
Die Machtverhältnisse in Deutschland
sind in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem
von zwei Kräften bestimmt: Kleinstaaterei und politische
Reaktion.
Politisches Fundament der Kleinstaaterei ist der 1815 auf dem
Wiener Kongreß gegründete Deutsche Bund, die lockere
(und einzige) nationale Klammer um die 38, später 39 deutschen
Einzelstaaten. Die innere Begründung für dieses System
liegt nur zum Teil im Souveränitätsstreben der Fürsten,
das eine Rückkehr zur verbindenden staatlichen Klammer verhinderte;
ausschlaggebendwar vielmehr das auf diese Weise zu wahrende Gleichgewicht
der Kräfte in Mitteleuropa, an dem sowohl Frankreich als
auch England großes Interesse hatten.
Dieser Deutsche Bund steht im Zeichen des Dualismus zwischen den
Großmächten Österreich und Preußen, von denen Österreich
traditionell denVorrang (und den Vorsitz im Bund) hat, Preußen
dagegen den (u.a. wirtschaftlich begründeten) Anspruch auf
die Hegemonie anmeldet. Ausdruck dieses Dualismus ist u.a. die
Gründung des Deutschen Zollvereins unter preußischer
Führung, dem Österreich nicht angehört. Die Fürsten
des Deutschen Bundes sind souverän, der Zweck des Bundes ist
die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands
und der Unabhängigkeit und Unabhängigkeit der einzelnen
deutschen Staaten. Kompetenzen hat der Bundestag (ein Gesandtenkongreß)
nur über die Bundeseinrichtungen selbst sowie über Krieg
und Frieden.
Die politische Reaktion zeigt sich besonders in der Frage
der Verfassungen, die in der Wiener Bundesakte mit der Ankündigung
von landständischen Verfassungen auf dem niederst vertretbaren
Niveau angegangen wurde. Es kam daher auch nur in Nassau und Sachsen-Weimar
sowie in den vier süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg,
Baden und Hessen-Darmstadt zu liberalen
Verfassungen. Schon die Wiener Schlußakte von 1820 verhinderte
dann ein weiteres Ausgreifen liberaler Verfassungen. Die reaktionäre
Politik, als derenVertreter schlechthin der österreichische
Staatskanzler Metternich gilt, zeigt sich auch in den Karlsbader
Beschlüssen und den anschließenden Demagogenverfolgungen
mit der Unterdrückung liberaler und nationaler Kräfte.
Mit der politischen Reaktion eng verknüpft ist das Fortdauern
der gesellschaftlichen Restriktionen, wie z.B. der feudalen Abhängigkeiten.
Der politischen Reaktion in Österreich und Preußen steht
jedoch in den süddeutschen Staaten eine relative freie liberale
Diskussion in den Ständeversammlungen gegenüber. |