Kurpfälzisches Museum Heidelberg: |
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Das Kunstwerk des Monats |
November 2003 | ||||||
- Sammlungsblatt - | |||||||
Salbölfläschchen mit Delphinhenkeln |
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Das kugelbauchige Glasgefäß kam im Jahre 1964 bei archäologischen Ausgrabungen im römischen Friedhof von Heidelberg-Neuenheim ans Licht. Der Behälter war auf dem Boden einer verhältnismäßig kleinen, ovalen Grabgrube von 0,50 m Durchmesser abgestellt worden. Außer wenigen Knochen des eingeäscherten Toten enthielt die Bestattung weitere verbrannte Beigaben. |
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Es handelt sich
um Überreste aus dem Scheiterhaufenbrand, darunter Eisennägel, mit denen
die Totenbahre verzimmert worden war, außerdem wenige Scherben von feinem
Tafelgeschirr sowie Fragmente bronzener Kästchenbeschläge und Klumpen
geschmolzenen Glases. Nach der Feier des Totenmahls am offenen Grab
hatten die Angehörigen ein kleines Ensemble unverbrannter Gegenstände
im Grab deponiert, nämlich zwei Krüge für das Trankopfer, ein unbenutztes
tönernes Öllämpchen - und das Glasfläschchen.
Die Brandbestattung
liegt inmitten des Gräberfeldes, das sich beiderseits der Straße ausdehnte,
die in römischer Zeit das Neuenheimer Kastell mit dem Zentralort Lopodunum
(Ladenburg) verband. Zwischen 80 und 190 n. Chr. wurden dort sowohl
Soldaten der Hilfstruppeneinheiten als auch Bewohner der Zivilsiedlung
(Vicus) bestattet. Fast 1400 Gräber konnten in den Jahren von 1951 bis
1971 archäologisch untersucht werden. Den größten Anteil an den Beigaben
haben Gefäße aus Keramik; vergleichsweise selten sind dagegen Objekte
aus dem wertvolleren Glas.
Das 8,5 cm hohe
Fläschchen war unter der Last der Erdeinfüllung geborsten, es konnte
jedoch vom Restaurator bis auf wenige Fehlstellen wieder zusammengesetzt
werden. Es ist aus durchsichtigem, blaugrünem Glas gefertigt, das viele
kleine Bläschen aufweist.
Der abgeflachte Boden ist in der Mitte leicht aufgewölbt. Dort ist
die Wandung mit 2 mm am stärksten; an der Oberseite ist sie nur halb
so dick. Ein kurzer, enger Hals wird von einem zunächst nach außen gebogenen
und dann nach innen gefalteten und schließlich oben abgeplatteten Rand
pilzförmig abgeschlossen. Die drei Henkel werden von Glassträngen gebildet,
die an der Schulter ansetzen, am Hals entlanggeführt werden, die Randunterseite
berühren, mit elegantem Schwung wieder zum Bauch umbiegen und in einem
kleinen Schnörkel enden.
Als dieser kleine Behälter die Glashütte verließ, war die Methode,
Gefäße aus Quarzsand, Soda und Kalk herzustellen, bereits seit über
tausend Jahren bekannt. Dieses Fläschchen ist allerdings Produkt eines
damals noch recht jungen Verfahrens, des Glasblasens. Wohl kurz vor
Christi Geburt war die Glasmacherpfeife erfunden worden, die eine im
Vergleich zur früheren Technik des Formgusses billigere Produktion und
ein größeres Formenspektrum ermöglichte. Eine Neuerung spiegelt auch
die Farbgebung des Gefäßes wider: Der bläulichgrüne Stich rührt von
der "natürlichen" Verunreinigung der ungefärbten Schmelze durch Eisenoxid
her. Diese "Naturfarbe" war erst gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr.
in Mode gekommen, zuvor wurden nur undurchsichtige, bunt gefärbte Gläser
hergestellt.
Kaum ein römischer Gefäßtyp steht in einer so langen Tradition wie
dieses bauchige Gefäß mit enger Öffnung, das die Griechen "Aryballos"
nannten. Ursprünglich wurde damit ein zuschnürbarer Lederbeutel bezeichnet,
seit etwa 700 v. Chr. übertrug man den Begriff auf meist farbig bemalte,
kugelbauchige Tongefäße für Salböl oder Parfüm.
Griechische Vasenbilder zeigen Athleten, von deren Handgelenk ein Salbölfläschchen
herabhängt, das an einem Kettchen oder Lederriemen befestigt ist. Oft
bildete es ein Ensemble mit einer Strigilis (Schabeisen). Vor dem Wettkampf
salbte man sich ein, am Ende der sportlichen Übungen schabten sich die
Athleten das Gemisch aus Öl, Schweiß und anhaftendem Sand mit der Strigilis
vom Körper. Auf diese Weise diente das Öl gleichzeitig als Pflegelotion
und Seife. In Anlehnung an das griechische Vorbild entwickelten römische
Handwerker etwa um Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts die gläserne
Variante des Aryballos. Die besondere Ösenform der Henkel führte in
der modernen Forschung zur Bezeichnung "Delphinhenker'. Ob die Ähnlichkeit
mit dem in der Antike so beliebten und verehrten Meeresbewohner von
den Glasbläsern wirklich beabsichtigt war, ist allerdings ungewiss.
Funde von Aryballoi, durch deren Henkel Trag kettchen geschlungen waren,
sowie die gelegentliche Kombination mit einer Strigilis bezeugen die
Kontinuität des Verwendungszwecks bis in die römische Kaiserzeit: Gläserne
"Badefläschchen" begleiteten die Besucher der öffentlichen Thermen,
Orte der sportlichen Betätigung und der Körperpflege. Freilich waren
Aryballoi auch bei der häuslichen Toilette in Gebrauch. Insbesondere
gegen Ende des 1. und im 2. Jahrhundert war diese Gefäßform weit verbreitet,
wobei die in Heidelberg vertretene Variante mit drei delphinförmigen
Henkeln eine Rarität darstellt. Zunächst wurden die Ölbehälter noch
aus Oberitalien importiert, ab etwa 100 n. Chr. dürften sie nördlich
der Alpen in verschiedenen gallischen und germanischen Werkstätten hergestellt
worden sein.
Sicher nachgewiesen ist die Produktion der Fläschchen in einer Glashütte
der Colonia Au-gusta Rauricorum (Äugst/Schweiz), die im späten 1. und
frühen 2. Jahrhundert in Betrieb war. Auch das bedeutende Glasmacherzentrum,
das sich in der Colonia Claudia Ära Agrippinensium (Köln) etablierte,
dürfte die Aryballoi im Repertoire gehabt haben.
Die Brandbestattung, in der das hier vorgestellte Gefäß angetroffen
wurde, ist zwischen 100 und 160 n. Chr. angelegt worden. Es handelt
sich nicht um das einzige Grab, das einen Glasbehälter für Öl enthält,
denn ebenso wie Münzen und Lampen (vgl. Kunstwerk des Monats Nr. 186)
gehören diese Gefäße zu den Elementen des italisch-mediterranen Bestattungsrituals.
Wie im Falle des dreihenkligen Aryballos konnten sie als unversehrte
Beigabe - mit oder ohne Inhalt - ins Grab gestellt werden. Oft wurde
das duftende Öl bereits während der Verbrennungszeremonie über dem Scheiterhaufen
versprengt und das leere Gefäß anschließend den Flammen übereignet.
Die Verwendung von Glasgefäßen im Totenkult hing nicht allein vom Grad
der kulturellen Anpassung, der "Romanisierung" des Verstorbenen und
seiner Familie, ab. Es spielten auch deren materielle Möglichkeiten
eine Rolle. Immerhin sind in einem Drittel der Heidelberger Gräber gläserne
Behälter unterschiedlicher Funktion nachweisbar, wobei in einem Sechstel
der Bestattungen unverbrannte Exemplare vorkommen.
Eine Frage ist vorerst offen, sie gilt der bestatteten Person selbst:
War sie ein Mann oder eine Frau, war sie alt oder jung? Eine Antwort
wird vielleicht bald die anthropologische Untersuchung geben können,
die Teil des derzeit laufenden Forschungsprojektes ist.
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.Text: Andreas Hensen |
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Literatur:
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Gläsernes Salbölfläschchen mit zwei Krügen und einer Öllampe aus derselben Bestattung Höhe 8,5 cm, 2. Jahrhundert n. Chr. Römisches Gräberfeld Heidelberg-Neuenheim, Inv.-Nr.: HD-Neu 1964/56 a. |
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