Kapitel 34: Neurogenetik

34.3.1.3 Proneurale Gene und die genomische Organisation des achaete-scute-Komplexes

Für die Bildung der externen Sinnesorgane ist eine Gruppe von sogenannten proneuralen Genen essentiell, die sich als komplexer Locus (achaete-scute-Komplex, AS-K) herausstellten. Die AS-K-Faktoren aktivieren Gene (Neurorealisatoren), die für die Ausdifferenzierung eines Neurons notwendig sind. Gene wie die des AS-K werden deshalb proneurale Gene genannt. Ihre örtlich regulierte Expression legt die spätere Position von Sinnesorganen wie auch die ventrale Lage der neurogenen Region im Embryo fest.

Der achaete-scute-Genkomplex umfaßt vier Komplementationsgruppen: achaete (ac), scute (sc), lethal of scute (l‘sc) und asense (as). Mutationen im achaete-scute-Komplex führen zur Unterentwicklung (Hypoplasie) des Nervensystems, wobei je nach mutierter Region unterschiedliche, aber teilweise überlappende Sätze neuraler Strukturen im ZNS und PNS ausfallen. Die Produkte des achaete-scute-Komplexes sind an der Determination dieser neuralen Strukturen beteiligt. Die proneuralen Gene achaete und scute werden nicht in allen proneuralen Feldern der Imaginalscheibe gleichzeitig exprimiert; einige Zellgruppen transkribieren zunächst scute, andere achaete. Schließlich aber werden beide Proneuralgene simultan in Zellen gefunden, die damit die Position künftiger Makrochaeten festlegen. Bei Ausfall-Mutationen in einem der beiden Gene werden auch die jeweils späteren Transkripte nicht mehr gebildet, und damit auch keine Borsten. Die proneuralen Gene achaete und scute regulieren, bzw. aktivieren sich also gegenseitig. lethal of scute (l‘sc) ist ein proneurales Gen, das im ZNS während der Embryogenese gebraucht, aber nicht in der Imaginalscheibe exprimiert wird und daher bei der Bildung der Makrochaeten ohne Bedeutung ist. Das asense-Transkript wird erst nach der primären Neurogenese bei der Differenzierung der Neuronen benötigt, und ist daher zur Gruppe der neuronalen Precursor-Gene zu zählen. Andererseits ist ektopische Expression jeder einzelnen dieser Transkriptionseinheiten in der Lage, zur Ausbildung von Sinnesborsten- und Haaren in stereotypisch "korrekter" Position zu führen, was sowohl auf eine wenigstens partiell redundante Funktion der einzelnen Transkripte schließen läßt, aber auch auf regulative Mechanismen, die wir im Weiteren noch diskutieren werden. Deletion aller Gene des achaete-scute-Komplexes führt zum Verlust sämtlicher externer Sinnesorgane, nicht aber zum Verlust von Chordotonalorganen. Diese werden durch Wirkung des separaten proneuralen atonal-Gens angelegt. Anders als die Transkripte des achaete-scute-Locus, deren Funktion bei der Bildung von Makro- bzw. Mikrochaeten teilweise redundant ist, kann ektopische Expression von atonal nur Chordotonalorgane produzieren. Einhergehend mit dieser eingeschränkten Spezifität ist auch eine wesentlich geringere Sequenzhomologie in der bHLH-Region der Proteine. atonal spielt auch bei der Differenzierung der Photorezeptorzelle R8 eine zentrale Rolle (s. 34.3.2.)

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