Zwagsarbeit - die Entschädigungsfrage

Im Jahre 1952 stellte der Staat Israel einen Kollektivanspruch an Deutschland für die Eingliederung und Rehabilitierung der Überlebenden des Holocaust. von den geforderten 1,5 Milliarden Dollar sollte Westdeutschland eine Milliarde zahlen, Ostdeutschland eine halbe Milliarde.
Während die DDR-Regierung jede Art von Reparationszahlungen ablehnte, erkannte die bundesdeutsche Regierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer die Verantwortlichkeit der Bundesrepublik für die Verbrechen des Dritten Reiches an.
Nach langwierigen Verhandlungen kam es schließlich am 10.September 1952 in Luxemburg zur Unterzeichnung eines zweiteiligen Wiedergutmachungsabkommens zwischen Israel und der Claims Conference einerseits und der Bundesrepublik andererseits.
Im "Israelvertrag" verpflichtete sich die Bundesrepublik zur Zahlung von 3 Milliarden Mark an den Staat Israel für die Eingliederung von rund 500000 Flüchtlingen aus Europa in Palästina.
Im zweiten Vertragswerk, den so genannten Haager Protokollen, war vereinbart, dass Deutschland 450 Millionen Mark an die Jewish Claims Conference zahlen müsse.
Drittens wurden die Eckpunkte für ein zukünftiges Bundesgesetz zur individuellen Entschädigung festgelegt.
Das am 1.10.1953 verabschiedete "Bundesergänzungsgesetz für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung (BergG)" wurde wegen erheblicher Mängel am 29.Juni 1956 vom "Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG)" abgelöst.
Das BEG sah Entschädigungen für Deutsche und Ausländer vor, die aus rassischen, religiösen, politischen und weltanschaulichen Gründen von den Nationalsozialisten verfolgt worden waren und Schäden an Leib und Leben, an Eigentum und Vermögen, im beruflichen oder wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hatten oder einer Freiheitsberaubung ausgesetzt gewesen waren.
Die Entschädigungen wurden in Form von einmaligen Zahlungen, regelmäßigen Rentenzahlungen oder einer Kranken- und Hinterbliebenenversorgung geleistet.
Da die Durchführung der Verfahren bei den Ländern lag und über die kommunalen Entschädigungsämter abgewickelt wurde, kam es zu großen Ungerechtigkeiten.
Leistungsberechtigt waren demnach nur Personen, die entweder am 31. Dezember 1952 im Bundesgebiet wohnten oder vor 1945 in Gebieten des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 gelebt hatten. Verfolgte aus anderen Staaten schloss das Gesetz kategorisch aus.
Erst später versuchte die Bundesregierung durch zwischenstaatliche Abkommen mit den westeuropäischen und einigen wenigen osteuropäischen Ländern dies auszugleichen. Die Zahlungen in Höhe von insgesamt einer Milliarde Mark standen aber in keinem Verhältnis zu den Untaten des NS-Regimes.
Mit dem Bundesrückerstattungsgesetz vom 19.Juli 1957 wurde die Rückerstattung geraubten Vermögens geregelt.

In einem Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag vom Oktober 1986 wurden die Leistungen und Wirkungen der deutschen Wiedergutmachung festgehalten.
Demzufolge waren bis zum 31. Dezember 1985 rund 4,4 Millionen Anträge bearbeitet und rund die Hälfte positiv beschieden worden. Die meisten Antragsteller waren ehemalige Lager- und Ghettohäftlinge sowie Emigranten. Neben den 3,45 Milliarden DM, die dem Staat Israel und der Claims Conference durch das Luxemburger Abkommen vom 10.9.1952 (siehe oben) zugesprochen worden waren, hatte die Bundesrepublik weitere vier Milliarden Mark für die individuelle Rückerstattung aufgewandt.
Die mit Abstand größte Summe war aber im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes angefallen: 60 Milliarden Mark. Bis zum Jahr 2000, so die Prognose von 1986, würden für die Gesamtaufwendungen für die Wiedergutmachungen auf 102,6 Milliarden Mark ansteigen.

Die immensen Geldbeträge und die Tatsache, dass die Aufwendungen weit über die ursprünglichen Schätzungen hinausgingen, verleiten leicht zu einem allzu positiven Urteil der Wiedergutmachung. Entschädigung erhielten nicht alle, die im Dritten Reich gelitten hatten.

Auf Initiative der GRÜNEN wurde die Diskussion um die Entschädigung wieder aufgenommen. Sie plädierten für die Anerkennung und Versorgung aller Opfer der NS-Verfolgung.
Die große Gruppe der Zwangsarbeiter - 5,7 Millionen ausländischer Zivilarbeiter, 1,9 Millionen Kriegsgefangene und rund 500 000 überwiegend ausländische KZ-Häftlinge - die sich bei Kriegsende im Deutschen Reich oder in den besetzten Gebieten befanden, war bei der Entschädigung bislang kaum berücksichtigt worden, weil man ihre Ansprüche als Reparationsforderungen einstufte, die erst durch einen Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland geregelt werden sollten (Londoner Schuldenabkommen von 1953). Auch die Unternehmen lehnten jegliche Ansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter lange Zeit mit der Begründung ab, sie seien nur als Beauftragte des Reiches tätig gewesen.

Die Bereitschaft deutscher Unternehmen, moralische Verantwortung für den Zwangsarbeitereinsatz zu übernehmen, ist noch sehr jung: Konfrontiert mit den Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter entwickelten einige große deutsche Unternehmen 1998 erste Initiativen zur Gründung einer Stiftung für die überlebenden Opfer des NS-Regimes. Dabei betonten sie, dass keinerlei Rechtsansprüche gegen deutsche Unternehmen im Hinblick auf Zwangsarbeit oder Schäden wegen der Verfolgung während der NS-Zeit beständen, sondern es allein um eine "Geste der Versöhnung" gehe.
Für ihr Engagement verlangten die Unternehmen absolute Rechtssicherheit, d.h. Schutz vor jeglicher gerichtlicher Inanspruchnahme und den Rückzug der anhängigen Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter.
Nach schier unüberbrückbaren Gegensätzen und zähen Verhandlungen wurde schließlich im August 2000 das "Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" verabschiedet, das auch die Rechtssicherheits-Klausel beinhaltet.
Das Gesetz sieht einmalige Zahlungen u.a. an ehemalige KZ-Häftlinge vor, die zur Arbeit gezwungen wurden, und an ausländische Zwangsarbeiter in Industrie und Landwirtschaft in Höhe von bis zu 15 000 Mark vor.
Die Abwicklung der Zahlungen erfolgt allein durch die nationalen Partnerorganisationen in den Ländern Polens, Weißrussland, Russland, Ukraine, Tschechoslowakei oder durch die Claims Conference und die International Organization for Migration (IOM).
Verzögert wurde die Auszahlung der Stiftungsgelder durch die Entscheidung der amerikanischen Richterin am Bundesgericht Manhattan Süd, Shirley Wohl Kram, Sammelklagen gegen deutsche und österreichische Firmen nicht abzuweisen. (vgl. SZ vom 9.März 2001, Seite 6).
Erst seit Mitte Juni scheint der Weg für eine umfassende Entschädigung aus der Stiftung "Verantwortung, Erinnerung, Zukunft" frei, die Auszahlung hat endlich begonnen.
Für viele der Zwangsarbeiter kommt die 55 Jahre nach Kriegsende beschlossene Auszahlung viel zu spät. Von den im April 2000 ermittelten 1067 ukrainischen Zwangsarbeitern, die die Stadt München auf eigene Faust entschädigen wollte, ist mittlerweile ein Drittel bereits verstorben. Informationen zum Fortgang der Zwangsarbeiterentschädigung können unter www.stiftungsinitiative.de eingeholt werden.


Entschädigung bis 1965


Karikatur (12.05.00)


Umfrage zur Entschädigung


Wiedergutmachung bis 2000?


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