Arthur Schnitzler: Traumnovelle

Arthur Schnitzler: Traumnovelle

Begriff, Gattungsgeschichte und -merkmale

NOVELLE -> novella (ital.) Neuigkeit

Als literarischer Begriff bekannt seit BOCCACCIOs "Decamerone" (1348/53):
An einem Ort unweit von Florenz, wo die Pest herrscht (1348), werden in einer Gesellschaft an zehn Tagen lebensbejahende Geschichten reihum erzählt.
Nachahmungen davon sind z.B.
CHAUCERs "Canterbury Tales" (1387/1400)
Marguerite de NAVARRAs "Heptameron" (1559)
und CERVANTES` "Exemplarische Novellen" (1613).
Auch in GOETHEs Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter (1795) unterhält sich eine deutsche Adelsfamilie, die vor der französischen Revolution auf das rechte Rheinufer geflüchtet ist, mit sechs Geschichten.


Definitorisches

"Novellen werden vorzüglich eine Art von Erzählung genannt, welche sich von den großen Romanen durch die Simplizität des Planes und den kleinen Umfang der Fabel unterscheiden. " (C.M.Wieland 1772)

"Denn was ist eine Novelle anders als eine sich ereignete unerhörte Begebenheit." (Goethe, Gespräche mit Eckermann, 29. Jan. 1827)

"Ein Menschenleben durch die unendliche sinnliche Kraft einer Schicksalsstunde ausgedrückt." (Georg Lukacs, Die Seele und die Formen 1911)

"Das Charakteristikum der Novelle liegt vor allem in der Beschränkung auf eine Begebenheit." (Benno v.Wiese)

"Poetik in Stichworten" (Hirt Verlag Kiel 1972 S.212) listet folgende Charakteristika für "Wesen und Form der Novelle" auf :

  1. Zusammenziehung eines Vorgangs zu einem krisenhaften Vorfall
    F.T.Vischer (1857): "Sie gibt nicht das umfassende Bild der Weltzustände, aber einen Ausschnitt aus ihnen, der mit intensiver momentaner Stärke auf das größere Ganze als Perspektive hinweist, nicht die vollständige Entwickluing einer Persönlichkeit, aber ein Stück aus einem Menschenleben, das eine Spannung, eine Krise hat und uns durch seine Gemüts- und Schicksalswendung mit scharfem Akzente zeigt, was Menschenleben überhaupt ist."
  2. Verknüpfung von Schicksal und Charakter der Protagonisten
  3. Wendepunkt: "Alles wird in einem einzigen Vorfall zusammengefasst, von dem aus das Leben (des Helden) dann nach rückwärts und vorwärts bestrahlt wird; und dieser Vorfall ist seltener und eigentümlicher Art..." (Paul Ernst)
    Oder TIECK (1829): "Diese Wendung der Geschichte, dieser Punkt, von welchem aus sie sich völlig unerwartet umkehrt, und doch natürlich, dem Charakter und den Umständen angemessen, die Folge entwickelt, wird sich der Phantasie des Lesers um so fester einprägen..."
  4. Zu diesem Wendepunkt wird oft durch ein DINGSYMBOL, ein äußeres, gegenständliches Zeichen des Angel- und Drehpunkts hingeführt, z.B. Drostes Judenbuche, oder Hauptmanns Bahnstrecke (Boccaccios >Falke<).
  5. Form: Konzentrierung des Erzählten, äußerste Verdichtung und geraffter Zeitablauf. Die Struktur ist der des Dramas verwandt: Knappe Exposition, zusammenraffendes Hinführen zum Höhe- und Wendepunkt, Abfall und Ausklang.


In Kürze:

    NOVELLEN (= novella (ital.) Neuigkeit) sind Erzählungen, welche
  1. kürzer sind als ein Roman, keine Nebenhandlungen und nur wenige Hauptfiguren (=Protagonisten) haben.
  2. Die Handlung konzentriert sich auf ein plötzliches, krisenhaftes Ereignis, durch welches der Lebensweg des Protagonisten eine schicksalshafte Wendung erfährt.
  3. Die Struktur der Novelle ist der des Dramas ähnlich:
    Exposition - Hinführung zur - Krise - Verzögerung - Lösung/Katastrophe

Klaus Dautel, 1999

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Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.
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