E.T.A. Hoffmann

Ein Entwicklungsroman?

In Gero von Wilperts 'Sachwörterbuch der Literatur' (Stuttgart 1969) ist unter dem Stichwort „Enwicklungsroman” zu lesen: „Roman, der in sehr bewusster und sinnvoller Komposition den inneren und äußeren Werdegang eines Menschen von den Anfängen bis zu einer gewissen Reifung der Persönlichkeit mit psychologischer Folgerichtigkeit verfolgt und die Ausbildung vorhandener Anlagen in der dauernden Auseinandersetzung mit den Umwelteinflüssen in breitem kulturellemRahmen darstellt. (...) Das Streben und Irren des Helden führt aus eigener Kraft auf einen Stand gewisser Vollkommenheit, der dem subjektiven Idealbild des Dichters und seiner Zeit entspricht.”

„Die Geschichte von dem Studenten Anselmus wird im wesentlichen chronologisch erzählt und genau datiert (sie reicht vom Himmelfahrtstag bis zu Veronikas Namenstag am 4. Februar des nächsten Jahres); die antithetisch aufgebaute Handlung endet in zwei Schlüssen: Die 10. Vigilie berichtet die Entscheidung desd Anselmus für Serpentina und damit für das Dichtertum, die 11. Vigilie schließt die bürgerliche Gegenhandlung mit der Verheiratung Veronikas und ihrer Erhebung zur Hofrätin ab. Das Märchen zeigt den Weg eines jungen Mannes von Dresden nach Atlantis, vom Studenten und „poetischen Gemüt“ zum Dichter. Dieser Weg ist häufig mit dem des Helden im Entwicklungsroman verglichen worden. Bei vielen Gemeinsamkeiten liegt der deutlichste Unterschied im Verhältnis zur Wirklichkeit und zur Gesellschaft. Während im Entwicklungsroman das Individuum im Kampf mit der entgegenstehenden Wirklichkeit reift, bis es seinen Platz in der Gesellschaft findet, entfernt sich Anselmus im Laufe seiner Entwicklung immer mehr von der Wirklichkeit, dem Bürgertum, der Philisterwelt. Sein Ziel findet dieser Bildungsprozeß in Atlantis, einem Reich jenseits der Welt und Gesellschaft.“
Hoffmann. Fantasiestücke, Text und Kommentar. Hartmut Steinecke (Hrsg.); Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch Bd. 14, 2006 S. 769

  

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