Zwangsarbeit - Lager vor Ort -
Interview mit Aldo Bertossi

(geb. am 25.5.1912 in Udine/Friaul, wohnhaft in Gersthofen, Winterstrasse 20; Interview vom 4.5.01)

Ich kam 1938 nach Deutschland. Ich versprach mir einen besseren Arbeitsplatz in Deutschland, die in Italien Arbeitskräfte anwarben. Ein Jahr arbeitete ich für die Firma Thormann und Stiefel (= Thosti) in Kissing. Damals wohnte ich in Augsburg in der Spenglergasse beim Dom und kam Anfang 1940 nach Gersthofen. Dort wohnte ich mit weiteren fünf Italienern im Gasthof "Luftschiff". Dort wohnte ich etwa zwei Monate lang.
Danach errichtete Thosti bei der LEW nördlich der Lechchemie ein Baracken-lager für 40 bis 50 Italiener zwischen Lechkanal und den Bahngleisen. Das war Anfang 1941 Ich kann mich erinnern dass zu dieser Zeit für zwei Wochen etwa 12 bis 15 Polen bei uns in den Baracken untergebracht waren. Sie waren arbeitsunwillig, denn es waren Zwangsarbeiter. Sie verschwanden aber wieder so schnell wie sie gekommen waren. Wohin sie gebracht wurden, weiss ich nicht.
Wir Gastarbeiter bekamen regelmässig von der italienischen Regierung Nudeln, Wein und Käse zugesandt, die Ernährung erfolgte in der Kantine bei Thosti.
Ich arbeitete dort bis etwa Mitte 1942 , wir bauten bei LEW Turbinen ein und betonierten, dann kam ich durch Thosti zu Messerschmitt ins Werk IV in Haunstetten.
Dort sah ich die Zwangsarbeiter aus dem KZ-Aussenlager. Sie wurden auch in der Werkzeughalle von SS-Leuten bewacht und begannen die Arbeit weit vor uns, wir fingen um sieben Uhr an.
Ich erinnere mich noch daran, dass die Häftlinge um ihre Mahlzeit anstanden, jeden Tag um 11.30. Das Essen kam aus dem Häftlingslager in Haunstetten. Sie mussten ganz genau in Reih und Glied antreten und schnurgerade stehen. Ein Gefangener stand nicht ganz in der Reihe, da kam ein SS-Mann und streckte ihn mit dem Ellenbogen brutal nieder und als er zu Boden fiel, herrschte der SS-Mann ihn an, er solle sofort wieder aufstehen.
Wir hatten zwei Poliere, die hiessen Bergheimer und Kraus. Sie sagten uns, wir sollten uns ja nicht einmischen, denn sonst würden wir Ärger bekommen.

Ich heiratete am 14. Januar meine Frau und wohnten bis zur Ausbombardierung am 25.Februar 1944 bei meiner Schwiegermutter in der Ludwig-Herman-Strasse. Dann stellte uns die Firma Thosti ein Behelfsheim jenseits des Lechs zur Verfügung, dort wo heute Waltherbau sein Lager hat. Dort waren vier solcher Einfamilienhäuser. Dort waren weiter nördlich auch Baracken, wo vermutlich Fremdarbeiter wohnten. Da befand sich auch Werkzeug. Darüber kann ich aber nichts aussagen.
Mitte 1946 wechselte ich dann den Arbeitsplatz und kam zu IG Farben in die Schreinerei. Dann erhielten wir auch eine Werkswohnung in der Lechkolonie. zwei Zimmer und eine Küche. In der Ludwig-Hermann-Straße Nr. 107 war auch die Gaststätte "Mohr", in der während des Krieges Zwangsarbeiter wohnten. Ich weiß, dass Russen wegen des starken Genusses von Methylalkohol erblindeten.
Als am 27.April die Gemeinde Gersthofen von Dr. Neussell und Thomas Dembinsky an die Amerikaner auf der Höhe Kirchstraße/ Ludwig-Herman-Strasse übergeben wurde, war auch ich mit weiteren ca. 9 Personen dabei.


Aldo Bertossi


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