Sonderfall
italienische Militärinternierte - Elio Galluccio
Elio Galluccio wurde in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem Bergdorf Galluccio im September 1943 von der deutschen Wehrmacht und SS-Verbänden nach Deutschland verschleppt. Sein Sohn Giuseppe, heute Gemeindeschreiber in Galluccio, berichtet hierüber: Was passierte in Galluccio
am 22. und 23.9.1943?
Ihrem
Wunsch entsprechend, ich, Gemeindesekretär von Galluccio, Dr.
Renato Calce,
Neffe von deporierten und (bereits) verstorbenen örtlichen
Geistliche, beehre
mich eine) Aufstellung von Deportierten und Auszügen aus dem Buch
„Erinnerungen
eines Überachtzigjährigen“ beizufügen. Aus diesem Buch
ist es möglich,
allgemeine geschichtliche Auskünfte über die Deportierung der
Zivilbevölkerung
während der Nazi-Besatzung zu entnehmen. Es war diesbezüglich
nicht möglich aus
den Gemeinde-Archiven oder aus Schreiben der Priester Calce Pietro und
Emilio
zusätzliche Angaben der Deportierung zu finden. Aus
mündlichen Auskünften
sollen die währen der Nazi-Besatzung deportierten Bürger
Galluccios vermutlich
an die 200 gewesen sein. Zusammenfassender
Auszug aus dem Buch „Memorie d’un Ultraottuagenario“ (Erinnerungen
eines
Überachtzigjährigen) von Emilio Calce, Seite 26, 3. Absatz,
bis Sesite 28, 3.
Absatz. In der Nacht vom 22 zum
23.09.1943 kamen die SS,
um Männer zu entführen und sie zu den Vernichtungslagern nach
Deutschland zu
deportieren. Wild um sich schiessend und schreiend, sich mit den
Gewehrkolben helfend,
zwangen sie sich den Zutritt in die Wohnungen, stiegen auf die Planen
ihrer
Lkw’s um in die oberen Etagen zu gelegenen Balkonen und Schlafzimmern
zu
gelangen, um die Männer zu entführen. Die Hitlers-Melliz
hatte das Dorf
umzingelt und machte Jagd auf Männern. Blinder Terror ging um
sich. Nur wir
zwei konnten dieser grausamen Entführung entkommen. Auf
abenteuerliche Art
gelang es uns in der Nacht das benachbarte Dorf Vaglie zu erreichen.
Dort haben
wir die Bevölkerung alarmiert. Am kommenden Tag, einige von
Galluccio nach
Vaglie gekommenden SS-Soldaten fanden verbittert nur Frauen und Kinder
vor.
Während der Tagesstunden haben einige deutsche Soldaten in
Galluccio und
Vaglie, weiter um sich und in jedem Gebüsch schiessend, umsonst
die Gegend
durchkömmt. Gegen Abend zogen sich die SS mit den gefangen
genommenen Männern
Richtung Sessa Aurunca zurück und wir kamen aus unsren Verstecken
heraus. Erinnerungen
eines Über-Achtzigjährigen In jungen Jahren unseres Priesteramtes
durchlebten
wir, vor allem in der Zeit des zweiten Weltkrieges zwischen 1940 – 1945
viel
Unglück unterschiedlichster Art. Einige davon werden wir
erzählen, vor allem um
ein Bild über die höllische Säuberungsaktion abzugeben,
die unsere Männer in
der Nacht vom 23 September 1943 durchlebten, als die deutsche S.S. bei
Finsternis in das Dorf Galluccio einbrach, um die Männer aus ihren
Familien zu
reißen und sie ins Vernichtungslager zu bringen.(..) Bereits am Vorabend hatten wir
Leuchtraketen am
Himmel über dem Marinehafen von Formia entdeckt, diese
ließen uns glauben, die
Alliierten seien an Land gekommen, doch die Ereignisse bewiesen uns das
Gegenteil. Durch einen Spalt am Fenster konnten wir beobachten, wie
gegen
Mitternacht eine Gruppe Soldaten mit Taschenlampen durch die
Türschlösser
leuchteten. Einige Minuten später befanden wir uns durch ihr
schreckliches
Gebrüll und durch die Schüsse ihrer Maschinengewehre in der
Hölle. Im Chor
brüllend und unter den Schüssen ihrer Waffen forderten sie,
daß Türen geöffnet
werden, aber keiner wagte es diesen seltsamen Stimmen zu gehorchen und
so hörte
man aus den Schlafzimmern nur das Weinen der Frauen und Kinder. Das
berüchtigte
Heer Hitlers hielt das Dorf mit automatischen Waffenstellungen auf den
Zufahrtsstraßen und den umliegenden Hügeln besetzt und
sortierte die Männer aus
um sie nach Deutschland ab zu transportieren. Blinde Angst machte sich
unter
allen breit, denn diese Teufel stellten ihre Militärlastwägen
direkt neben den
Häusern ab und sprangen vom Lastwagen auf die Balkone der
Häuser, schlugen die
Fenster ein und drangen in die Schlafzimmer ein, wo sie die Männer
ihren
erschreckten Familien entrissen. |
Wir waren die Einzigen, die dieser
schrecklichen
Gefangennahme entkamen. Der Herr hatte uns vor diesen unmenschlichen
Torturen
bewahrt, weil wir noch andere Missionen zu Gunsten unseres Volkes
verrichten
sollten. Zuerst verbarrikadierten wir uns in der Kirche, aber als wir
merkten,
daß die S.S. Soldaten bis in den angrenzenden Bauernhof
vorgedrungen waren, von
dem man an den heiligen Ort des fürstlichen Palastes durch eine
kleine Tür
hinter dem Chorstuhl gelangen konnte, stiegen wir durch ein Fenster
über einen
Felsen auf der Rückseite des Pfarrhauses bei Nacht auf den
Saumpfad herab.
Dabei hielten wir uns an Bromberstäuchern und Zweigen fest, die
entlang der
Mauer gewachsen waren, und rannten dann in nächste Dorf um die
Männer von
Vaglie zu warnen, damit diese sich in die Verstecke auf dem Land retten
konnten. Bei Sonnenaufgang kamen einige Soldaten von Galluccio nach
Vaglie,
aber als sie das Dorf erreichten, fanden sie außer Frauen und
Kinder niemand
vor.
Als bei Sonnenuntergang die
Männer der S.S. mit den
gefangen genommenen Männern aus Sessa Aurunca abzogen, stiegen wir
aus unseren
Verstecken hervor um uns zu versammeln. Dort trafen wir die ersten
Übereinkünfte. Einige, außer sich, drohten den ersten
Deutschen, der ihre
Strasse quert, umzubringen. Wir forderten sie auf, keine Verbrechen zu
begehen
und vereint zu bleiben, nicht um anzugreifen, sondern um zu
verteidigen. Das
menschliche Fleisch schrie nach Rache, auch wenn den Soldaten selbst
keine
Schuld für ihre Taten zugesprochen werden konnte, da sie nur den
Befehlen
gehorchten. Außerdem ging das Gerücht um, dass Hitlers
Wehrmacht zehn Italiener
für jeden deutschen getöteten Soldaten umbringen würde.
In diesem Fall wären
die schuldlosen Frauen und Kinder unseres Dorfes die Opfer gewesen.
Alle hörten
mit großer Aufmerksamkeit unseren Ausführungen zu und sie
verstanden, dass
Gewalt nur neue Gewalt provoziert hätte und sie versprachen keine
voreiligen
Entscheidungen zu treffen.
Außerdem erwiesen sich die
Männer, die wir vor der
Gefangenschaft bewahrt hatten, mit der Zeit als sehr nützlich
für das Dorf und
ihr Vaterland. Sie dienten als Informanten der Alliierten, denen sie zu
den
undenkbarsten Tag- und Nachtzeiten wichtige Notizen eines hochrangigen
Offiziers von Stato Maggiore überbrachten, der sich in den
felsigen Schluchten
des Monte Camino als Bauer ausgab. Die Alliierten nannten uns deshalb
„Die Bande vom
Monte Camino“ und mehrmals lobten sie unseren Mut und schätzten
unseren
wichtigen Beitrag im gemeinsamen Versuch das Vaterland zu befreien. Der Staatspräsident zeichnete uns
am 17. Juli 1951
mit folgender Begründung durch das Kriegsverdienstkreuz aus: „Zu
Zeiten der
Besetzung durch die Deutschen begleiteten sie die Aktivitäten der
Partisanen in
unmittelbarer Nähe der feindlichen Linie, sie führten
gefährliche Missionen
durch und bewiesen somit ihren Mut und ihre Treue zum Vaterland in der
Gegend
von Monte Camino (Napoli)“. Der hohe Offizier von Stato Maggiore,
der persönlich
unsere Aktivitäten und die gefährlichen Missionen kannte, in
denen wir erst
unter Lebensgefahr die Männer von Vaglie und später weitere
unbekannte
Personen, sowie schließlich auch die gesamten Kunstschätze
und das lokale
Kulturerbe zu Zeiten der nationalsozialistischen Besetzung gerettet
hatten,
schlug uns für die höchste Auszeichnung vor „die Goldmedaille
für
Kriegsverdienste“. Er war sehr überrascht und enttäuscht als
er erfuhr, dass
wir das Kriegsverdienstkreuz erhalten hatten. (..) Im folgenden Kapitel werden wir, auf
Anfrage der
italienischen Behörden, die Niederschriften von Offizier
Berlettano, anfügen. Nach dem Krieg wollten die Männer
von Vaglie, die
erkannt hatten, dass sie dem Vernichtungslager in Deutschland dank dem
mutigen
und lebensgefährlichen nächtlichen Einsatz von Don Emilio
Calce zu verdanken
hatten, durch eine Versammlung der „Bruderschaft“ Ehre erweisen. |
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