Kap 1.2
Befreundete Zahlen

Bildet man s *(220)=284 und überprüft dann die Teilersumme von 284, so erlebt man eine Überraschung: s *(284)=220. Dieses ungewöhnliche Zahlenpaar war schon in der Antike bekannt. So soll Pythagoras (ca. 570-500 v.Chr.) geschrieben haben:"...ein Freund ist einer, der ein anderes Ich ist, wie 220 und 284". So geht auch die folgende Definition auf Pythagoras zurück:

DEFINITION
Zwei Zahlen a und b heißen befreundet, wenn gilt: s *(a)=b und s*(b)=a.

Lange blieb dieses eine Zahlenpaar, das angeblich auch Aristoteles in der "Ethik" benutzte, um den Begriff Freundschaft zu charakterisieren, das einzige bekannte. Erst Fermat(1601-1665) und der uns schon bestens bekannte Pater Mersenne veröffentlichten 1636 ein weiteres:

AUFGABE 1.44
Zeige, daß 17296 und 18416 befreundet sind.

Wie fanden Fermat und Mersenne dieses Paar? Es scheint, daß sie ein Rezept wiederfanden, das der im 9.Jahrhundert in Bagdad lebende Arzt Thâ bit Ibn Kurah entwickelt hat (ohne damit allerdings ein weiteres Zahlenpaar außer dem schon bekannten 220/284 zu finden). Bei Fermat hört sich das etwa so an:

AUFGABE 1.45
Schreibe die ersten 7 Spalten des oben beschriebenen Schemas auf. Welche befreundeten Zahlenpaare ergeben sich?

AUFGABE 1.46
Formalisiere das oben angegeben Verfahren.

Die Lösung von Aufgabe 1.46 bringt die folgende Regel an den Tag:

REGEL
Zwei Zahlen a und b mit a=2nxy und b=2nz sind befreundet, wenn x=3 ×2n-1, y=3× 2n-1-1 und z=9× 22n-1-1 prim sind.

Das dritte Paar, welches sich nach dieser Regel für n=7 ergibt, gab Descartes(1596-1650) an: 9.363.584 und 9.437.056 sind befreundet.

Beweis der REGEL:
s *(a)=(2n+1-1)(x+1)(y+1)-a
=(2n+1-1)3× 2n× 3× 2n-1-2n× (3× 2n-1)(3× 2n-1-1)
=(2n+1-1)× 9× 22n-1-2n(9× 22n-1-3× 2× 2n-1-3× 2n-1+1)
=2× 2n× 9× 22n-1-9× 2n× 2n-1-2n(9× 22n-1-9× 2n-1+1)
=2n(18× 22n-1-9× 2n-1-9× 22n-1+9× 2n-1-1)
=2n(9× 22n-1-1)
=2n× z
=b

AUFGABE 1.47
Führe die Rechnung für s*(b) durch.

Trotz der angegebenen Regel dauerte es bis 1747, bis Euler (1707-1783) auf einen Schlag 30(!) weitere befreundete Zahlenpaare veröffentlichte (in seinem Werk "De numeris amicabilibus"). 1750 gab er weitere 34 Paare bekannt, von denen allerdings zwei falsch waren. Das größte von Euler gefundene Paar ist a=35 ×72× 13×19× 53×6959 und b=35× 72×13× 19×179×2087.

AUFGABE 1.48
Bestimme die Dezimaldarstellung von a und b und zeige, daß die beiden Zahlen befreundet sind.

AUFGABE 1.49
Im Jahr 1867 überraschte der 16 Jahre alte Nicolo Paganini (der im übrigen nichts mit dem gleichnamigen Violinvirtuosen zu tun hat) die Fachwelt mit dem Paar 1184/1210. Dieses ist das zweitkleinste befreundete Zahlenpaar und war bis dahin von allen Großmeistern glatt übersehen worden.

Übrigens fand Euler seine "Pärchen" nicht nach dem Rezept von Fermat, denn heute ist bekannt, daß die drei angegebenen Paare die einzigen sind, die sich nach diesem Verfahren für n<20.000 finden lassen. Herman te Riele aus Amsterdam berechnete 1985 alle 1427 befreundeten Zahlenpaare unter 10.000.000.000. Von Walter Borho von der Universität Bonn, der 1987 diese Liste nochmals um 10455 Freundespaare bereicherte, stammt das folgende Rezept zur Konstruktion großer Freundespaare:

Man nehme ein befreundetes Zahlenpaar A=a× u und B=a× s, wobei s prim ist. Ist p=u+s+1 eine Primzahl und p nicht Teiler von a, so gilt für nÎ N : sind q1=(u+1)× pn-1 und q2=(u+1)(s+1)pn-1 prim, so sind A1=Apnq1 und B1=apnq2 befreundet.

Dazu ein Beispiel mit dem kleinsten Pärchen: Es sei A=220=22× 55 und B=22× 71. Dann ist a=22, u=55 und s=71 prim. p=55+71+1=127 ist auch prim und nicht Teiler von a. Nun müssen wir mit nÎ N testen: Für n=1 ergibt sich q1=56× 127-1=7111=13× 547 - ein Fehlversuch. Also nehmen wir n=2: q1=903.223 und q2=65.032.127 - zwei Primzahlen (nachprüfen!). Wir erhalten damit das befreundete Paar A1=220× 1272× 903.223 und B1=22× 1272× 65.032.127. (Wie viele Stellen hat B1?)

AUFGABE 1.50
Zeige, daß es sich bei den folgenden Zahlenpaaren um befreundete Zahlen handelt:
  a) 5020/5564   b) 10744/10856    c) 63020/76084    d) 67095/71145

AUFGABE 1.51
Zeige an Hand der Beispiele von 1.50, daß die kleinere der beiden befreundeten Zahlen abundant ist, während die größere defizient ist.

AUFGABE 1.52
Beweise den Sachverhalt von Aufgabe 1.51 allgemein.

Wir wollen am Beispiel von A1 aus dem vorangegangenen Abschnitt einmal zeigen, wie man mit solchen "Zahlenriesen" zurechtkommt:
s *(A1)=7× 6× 12× × 903.224-A1
=7× (2× 3)× (22× 3)× 16.257× 903.224- A1
=23× 32× 7× (3× 5419)× (23× 7× 1272)- A1
=26× 33× 72× 1272× 5419- 22× 5× 11× 1272×903.223
=22× 1272× (24× 33× 72× 5419- 5× 11×903.223)
=22× 1272× (114.709.392- 49.677.265)
=22× 1272×65.032.127
=B1
Zeige entsprechend: s *(B1)=A1

Konstruiere aus A=11.498.355 und B=12.024.045 nach der Regel von Borho eine weiteres Paar befreundeter Zahlen.

DownloadDownload Kap1_2(8 KB)
Inhaltsverzeichnis vorherige Seite zum Seitenanfang naechste Seite Kontakt


Copyright © Michael Dorner, Dezember 2000.
Impressum · Datenschutz