J.M.R. Lenz - Der Hofmeister - Komödie

Der Hofmeister oder Die Vortheile der Privaterziehung

Komödie 1772/74
J.M.R. Lenz:
„Ich nenne durchaus Komödie nicht eine Vorstellung die bloß Lachen erregt, sondern eine Vorstellung die für jedermann ist. Tragödie ist nur für den ernsthaftern Teil des Publikums, der Helden der Vorzeit in ihrem Licht anzusehn und ihren Wert auszumessen im Stande ist. So waren die griechischen Tragödien Verewigung merkwürdiger Personen ihres Vaterlandes in auszeichnenden Handlungen oder Schicksalen; So waren die Tragödien Schakespears wahre Darstellungen aus den Geschichten älterer und neuerer Nationen. Die Komödien jener aber waren für das Volk, und der Unterschied von Lachen und Weinen war nur eine Erfindung späterer Kunstrichter, die nicht einsahen, warum der größere Teil des Volkes geneigter zum Lachen als zum Weinen sei, und je näher es dem Stande der Wildheit oder dem Hervorgehen aus demselbigen, destomehr sich seine Komödien dem Komischen nähern mußten. Daher der Unterschied unter der alten und neuen Komödie, daher die Notwendigkeit der französischen weinerlichen Dramen, die alle Spöttereien nicht hinwegräsonieren können, und die nur mit totalem Verderbnis der Sitten der Nation ganz fallen werden. Komödie ist Gemälde der menschlichen Gesellschaft, und wenn die ernsthaft wird, kann das Gemälde nicht lachend werden. (...)
Daher müssen unsere deutschen Komödienschreiber komisch und tragisch zugleich schreiben, weil das Volk, für das sie schreiben, oder doch wenigstens schreiben sollten, ein solcher Mischmasch von Kultur und Rohigkeit, Sittigkeit und Wildheit ist. So erschafft der komische Dichter dem tragischen sein Publikum. Ich habe genug geredt für die, die mich verstehen wollen, und verstehen können. Ich (...) will bloß die Grundsätze meiner Kunst, die ich mir von den berühmtesten alten Künstlern abgezogen, und lange mit ganz warmer teilnehmender Seele durchdacht habe, dem Publikum vorlegen. Wer bedenkt, was das Theater für Einflüsse auf die Nation haben kann, wird sich mit mir für eine Sache interessieren, die in Theaterzeitungen und Almanachen gewiß nicht ausgemacht werden wird.”
J.M.R.Lenz: Werke und Schriften Bd. 1, Goverts Verlag Stuttgart 1966 S.418f

Klaus Dautel

Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.
Dautels ZUM-Materialien: Google-Fuss

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