Zwangsarbeit - Kriegswirtschaft und
Zwangsarbeitereinsatz - Phase 3

3. Phase 1942-1945: Rationalisierung des Arbeitseinsatzes als Folge des totalen Krieges

Mit dem Ende der Blitzkriegerfolge und dem Übergang zum menschen- und materialaufreibenden Stellungskrieg ergriff der neue Minister für Bewaffnung und Munition, Albert Speer, Maßnahmen für eine durchgreifende Zentralisierung und Rationalisierung der Kriegswirtschaft , welche von einer gleichermaßen rigiden und menschenverachtenden Arbeitsmarktpolitik flankiert waren, die in der Ernennung des thüringischen Gauleiters Fritz Sauckel zum "Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" gipfelten.
Bei der Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem In- und Ausland arbeitete Sauckel sowohl mit zivilen ?ehörden als auch mit den Arbeitsämtern und mit der Wehrmacht und der SS zusammen.

Russische Kriegsgefangene in der deutschen Wirtschaft

Bis Oktober 1941 hatte es von Seiten der Reichsleitung keine Planungen gegeben, sowjetische Kriegsgefangene in der deutschen Wirtschaft einzusetzen, vielmehr war an eine groß angelegte Umsiedelungsaktion nach Sibirien gedacht. Infolge dieser Planungs- und Konzeptionslosigkeit kamen noch 1941 annähernd 2 Millionen Kriegsgefangene durch Hunger und Seuchen ums Leben.
Schließlich entschloss sich Hitler zum Einsatz von sowjetischen Kriegsgefangenen vornehmlich im Bergbau. Weil die wenigsten der russischen Soldaten transport- bzw. arbeitsfähig waren und damit den Arbeitskräftemangel im Reich nicht beheben konnten, entschloss man sich seit Frühjahr 1942 zur "Anwerbung" und Deportation von insgesamt 2,8 Mio. "Ostarbeitern" ins Reich.

Menschenjagd und Deportation ziviler Arbeitskräfte aus der Sowjetunion

Die "Ostarbeiter" kamen etwa zur Hälfte aus der Ukraine, zu einem Drittel aus Russland und einem Sechstel aus Weißrussland. Balten und ethnische Ukrainer hatten keinen Ostarbeiterstatus. Nur ein geringer Teil dieser Arbeitskräfte ging freiwillig nach Deutschland; ihre Briefe in die Heimat lösten Entsetzen aus, so dass den zunehmend repressiver vorgehenden deutschen "Werbern" offene Ablehnung entgegenschlug.
Die sowjetische Ukraine hatte zunächst mit den Deutschen sympathisiert, doch nichts veränderte die Meinung der Bevölkerung stärker als das Verhungern lassen der Kriegsgefangenen und die Menschenjagden in Dörfern, städtischen Schulen, Cafès oder Kinos. Ganze Jahrgänge im Teenageralter wurden in Güterwägen zum Arbeitseinsatz ins Reich geschickt. Dort erwartete sie für einen lächerlichen Lohn harte Arbeit (meist in der Industrie), schlechte Ernährung, Kleidung und Unterkunft, sowie ein "Ost"- Abzeichen mit Nummer. Viele wurden drei Jahre im Betrieb nur mit ihrer Nummer angesprochen. Die Lager waren mit Stacheldraht umzäunt und anfangs bewacht. Da Flucht in die Heimat kaum möglich war, entfiel die Bewachung später.

Arbeitseinsatz von Häftlingen

Als der Krieg im Osten immer mehr Einberufungen deutscher Männer notwendig machte, gab es nur noch zwei Arbeitskraftreserven im deutsch besetzen Europa: deutsche Frauen und KZ-Häftlinge.
Aufgrund des NS-Frauenbildes und der Erfahrungen im Ersten Weltkrieg schreckte das NS-Regime vor einer zu starken Beanspruchung der deutschen Frauen zurück, so dass von 1942 an zunehmend KZ-Häftlinge in besonders rüstungswichtigen Betrieben eingesetzt wurden. Der Einsatz in Industriebetrieben war, so grausam die Begleitumstände auch häufig waren, für viele KZ-Häftlinge die Rettung vor dem sicheren Tod in der Gaskammer. Wer allerdings im Bergbau, in Steinbrüchen oder in Baubrigaden eingesetzt wurde, war der "Vernichtung durch Arbeit" ausgesetzt.

Jüdische und andere KZ-Häftlinge in der Rüstungsindustrie

Schließlich wurden 1944 sogar noch jüdische KZ-Häftlinge nach Deutschland zurücktransportiert, um die ins Unendliche steigende Nachfrage der Industrie nach Arbeitskräften zu stillen.
Sie standen unter der Verantwortung der SS und wurden neben anderen Häftlingen vor allem im Stollen- und Tiefbau für die Verlagerung "kriegswichtiger" Betriebe und Entwicklungszentren eingesetzt (Peenemünde, Mittelbau Dora, Landsberg am Lech).

Vernichtung durch Arbeit

Die extrem hohe Arbeitsbelastung bei minimaler Verpflegung und Versorgung führte zu enormen gesundheitlichen Schäden; Todesraten von 30 Prozent waren keine Seltenheit. Die Gesamtzahl der zur Arbeit eingesetzten KZ-Häftlinge muss auf etwa 1,55 Millionen veranschlagt werden. Nur etwa 475 000 überlebten die harten Arbeitsbedingungen auf den Baustellen und in den Industriebetrieben sowie die grausamen Todesmärsche in den letzten Monaten des Krieges.

Fazit des Fremdarbeitereinsatzes

Der "Gewinn" aus dem massenhaften Einsatz von ausländischen Arbeitskräften war begrenzt. Die Struktur der Beschäftigten, die unter denkbar schlechten Arbeits- und Versorgungsbedingungen lebten und in der Regel erst angelernt werden mussten bzw. fachfremd eingesetzt wurden, konnte den Mangel an deutschen Facharbeitern nicht kompensieren.
Im August 1944 waren auf dem Gebiet des "Großdeutschen Reiches" 7,6 Millionen ausländische Arbeitskräfte als beschäftigt gemeldet, darunter 1,9 Millionen Kriegsgefangene und 5,7 Millionen zivile Arbeitskräfte sowie eine halbe Million zumeist ausländischer KZ-Häftlinge.

Jeder dritte Arbeiter ein Ausländer

Im Durchschnitt wurde jeder dritte Arbeitsplatz von einem Ausländer eingenommen, in der Landwirtschaft und in einigen Industriebranchen erreichte der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte oftmals 50%.
Zwar erfuhr die Produktion einzelner Industriezweige wie die Chemische Industrie, die Schwerindustrie, die Schwerindustrie und der Maschinenbau während der letzten Kriegsjahre durch den massenhaften Einsatz von ausländischen Arbeitskräften eine erhebliche Steigerung, andere Produktionszweige wie die Nahrungsmittelindustrie erlitten dagegen empfindliche Einbußen. Bei Kriegsende kam es daher zu einem vollständigen Zusammenbruch der völlig überhitzten NS-Kriegswirtschaft.

Verantwortlichkeit für den Arbeitseinsatz

Der Hauptverantwortliche für den Zwangsarbeitseinsatz war zweifellos der deutsche Staat. Doch gibt es inzwischen zahlreiche Fallstudien, die belegen, in wie starkem Ausmaß sich viele deutsche Unternehmen aktiv am Zwangsarbeitsprogramm beteiligten. Sie hatten die Nachkriegsperspektive vor Augen und versuchten durch Hereinnahme lukrativer Rüstungsaufträge Sachkapital zu akkumulieren, auch wenn dies nur durch Ausnutzung von Zwangsarbeitern zu bewerkstelligen war. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass sich angesichts des Abzugs deutscher Fachkräfte Unternehmen, die vielleicht lieber "sauber" geblieben wären, genötigt sahen, selbst dann weiter Arbeitskräfte beim Arbeitsamt anzufordern, als klar ersichtlich war, dass es sich nur noch um unfreiwillige Arbeitskräfte handeln würde.

Grosse Handlungsspielräume für die Unternehmen

Unabhängig von der Frage der Verantwortlichkeit für den Einsatz hatten die Unternehmen bei der Behandlung der Zwangsarbeiter recht weite Handlungsspielräume, zumal die NS-Bürokratie häufig sehr widersprüchliche Anweisungen herausgab. Die tatsächliche Behandlung weist daher ein breites Spektrum von skrupelloser Ausbeutung bis zu verständnisvoller Rücksichtsnahme auf, letzteres eher bei mittelständischen Betrieben, wo noch ein direkter Kontakt zwischen patriarachalischem Unternehmer und Belegschaft möglich war. Insgesamt überwog jedoch eine erschreckende Indifferenz gegenüber dem Schicksal der Zwangsarbeiter, die sich im Grunde bis in die erst kürzlich zu Ende geführten Entschädigungsverhandlungen fortgesetzt haben.

Literatur:

Ulrich Herbert: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Bonn 21999, S. 41-220

Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge; München 2001, S. 129-189

Dr. Katja Klee/Fritz Schäffer, Zwangsarbeiter in Deutschland, Freising 2000, S. 1-111

Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945, München 2001


Anteil Arbeitskräfte männl./weibl.


Anteil Ausländischer Arbeitskräfte


Ausländische Arbeiter in der Kriegswirtschaft


Anteil ausländischer Kriegsgefangener


Deutsche und Ausländer nach Berufsgruppen


Arbeit bei Messerschmitt Augsburg


Opfer der Kriegshandlungen


Flugzeugproduktion bei Messerschmitt


Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie


Zivilarbeiter bei der Flugzeugmontage (1)


Zivilarbeiter bei der Flugzeugmontage (2)


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