Kapitel 34: Neurogenetik

34.3.2.11 Die Entwicklung der R7-Zelle: ein Klassiker der Signaltransduktionsforschung

Als letzte Retinulazellen differenzieren sich die R7-Rezeptoren, die. für die Detektion von UV-Licht verantwortlich sind. Ihr Verlust führt u.a. zu defektem phototaktischen Verhalten, aufgrund dessen die ersten sevenless(sev)-Allele im Labor von S. Benzer isoliert wurden. Die detaillierte entwicklungsgenetische Analyse des Phänotyps hat ergeben, daß das sev-Gen in den R7-Vorläuferzellen benötigt wird, damit diese sich zu R7-Zellen differenzieren (Abb. 34-29). Die Klonierung des Gens zeigte, daß es sich bei dem sev-Genprodukt um ein membrandurchspannendes Protein mit intrazellulärer Tyrosinkinase-Domäne handelt, das Ähnlichkeit zu diversen Hormonrezeptoren und Onkogenen aufweist (Abb. 34-30). Sevenless ist der Rezeptor des Positionssignals, das die R7-Vorläuferzelle auf das R7-Schicksal festlegt. Es sind vor allem zwei Fragen, die sich hier stellen:

  • Wie sieht der Ligand des Sevenless-Rezeptors, das Positionssignal für R7, aus?
  • Welche Proteine werden von der Tyrosinkinase-Domäne modifiziert und wie gelangt das Signal in den Zellkern der R7-Vorläuferzelle?

Innerhalb der R7-Vorläuferzelle eines Ommatidiums ist das Sevenless-Protein an den Kontaktstellen zu der R8-Zelle konzentriert. Dem entspricht die Lokalisation eines in R8 exprimierten Liganden. Auf seine Spur führten die R7-losen bride-of-sevenless(boss)-Mutanten. Mit Hilfe genetischer Mosaike konnte gezeigt werden, daß dieses Gen in R8 exprimiert werden muß, wenn sich eine R7-Zelle entwickeln soll. Bei dem Genprodukt handelt es sich um ein Transmembranprotein mit 7 Membrandurchgängen und großer extrazellulärer Domäne.

In der Augenimaginalscheibe wird das boss-Genprodukt nur in der R8-Zelle gebildet. In Zellkulturen konnte zwischen boss- und sevenless-exprimierenden Zellen selektive, heterophile Adhäsion beobachtet werden. Es stellt sich die Frage nach der räumlichen und zeitlichen Spezifität der Boss-Sevenless-Interaktion. Ein Lehrstück hierzu sind Untersuchungen von Basler und Hafen. Wenn unter der Kontrolle eines Hitzeschock-Promotors dafür gesorgt wird, daß das sev+-Gen immer und überall exprimiert wird, entwickeln sich die Komplexaugen völlig normal. Nur das Boss-Positionssignal enthält somit die Information über den richtigen Ort und den richtigen Zeitpunkt der R7-Entwicklung. Es muß allerdings gewährleistet sein, daß die Zellen, die das Signal interpretieren sollen, einen Empfänger besitzen. Dies wird in der Entwicklung eines wildtypischen Ommatidiums dadurch gesichert, daß relativ viele Zellen, nicht nur der R7-Vorläufer, das sev-Gen exprimieren ("wüßte" der Vorläufer bereits, daß er der Vorläufer ist, brauchte er kein Signal mehr). Entsprechend der Vorstellung über die Funktion des Sevenless-Proteins bedarf es seiner Expression nur in einem kurzen Zeitraum, just dann, wenn sich die Positionsinformation für die Determination von R7 aufgebaut hat. Mit Hilfe des Hitzeschock-Promotor-gekoppelten sevenless-Gens und Temperaturshift-Experimenten konnte dieser Zeitraum recht genau auf die 9. und 10. ommatidiale Reihe hinter der morphogenetischen Furche eingeengt werden.

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