Moment des erwachsenden [!, so im Text] Selbstbewusstseins der Bürgergesellschaft.

These III

Kennzeichnend für die Denkmalschutzbewegung in der "alten" Bundesrepublik war, dass dieser Protest getragen war durch ein Engagement der Bürger, dass es um den Erhalt eines durch Kriegs- und Nachkriegszeit erheblich reduzierten Denkmalbestandes ging und dass dafür beachtliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt wurden.

These IV

Die Situation des Denkmalschutzes in den neuen Bundesländern unterscheidet sich ganz wesentlich von der Situation zu Beginn der Denkmalschutzbewegung in den alten Bundsländern.

Glücklicherweise sind – aufgrund der ausgefallenen "Modernisierung" - in erheblicherem Umfang Kulturdenkmäler erhalten als in der "alten Bundesrepublik" - allerdings teilweise in sehr bedenklichem Erhaltungszustand.

Die finanziellen Möglichkeiten zum Erhalt der Denkmäler sind – dank der Armut der öffentlichen Kassen – enorm begrenzt.

Die privaten Möglichkeiten der Eigentümer zu einem kostenaufwendigen Denkmalschutz sind – infolge ausgefallener privater Vermögensbildung – extrem begrenzt.

These V

Obwohl also die Anforderungen an die Denkmalschutzaufgaben in den neuen Ländern erheblich gewachsen sind, sind die ausgewiesenen Gelder für das Denkmalschutzprogramm auf Bundes- wie Landesebene ständig gesunken. Geringeren öffentlichen Mitteln und fehlenden privaten Ressourcen stehen also erheblich gewachsene Aufgaben entgegen. Das zwingt zu neuer Standortbestimmung.

These VI

Gleichzeitig ist seit 1989 eine erhebliche quantitative Ausweitung der Unter-Schutz-Stellung feststellbar. Unter Denkmalschutz gestellt wurden in großem Umfang Industriedenkmäler (z. B. Oberschöneweide, Elektrizitätswerk Vockerode) charakteristische Baudenkmäler der NS-Zeit (z. B. Prora auf Rügen, Peenemünde) oder Plattenbauten (z. B. Unter den Linden). Dabei weitet sich unter der Hand der Denkmalschutzbegriff aus und verändert sich inhaltlich. Zu dem Aspekt des Schutzes traditioneller Kulturgüter tritt der Aspekt des Sammelns von typischen Baudenkmälern bestimmter Zeitepochen. Gelegentlich wird Denkmalschutz so auch zu einem Moment der notwendigen historischen Erinnerungskultur, also zu einer Aufgabe von politisch-pädagogischem Charakter.

These VII

Dazu ist zu bedenken, dass in Folge der wirtschaftlichen Veränderung der Industriegesellschaft die öffentlichen Hände zunehmend und massenhaft über öffentliche Gebäude verfügen, die in Zukunft einen neuen Nutzer suchen: Schulgebäude, Bahnhöfe, Postgebäude, Umspannwerke.

These VIII

Spätestens jetzt ist deswegen eine umfassende Debatte darüber notwendig, wie man dieser quantitativen und qualitativen Ausweitung bei knappen öffentlichen Geldern und begrenzter Leistungsfähigkeit der Bürger gerecht werden kann. Eine Umwidmung all dieser öffentlichen Gebäude nur für Museumszwecke oder Nutzungen durch die öffentliche Hand oder das Gemeinwesen scheint ausgeschlossen.

These IX

Spätestens jetzt ist deswegen eine umfassende, offene und tabufreie Debatte darüber notwendig, wie der Denkmalschutz der Gegenwart und Zukunft aussehen soll, auf welche Denkmäler er sich beziehen soll und worin er sich notwendigerweise begrenzen muss. Kriterium für einen erfolgreichen Denkmalschutz ist nicht, wie viel unter Schutz gestellt wird, sondern wie viel wirklich erhalten, vor dem Verfall geschützt und einer neuen Nutzung zugeführt wird. Weniger kann dabei mehr sein.

These X

Vor allem aber muss es auch eine neue Dialogkultur zwischen den Denkmalschützern und den Bürgern geben. So gut die Zusammenarbeit in der Vergangenheit war, wenn es um den gemeinsamen Kampf gegen Investoren oder Übergriffe durch die Politik auf manche zu schützenden Denkmäler ging, so verbesserungsbedürftig war gelegentlich der Dialog zwischen Denkmalschützern und einzelnen Bürgern, die ein Denkmal besitzen. Nicht jeder Protest von einzelnen Bürgern gegen die Willkür von Denkmalschützern entsprang nur reinem Unverstand. Hier ist auch eine größere Bereitschaft der Denkmalschützer notwendig, über ihre Kriterien und "Denkschulen" Auskunft zu geben und sich für andere Nutzungsanpassungen und auch die begrenzten finanziellen Möglichkeiten von Bürgern kompromissbereit zu zeigen. Nur bei verbesserter Dialogbereitschaft wird der unbestreitbare rechtliche Einspruch gegen Eingriffe in die Bausubstanz eines Denkmals in der Sache dauerhaft Erfolg haben.

These XI

Auf allen Ebenen sollte zur Verbesserung des Dialoges zwischen den Denkmalschützern und Bürgern über Denkmalbeiräte nachgedacht werden, die beratende und vermittelnde Funktionen haben können, aber auch zu einer Adresse in Konfliktfällen werden können.

These XII

Debatten über den Denkmalschutz sind letztendlich Debatten über historische und kulturelle Identitäten. Wie alle Entscheidungen der Demokratie müssen sie dem Wesen nach veränderbar und korrigierbar sein, Dogmatismus hat im Denkmalschutz ebenso wenig zu suchen wie zeitgeistmäßige Beliebigkeit.

Badische Heimat e.V.
Bezirksgruppe Bergstraße - Neckartal (Heidelberg)


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