Wer waren die Kelten? Wie
sahen sie sich selbst? Wie wurden sie von Griechen und Römern
gesehen?
Keltenbilder unterschiedlichster Art bilden den Einstieg in
den Ausstellungsteil „Zentren der Macht“ im Kunstgebäude
Stuttgart. Dieser spürt zunächst in einer chronologischen
Spange der Entwicklung der keltischen Zivilisation von den Anfängen
zu Beginn der Eisenzeit im 8. Jahrhundert bis zur Ankunft der
Römer im 1. Jahrhundert vor Christus nach. Anschließend
werden das tägliche Leben der Menschen, ihre Wirtschaftsweise,
Handelsbeziehungen, technologische Innovationen, Religion und
Gesellschaftsordnung mit hochrangigen nationalen und internationalen
Leihgaben illustriert. Beispielhaft sind hier zu nennen: die älteste
Glasschale Mitteleuropas aus Ihringen, das Trinkhorn aus dem
Prunkgrab von Kappel, der Kultkalender aus dem französischen
Coligny oder originale Kleidungsstücke aus den österreichischen
Bergwerken von Hallstatt und Hallein. Spektakulär sind die
auch die Funde aus den ersten architektonisch gestalteten Heiligtümern,
die ab dem 3. Jahrhundert in Nord- und Ostfrankreich entstehen.
Für die menschliche Skelettreste und zerstörten Waffen
aus Ribemontsur- Ancre, Frankreich, oder auch La Tène,
Schweiz, reichen die Interpretationen von Menschenopfer, über
Bestattungsrituale bis Zurschaustellung getöteter Feinde.

Keltische Schädeltrophäe, Kobern-Gondorf, Kr.
Mayen-Koblenz, 1. Jh. v. Chr.
©
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-
Pfalz, Direktion Landesarchäologie - Außenstelle
Koblenz
Als Zentren der Macht stehen die „Fürstensitze“ der
frühkeltischen Elite und die spätkeltischen Städte,
von Caesar Oppida genannt, im Fokus der Ausstellung. Sie bilden
die Lebensmittelpunkte der Auftraggeber, Künstler und Handwerker,
die uns die einzigartigen keltischen Kunstwerke hinterlassen
haben. Die frühen Fürstensitze des 6. und 5. Jahrhunderts
vor Christus treten uns als Knotenpunkte von fortifikatorischer, ökonomischer,
kultischreligiöser und politisch-administrativer Bedeutung
für das Umland in einem weit gespannten Netzwerk internationaler
Kontakte gegenüber. An fünf Beispielen, Heuneburg,
Ipf, Hohenasperg, Glauberg und dem französischen Mont Lassois,
wird das Phänomen der frühkeltischen Zentralorte, ihre
Unterschiede in Ausprägung und Charakter sowie ihre Verortung
in der Landschaft und die Vernetzung im Raum aufbereitet und
mit Modellen und Computeranimationen lebendig gemacht.
Parallel dazu zeigt der Ausstellungsteil das opulente Bild einer
frühkeltische Elite, die ihre herausragende Stellung über
repräsentative Kleidung und Bewaffnung, aber auch in einem
adeligen Lebensstil demonstriert. Dieser äußert sich
in geselligen Trinkgelagen bei Musik und Spiel, bei der Jagd,
im Wettkampf und im Besitz von prächtigen Wagen und Reitpferden.
Sichtbar wird er nicht zuletzt in aufwändigen Bestattungszeremonien
verbunden mit monumentalen Grabbauten.

„Fürstengrab“ von Kappel a. Rhein, Hügel
3, Grab 1, Ortenaukreis. Uum 600 v. Chr.
Rekonstruktion des Trinkhornes. Die Tüllen und
der Henkel aus Bronze sind im Original erhalten, das Rinderhorn
ist ergänzt. Colombischlössle, Freiburg
©
Archäologisches Landesmuseum Baden-
Württemberg; Foto: Manuela Schreiner
Im 2. Jahrhundert vor Christus erlebt die keltische Welt eine
letzte Blüte. Es entstehen befestigte Städte, die so
genannten Oppida. Sie sind deutlich größer als alle älteren,
befestigten Siedlungen der Frühgeschichte Mitteleuropas
und können gleichzeitig mehrere tausend Bewohner beherbergen.
Großflächige Ausgrabungen wie in Altenburg-Rheinau,
am Heidengraben bei Grabenstetten oder auf der Engehalbinsel
bei Bern lassen eine urbane Raumplanung mit unterschiedlich strukturierten
Vierteln, Werkstattarealen, Freiflächen, öffentlichen
Plätzen, Wegen und Kultbauten erkennen. Sie sind Produktions-
und Handelszentren ebenso wie Schauplätze politischer Versammlungen
und kultischer Handlungen. Durch politische Kontakte und Handelsbeziehungen
sind sie untereinander, aber auch mit dem Mittelmeerraum eng
verbunden. Geld und die Verwendung von Schrift sind zwei wichtige
Neuerungen, die die städtische Kultur der keltischen Spätzeit
entscheidend prägen.
Mit der römischen Besatzung der gallischen Gebiete endet
die eigenständige Geschichte der Kelten auf dem europäischen
Festland, während ihre Kunst und Kultur in der provinzialrömischen
Welt weiterlebt.

Bronzefigürchen eines Ebers in agressiver
Haltung mit gesträubten Rückenborsten. L. 7,2
cm, Altenburg-Rheinau (Oppidum), Kr. Waldshut, 2./1.
Jh. v. Chr. Colombischlössle Freiburg
©
Archäologisches Landesmuseum Baden-
Württemberg; Foto: Manuela Schreiner
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