Der Wolf in der Fabel

Der Esel und der Wolf

Ein Esel begegnete einem hungrigen Wolfe.

"Habe Mitleiden mit mir", sagte der zitternde Esel, ich bin nur ein armes, krankes Tier; sieh nur, was für einen Dorn ich mir in den Fuß getreten habe!"

"Wahrhaftig, du dauerst mich", versetzte der Wolf, "und ich finde mich mit meinem Gewissen verbunden, dich von diesen Schmerzen zu befreien."

Kaum war das Wort gesagt, so ward der Esel zerrissen.

Gotthold Ephraim Lessing (geboren 1729)



Der Wolf und der Hund

Zu einem Wolf kam einst ein feister Hund.

Der Wolf sprach zu ihm:
" Guter Gesell, wie lebst du, dass du also feist bist, und ich so mager?"
Der Hund antwortete:"Ich diene einem Menschen, der mir genug zu Essen gibt."
Der Wolf sprach:" So will ich mit dir gehen und will auch dienen."

Als sie nun miteinander gingen, sah der Wolf des Hundes Hals an und sprach zu ihm:"Wie kommt es, dass dein Hals so beschabt und kein Haar daran ist?"
Jener sprach:" Bei Tage legt man mich gefangen und bindet mir ein Halsband um, das macht mich also blutig; aber wenn es Nacht ist, so bin ich ledig und frei."
Da sprach der Wolf:" Ade, ade, lieber Gesell! Ich will lieber mager und frei als feist und gefangen sein!"



Vom Wolf und Bock

Ein Wolf eilte einem Geißbock nach, ihn zu fangen. Aber der Bock entrann auf einen hohen Felsen,wo er sicher war.

Der Wolf erwartete ihn unten am Felsen zwei oder drei Tage,bis der Hunger ihn vom Berge trieb und der Durst den Bock von dem Felsen. Also kamen sie beide von dannen:Der Wolf zuerst der Speise wegen,danach der Bock um den Trank.Als er aber genug getrunken hatte, sah er sein Bild im Wasser und sprach zu sich selber:"Oh,wie hast du so ansehnliche Schienbeine! Und welch schönen Bart! Wie große Hörner!Und mich sollte ein Wolf in die Flucht jagen? Ich will mich wieder ihn Wehr setzen und nicht mehr fliehen."

Der Wolf war heimlich hinter ihn geschlichen und hörte diese Worte, ergriff den Bock beim Hinterschenkel und sprach :"Bruder Bock, was sind das für Reden, die du führst?" Als aber der Bock empfand, dass er gefangen war, da sprach er:"Oh mein Herr Wolf, ich begehre Barmherzigkeit und bekenne meine Schuld;denn da ich trunken war,hab´ich geprahlt und unnütz stolziert."

Aber der Wolf übersah ihm nichts und fraß ihn auf.



Vom Raben und vom Fuchs

Ein Rabe hatte ein Käse gestohlen und setzte sich damit auf einen hohen Baum, um ihn zu verzehren.
Dies bemerkte ein Fuchs, lief hinzu und sprach: "Oh, Rabe, was bist du für ein schöner Vogel! Deine Federn im Sonnenschein, und deine Gestalt ist wie die des Adlers.
Ist deine Stimme auch so schön, so sollte man dich zum König krönen über alle Vögel der Welt!" Den Raben kitzelte das Lob, und er fing an zu schreien.
Als er aber den Schnabel auftat, entfiel im der Käse .
Der Fuchs sprang hinzu, schnappte ihn auf, verschlang ihn und lachte den törichten Raben aus.

Anne und Lisa


Siehe auch Das Wölflein und die Katze, selbst ausgedacht von Sandra und Simone.